Gesetzlicher Feiertag

Mehr als eine nette Geste

Aus schwarz mach rot – ein neuer Feiertag Foto: Thinkstock

Kurz vor dem Reformationstag am 31. Oktober, der in diesem Jahr ein bundesweiter Feiertag ist, hat das laute Nachdenken von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) über die Einführung eines islamischen Feiertags in mir widersprüchliche Gefühle ausgelöst.

Eine solche Geste würde religiösen Minderheiten sicherlich entgegenkommen – der muslimischen Bevölkerung genauso wie der jüdischen. Dennoch erscheint es mir aus verschiedenen Gründen nicht klug, die Feste der Minderheiten unserer Gesellschaft zu gesetzlichen Feiertagen zu machen.

Signal Das christliche Erbe sei nicht verhandelbar, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in einer Reaktion. Aber darum ging es de Maizière meiner Einschätzung nach gar nicht – sondern um ein Signal an die nichtchristliche Bevölkerung, um die Anerkennung ihrer Existenz in Deutschland und um den Wert ihrer religiösen Erfahrung.

In diesem Zusammenhang muss ich an meine Studienzeit in Amsterdam an der christlichen »Vrije Universiteit« denken. Dort war es für mich anfangs unmöglich, am Schabbat frei zu bekommen – bis ich die höchsten Instanzen ansprach und sie mit dem Argument überzeugte, dass auch der Gründer des Christentums den Schabbat eingehalten hat!

Später, als Rabbiner der Niederlande, musste ich viele Studenten im Kampf für ihre Identität und die Verteidigung ihres Judentums unterstützen. Leider gibt das Gesetz der Niederlande den Bürgern nichtchristlichen Glaubens nur einen einzigen Tag für ihre Feiertage frei. Sollte ich mich also entscheiden, Rosch Haschana am ersten oder am zweiten Tag zu feiern? Es ist natürlich unmöglich, eine solche Entscheidung zu treffen!

In der Arbeits- und Geschäftswelt gibt es in den Niederlanden überhaupt keine entsprechenden Bestimmungen. Meine Nichte wurde gefeuert, weil sie an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, nicht an ihrem Arbeitsplatz erschien. Schließlich sprach ihr ein Gericht 30.000 Euro Schadensersatz wegen ungerechtfertigter Entlassung zu. Trotzdem blieb der Schmerz über den Verlust ihres Jobs stark.

Schulfrei In Deutschland sind diese Fragen viel besser geregelt. Schüler an Grund- und weiterführenden Schulen werden auf Antrag an jüdischen Feiertagen freigestellt. Auch in der Arbeitswelt besteht keine Gefährdung des eigenen Jobs. Die durch Gebete versäumte Arbeitszeit kann problemlos nachgeholt werden.

Auf der einen Seite bin ich froh über diese nette Geste gegenüber der Minderheit in einem überwiegend christlichen Land. Es ist schön zu wissen, dass unsere Religion akzeptiert wird und auch andere Minderheiten berücksichtigt werden.

Doch für uns ist es keine Frage der Nettigkeit: Denn für einen frommen Juden ist es einfach unmöglich, an Jom Kippur zu arbeiten. Und ein orthodoxer Rabbiner wird entlassen, wenn er seine Kinder am zweiten Tag von Rosch Haschana in die Schule oder zur Arbeit gehen lässt. Weil Rosch Haschana, Jom Kippur und Sukkot zudem auf den Beginn des Schuljahres fallen, fehlt einem orthodoxen Schulkind von Anfang an viel Lernstoff. Man muss also mutig sein, um für die eigene Religion zu kämpfen.

Mondkalender Abgesehen davon kann es für Juden nie einen festen gesetzlichen Feiertag geben, denn der jüdische Kalender ist ein Mondkalender, der immer noch mit dem Sonnenkalender synchronisiert wird. Auch deshalb bin ich der Meinung, dass die Religionsgemeinschaften selbstständig fordern müssen, wie viele freie Tage ihre Mitglieder benötigen. Die Regierung sollte nicht darüber entscheiden können, was angemessen und gerecht ist und was nicht.

Dies entspricht auch dem Prinzip der Nächstenliebe – wie der alte und weise Schriftgelehrte Hillel (im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung) verkündete: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Manchmal ist eine regelmäßige Geste des guten Willens sehr wichtig für Minderheiten, die häufig gesellschaftliche Schwierigkeiten haben. Und der Grad der Nächstenliebe einer Gesellschaft kann unter anderem daran gemessen werden, wie sie ihre Minderheiten behandelt.

Der Autor ist Oberrabbiner in Düsseldorf.

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