Rabbi Jossi sagte: Wer ist reich zu nennen? Derjenige, der ein Toilettenhaus in der Nähe seines Tisches hat» (Talmud Schabbat 25b). Anfang des Monats berichteten verschiedene Medien, dass eine Gruppe von Archäologen vor Kurzem eine überraschende Entdeckung gemacht hat: Am Südende der Davidstadt in Jerusalem fanden sie eine steinerne Privattoilette aus dem 7. Jahrhundert v.d.Z.
Was in den Tagen der tannaitischen Gelehrten 800 Jahre später galt, ist von dem Forscherteam der israelischen Antikenbehörde auch für die Zeit des Ersten Tempels festgestellt worden: Private Aborte waren ein Symbol für Luxus und Reichtum.
Wie kommt der große rabbinische Gelehrte Rabbi Jossi dazu, sich einem so profanen Thema wie der Toilette zu widmen?
ENGEL Die folgende aggadische Episode gibt darüber Aufschluss: Wie die talmudischen Weisen erzählen (Schabbat 85b), weigerten sich die diensttuenden Engel des Himmels zunächst, unserem Lehrer Mosche die Tora auszuhändigen, als er in die von der göttlichen Präsenz benetzte Wolke auf dem Berg Sinai stieg.
Auf das Argument der Engel hin, die Tora sei ein zu erhabenes Gut, um es den aus Materie geformten Menschen anzuvertrauen, erwiderte Mosche: «Was steht denn in der Tora geschrieben? Sind es nicht Dinge wie: ›Du sollst (in einem Rechtsstreit) nicht falsch schwören‹ (2. Buch Mose 20,7)? Und ihr Engel, geht ihr etwa irdischen Geschäften und Handel nach?»
Unter dem Jerusalemer Tempel befand sich neben dem Tauchbad das «Toilettenhaus der Würde».
Mit dieser und ähnlichen Entgegnungen konnte Mosche die Engel schließlich davon überzeugen, dass die Tora, obwohl erhaben, doch eine «Tora des Lebens» ist. Als Weisung für die Menschen und ihre irdische Umwelt ist ihr rechter Ort daher auf der Erde.
Die Tora möchte dem alltäglichen Leben der Menschen einen Teil der himmlischen Heiligkeit verleihen: «Ihr sollt heilig sein, denn Ich, der Ewige, euer Gott, bin heilig» (3. Buch Mose 19,2).
Aus diesem Grund, so erklärt Rabbiner Chaim von Voloschin, der Nefesch Hachajim (1749–1821), spricht die Tora nicht nur über hohe Dinge, sondern auch über scheinbar profane zwischenmenschliche Rechtsangelegenheiten sowie über die leiblicheren Bereiche des Daseins.
Daher lesen wir bereits in der schriftlichen Tora einige Anweisungen zur Heiligung der Körperfunktionen und des Umgangs mit ihnen:
SPATEN «Einen Ort sollst du dir außerhalb des Lagers markieren, und dorthin sollst du gehen (zum Zweck des Stuhlgangs). Und einen Spaten sollst du haben bei deinen Werkzeugen, sodass, da du dich draußen niedersetzt, du graben kannst und deine Ausscheidung bedeckst. Denn der Ewige, dein Gott, wandelt inmitten deines Lagers (…), und daher möge dein Lager heilig sein» (5. Buch Mose 23, 13–15).
In dieser Passage spricht das 5. Buch Mose über das Kriegslager der in den Kampf ziehenden jüdischen Soldaten. Weil sie die Bundeslade mit ins Gefecht nehmen, ist die Präsenz des Ewigen verstärkt (1. Samuel 4, 3–5). Dies verlangt ein höheres Maß an Heiligkeit, sowohl moralisch als auch kultisch.
Kot und Urin erzeugen nach der Tora eigentlich keine kultische Unreinheit (hebräisch: Tum’a). Diese kann zwar durch manche körperliche Ausscheidungen (etwa Menstruationsblut oder Samen) entstehen, nicht aber durch schlichten Wasserlass oder Stuhlgang.
Dennoch lernen wir hier, dass der Umgang mit den Endprodukten des Stoffwechsels für die Heiligung des menschlichen Verhaltens nicht zu vernachlässigen ist. Diese niederen, also weniger geistlichen Funktionen des menschlichen Lebens bedürfen eines sittsamen Verhaltens.
«Man bringe aufgrund der Würde des Ortes keinen Urin in den Tempel» (Keritot 6a). Im Jerusalemer Tempel galt die Regel, dass Priester, die vom Stuhlgang wiederkehrten, zunächst in die Mikwe mussten, bevor sie ihren Dienst wieder antreten durften. Auf das Wasserlassen musste ein rituelles Händewaschen folgen (Mischna Joma 3,2).
UNFLAT Wenn der Tempel aber so heilig war, dass von ihm aller menschliche Unflat ferngehalten werden sollte, wo konnte man dann in seiner Umgebung die Toilette aufsuchen?
«Man ging im beidseitig beleuchteten Tunnel unter dem Tempel entlang bis zum Tauchbad. Dort war das ›Toilettenhaus der Würde‹. Wieso trug es das Attribut der ›Würde‹? Fand man es geschlossen vor, so wusste man, dass sich bereits jemand in ihm befinde, und ging nicht hinein. War es dagegen geöffnet, so konnte man eintreten» (Mischna Tamid 1,1).
Antike Toiletten waren früher, wenn überhaupt vorhanden, auf dem Feld oder, wenn in der Stadt, recht offen und öffentlich. Das Ideal der züchtigen Abgeschiedenheit war daher für den einfachen Toilettengänger nicht immer leicht einzuhalten. Im Tempel dagegen, wo auch sonst höchste Standards galten, versuchte man, den halachischen Willen nach Zni’ut, Sittsamtkeit, so gut wie möglich umzusetzen.
Doch auch im Privaten gilt nach der Tradition: «Das angemessene Verhalten auf der Toilette besteht aus zwei Dingen: Zni’ut und Geräuschlosigkeit» (Berachot 62a).
Der Autor ist Rabbiner und lebt in Berlin.