Am Wochenende ist Purim, unser Feiertag der Freude und Begeisterung. Die Kinder sehen erwartungsvoll den Geschenken und dem Kostümwettbewerb in der Gemeinde entgegen. Viele von ihnen freuen sich darauf, endlich nicht – wie sonst üblich – leise in der Synagoge sitzen zu müssen, und bereiten schon ihre Rasseln vor, um dann, wenn sie bei der Vorlesung der Megillat Esther den Namen »Haman« hören, damit kräftig Lärm zu machen und den Namen von Haman auszulöschen.
Einige von uns freuen sich auf den einzigen Tag im Jahr, an dem man die offizielle Erlaubnis und sogar Anregung von unseren Weisen erhalten hat, sich mit Wein zu berauschen. Die Armen freuen sich auf Spenden. Die Familien freuen sich auf die bevorstehende gemeinsame Seudat Mizwa, die festliche Purimmahlzeit, und auf die Mischloach Manot, die Essensgeschenke zu Purim. Jeder hat einen Grund zur Freude. Selbst die Rabbiner dürfen sich auf die Möglichkeit freuen, eine lange Drascha zu halten.
Doch woher kommen alle diese Bräuche, was sind deren Hintergründe? Welche dieser Bräuche gehören zu den rabbinischen Geboten, und welche sind einfach nur Traditionen, die sich mit der Zeit im Purimablauf verankert haben?
gebote Generell gibt es vier rabbinische Gebote, die an Purim zu erfüllen sind: die Megillat Esther zu lesen oder zu hören, in der die Geschichte von Purim erzählt wird; den Armen Almosen zu geben; unseren Mitmenschen Essensgeschenke von mindestens zwei unterschiedlichen Speisesorten zu überreichen; und am Tag von Purim die Seudat Mizwa mit viel Freude zu veranstalten.
Wenn wir nach einer Gemeinsamkeit in diesen Geboten suchten, würde uns mit Sicherheit auffallen, dass sie alle zum Zusammenhalt der Menschen führen sollen. Wenn wir uns die Geschichte von Purim ansehen, werden wir erkennen, dass Esther, bevor sie zu König Achaschwerosch ging, verordnet hatte, dass das ganze jüdische Volk gemeinsam fasten und beten solle. Die Weisen erklären uns den Grund dafür. Wenn der Zusammenhalt innerhalb des jüdischen Volkes herbeigeführt und aufrechterhalten wird, kann ihm kein Feind von außen schaden oder Leid zufügen.
zufälle Die Megillat Esther zeichnet aber noch eine Besonderheit aus. Sie ist die einzige heilige Rolle, in der kein einziges Mal der Name G’ttes erwähnt wird. G’tt hat sich quasi während der ganzen Purimgeschichte »versteckt«, und ein Außenstehender könnte sie daher auch als eine Anreihung von Zufällen verstehen.
Doch das Besondere der damaligen Generation war, hinter die Geschehnisse zu blicken und darin die Hand G’ttes, die alles lenkt, zu erkennen. Diesen Gedanken symbolisiert die Verkleidung beziehungsweise Maskerade an Purim. Denn um einen Menschen zu erkennen, müssen wir hinter seine Maske blicken. Die Oberfläche oder Außendarstellung eines Menschen beziehungsweise der Ereignisse kann uns nichts über deren wahre Identität oder gar Ursache verraten.
Daher auch der Brauch, sich an Purim zu betrinken. Unsere Weisen sagen: »Nichnas jain, jotze sod« – »Wenn der Wein hineingeht, kommt das Geheimnis heraus«. Der Wein soll die Menschen dazu bewegen, ihre versteckte Identität zu offenbaren und das wahre Gesicht, das sich dahinter verbirgt, zu zeigen.
wunder Diese Idee wird auch durch unsere Rasseln symbolisiert. Wenn wir die gewöhnliche Purimrassel ansehen, werden wir feststellen, dass der Griff sich immer unten befindet. Also wird die Rassel immer von unten bewegt. Das symbolisiert die Hand G’ttes, die alle Geschehnisse der Purimgeschichte von unten, also im Verborgenen, gelenkt hat. Wenn wir uns aber unsere Sewiwonim, die Kreiseln von Chanukka, ansehen, werden wir bemerken, dass sich dort der Griff oben befindet. Das symbolisiert das offensichtliche Wunder von Chanukka, dass die Hand G’ttes sich von oben eingemischt hat, ein unnatürliches Wunder geschehen zu lassen, um den Lauf der Geschichte zu verändern.
Wir können erkennen, dass jedes Gebot und sogar jeder kleine Brauch im Judentum immer eine tiefere Bedeutung in sich tragen. Unsere Aufgabe ist es, nach dieser verborgenen Bedeutung zu suchen und die Erklärungen unserer Weisen zu studieren, damit wir die Feste nicht nur als schöne und nostalgische Brauchtümer ansehen, sondern als bedeutsame Ereignisse, die uns durch das ganze Jahr begleiten.