Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) hat das umstrittene Künstlerkollektiv »Zentrum für Politische Schönheit« auf das Schärfste verurteilt. ORD-Vorstandsmitglied Avichai Apel wirft den Künstlern Pietätlosigkeit und eine besondere Form der Leichenfledderei vor.
»Mit dem Missbrauch dieser Asche wurde einerseits die Totenruhe (§ 168 StGB) verletzt, und andererseits wird hier der Tod von Millionen von Menschen für ein obszönes Kunstspektakel ausgenutzt«, erklärte Rabbiner Apel. »Als ob das Leid unserer Brüder und Schwestern vor über 70 Jahren nicht genug war, darf die Asche dieser Menschen kein Teil eines Kunstobjektes sein.« Das Zentrum für Politische Schönheit habe eine Grenze überschritten und sich einen Namen als Zentrum für Pietätlosigkeit gemacht.
Die ORD fordert die Künstler dazu auf, die Ruhe der Toten mittels Begleitung eines Rabbiners wieder herzustellen.
Die Rabbiner erklärten in ihrem Brief an das Künstlerkollektiv weiter: «Nicht genug, dass Sie die Totenruhe von Opfern der Schoa stören und diese für ihre eigenen Zwecke missbrauchen, sind wir nun sehr besorgt, dass sie zum Ende ihrer ›Kunstaktion‹ nicht einmal gemäß der Halacha (jüdischen Gesetzen) ihre Ruhe finden können.»
Juden sollten nach ihrem Tod «schnellstens der Ewigen Ruhe überführt werden», möglichst noch vor Schabbat. Dieser beginne am Freitag um 15.36 Uhr. «Eine würdevolle Beisetzung der Asche muss daher in den frühen Vormittagsstunden stattfinden», erklärten die Rabbiner Avichai Apel, Zsolt Balla und Yehuda Pushkin für den Vorstand der Rabbinerkonferenz.
Die Gruppe »Zentrum für Politische Schönheit« hatte am Montag in Sichtweite des Reichstagsgebäudes eine «Gedenkstätte» errichtet, unter anderem mit einer Stahlsäule, die nach Angaben der Künstler Asche von Opfern der Massenmorde der Nazis enthält. An der ausgewählten Stelle hatte der Reichstag 1933 mit breiter Mehrheit für das Ermächtigungsgesetz gestimmt, das der NS-Regierung ermöglichte, den Rechtsstaat auszuhebeln und ihre Diktatur aufzubauen. Mit der Aktion unter dem Titel «Suchet nach uns!» will die Gruppe angeblich vor einer Zusammenarbeit der Union mit der AfD warnen.
HALACHA »Während der NS-Schreckensherrschaft wurden die Körper von 6.000.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern durch die Schornsteine der nationalsozialistischen Konzentrationslager in Europa entsorgt«, betonte Rabbiner Apel. »Ihnen wurde hierdurch die Möglichkeit genommen, nach jüdischem Ritus in der kommenden Welt (›Olam HaBa‹) wiederaufzuerstehen.«
Deshalb fordere er die Künstler im Namen der jüdischen Gemeinschaft dazu auf – mittels Begleitung eines Rabbiners –, die Ruhe der Toten wiederherzustellen und die Asche gemäß den jüdischen Gesetzen respektvoll zu der Ewigen Ruhe zu bringen, welche ihr zustehen.
Auch die Bundesregierung und der Zentralrat der Juden kritisierten die jüngste Aktion des Zentrums für Politische Schönheit. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer nannte die Aktion am Dienstagnachmittag »außerordentlich pietätlos und geschichtsvergessen«.
Der Zentralrat der Juden sagte ein Telefongespräch mit den umstrittenen »Gedenkstätten«-Aktionskünstlern ab.
In einem Tweet des Zentralrats von Dienstagmorgen hieß es: »Die jüngste Aktion von @politicalbeauty ist aus jüdischer Sicht problematisch, weil sie gegen das jüdische Religionsgesetz der Totenruhe verstößt. Sollte es sich tatsächlich um Asche von Schoa-Opfern handeln, dann wurde die Totenruhe gestört.«
Am Dienstagabend wurde bekannt, dass der Zentralrat ein Telefonat mit den Aktionskünstlern vom Zentrum für Politische Schönheit abgesagt hatte. Die Aussage der umstrittenen Gruppe, die neue Aktion beim Berliner Reichstagsgebäude laufe in enger Absprache mit dem Zentralrat, entspreche nicht der Wahrheit, sagte Präsident Josef Schuster.
Die Vorgehensweise der Gruppe bezeichnete Schuster als unseriös. Sie diene offensichtlich ausschließlich dazu, Aufmerksamkeit zu erregen. »Das geplante Telefonat wurde daher von unserer Seite abgesagt«, sagte Schuster.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte: »Es wäre gut, wenn das ZPS beim Abbau der Installation einen Rabbiner hinzuzöge, um wenigstens dann für die Beachtung der jüdischen Religionsgesetze zu sorgen. Es ist erschütternd, dass heutzutage Künstler meinen, zu solch drastischen Mitteln greifen zu müssen, um auf gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen. Durch das bewusste oder unbewusste Verletzen religiöser Gesetze von Minderheiten tragen sie zur Verrohung der Gesellschaft bei, vor der sie ja eigentlich warnen wollen.« ja
Weitere Reaktionen der jüdischen Gemeinschaft auf die »Kunstaktion« des Zentrums für Politische Schönheit finden sich hier.