In Israel Lag BaOmer zu feiern, ist ein Ereignis, das seinesgleichen sucht. Wer sich noch an die Grillfeste im Park des Großen Tiergartens in Berlin gegenüber dem Schloss Bellevue erinnert, bevor sie verboten wurden, bekommt eine Vorstellung davon – und kommt dem doch nicht nahe. Denn offene Lagerfeuer, wie man sie zu Lag BaOmer in Jerusalem abhält, gab es im Großen Tiergarten nicht. Sie waren übrigens auch nie erlaubt.
In Deutschland erlebt man Lag-BaOmer-Veranstaltungen eher als Barbecues. Auf einer grünen Wiese wird in einer Picknick-ähnlichen Situation ein Zusammensein zelebriert. Manchmal fallen die Worte Lag BaOmer – oft passiert aber nicht viel mehr. Der eigentliche Charakter des 33. Tages der Omerzählung, eine Insel der Freude in einer Zeit der Trauer, scheint oft nicht klar zu werden. Liegt das vielleicht daran, dass wir in der Diaspora feiern?
Katastrophe Generell ist die Omerzeit keine Zeit der Freude. Wir feiern keine Feste, lassen uns nicht die Haare schneiden und feiern keine Hochzeiten, denn aus historischer Sicht waren die Omertage eine Zeit voller Katastrophen für die Kinder Israels. Zwar finden wir keinerlei Hinweise auf die Trauerzeit in der Tora, doch viele traurige Ereignisse haben uns diesen speziellen Zeitraum wählen lassen. So erinnern wir uns unter anderem an den Tod von 24.000 Schülern Rabbi Akiwas als auch an das blutige Ende des Bar-Kochba-Aufstandes gegen die Römer (132–135 n.d.Z), an die Zeit der Kreuzzüge (1096–1099) oder an den Aufstand im Warschauer Ghetto.
Doch der 33. Omer, im jüdischen Kalender der 18. Ijar, ist ein Festtag, an dem all diese Einschränkungen nicht gelten. An Lag BaOmer sind Hochzeiten erlaubt. Viele lassen sich auch wieder die Haare schneiden, und manche dreijährigen Jungen bekommen ihren ersten Haarschnitt – ein Brauch, der »Abscheren« genannt und auf den Kabbalisten Jitzchak Luria (1534–1572 n.d.Z.) aus Zfat zurückgeführt wird.
Besonders gefeiert wird Lag BaOmer auch in Meron, einer Stadt im nördlichen Israel, die seit dem Mittelalter eine Art Wallfahrtsort geworden ist. Pünktlich zum 18. Ijar, zu Lag BaOmer, versammeln sich dort Tausende Gläubige und singen, tanzen, beten und lernen Tora. Es werden Fackeln angezündet, und Freudengesang erfüllt den Ort. Dies alles geschieht zu Ehren von Rabbiner Schimon bar Jochai, einem Tannaiten aus dem zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Er war ein Schüler von Rabbi Akiwa und starb am 18. Ijar – genau an Lag BaOmer. Es werden ihm einige Werke zugeschrieben, unter anderem auch der Sohar, das bedeutendste Werk der Kabbala.
Lagerfeuer Der feierliche Aspekt des Lag-BaOmer-Festes mit seinen Lagerfeuern erschließt sich sowohl in religiösen als auch säkularen jüdischen Kreisen. Besonders in der Diaspora findet er aber einen weiteren Grund – ein Beisammensein, das zu einem wichtigen Bestandteil des jüdischen Jahreszyklus geworden ist.
Ein Midrasch will in diesem Zusammenhang noch einmal bekräftigen, wie wichtig dieses Fest ist, und erinnert daran, dass wir am 33. Tag nach dem Auszug aus Ägypten, also an Lag BaOmer, zum ersten Mal Manna, das Himmelsbrot, von Gott erhalten haben. Dieses Brot hatte die Aufgabe, uns zu ernähren, aber uns auch spirituell aus der ägyptischen Knechtschaft herauszuführen.
50 Stufen der Verunreinigung sind uns in unserer Tradition bekannt. Nachdem wir viele Jahrhunderte in Ägypten gelebt hatten, wurden wir fast zu einem Teil des ägyptischen Volkes. Das beeinflusste nicht nur physische, sondern auch spirituelle Sichtweisen, den Götzendienst und viele weitere seelische Aspekte unseres Daseins. Unsere Weisen sagen, dass unsere Vorfahren bereits die 49. Stufe erreicht haben, also nicht mehr viel fehlte – und wir wären im ägyptischen Volk aufgegangen. Als uns der Ewige aus Ägypten befreit hat, musste Er uns erst wieder zu würdigen Israeliten werden lassen, damit wir Seine Tora empfangen durften.
Darum ist für uns Lag BaOmer nicht nur ein simples Barbecue, sondern ein wichtiges Fest, das uns an unsere Wurzeln erinnert. Es lässt uns das himmlische Manna wieder geistig aufnehmen und hebt uns als Vorbereitung auf Schawuot auf eine geistige Stufe, damit wir die Tora samt der Zehn Gebote würdig in Empfang nehmen können.