Israel

»Man sollte ihnen die Stifte wegnehmen«

Jüdisch-arabische Nachbarschaft: halachisch nicht gewollt? Foto: Flash 90

Shmuel Eliyahu, Oberrabiner der nordisraelischen Stadt Sefad, ist diesmal nicht der Initiator. Doch er hat bereits vor einigen Monaten mit einer ähnlichen Veröffentlichung, »Gilui Da’at«, Schlagzeilen gemacht. Auch darin wurde erklärt, dass die Halacha untersage, Nichtjuden Wohnraum in jüdischen Vierteln oder Städten zu überlassen.

Nun ist es ein Brief etwa gleichen Inhalts, angeblich von einem Kollel-Studenten aus Netanja verfasst, der die israelische Öffentlichkeit beschäftigt. Dutzende Rabbiner, darunter Rabbiner Eliyahu, sollen anfangs ihre Unterschrift darunter gesetzt haben. Beteiligt sind auch die Oberrabbiner von Metulla, Karmiel, Rishon Lezion, Rehovot und weiterer Städte. Inzwischen seien es schon etwa 350 jüdische Gelehrte, die das Anliegen namentlich unterstützen, sagt ein Sprecher von Rabbi Eliyahu. In dem Schreiben wird erklärt, dass es der Tora zufolge verboten ist, »ein Haus oder ein Feld« im Land Israel an einen Nichtjuden zu verkaufen.

Kritik Der Brief hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Präsident Shimon Peres kritisiert, dass die Veröffentlichung dem Ansehen des Staates großen Schaden zufügt. »Alle Menschen sind nach Gottes Ebenbild erschaffen«, betont Peres. Dies sei ein Prinzip des Judentums und der Demokratie. Alle Bürger hätten dementsprechend die gleichen Rechte. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betont, dass die Tora es zur Pflicht mache, den Fremden zu lieben. Nichtjuden seien gleichberechtigte Bürger des jüdischen demokratischen Staates. Eine Gruppe von Intellektuellen hat Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein aufgefordert, juristisch tätig zu werden und gegen die Rabbiner, die »Judentum in Rassismus verwandeln« vorzugehen. Hunderte Demonstranten bei einer von Menschenrechtsaktivisten organisierten Kundgebung vor der Großen Synagoge in Jerusalem unterstützten diese Forderung am Mittwoch vergangener Woche.

Auch führende Rabbiner haben sich gegen das Edikt ausgesprochen, wie zum Beispiel Aaron Leib Steinman, einer der prominentesten Vertreter der aschkenasischen Orthodoxie. Wie aus dem Umfeld des 97 Jahre alten Toragelehrten verlautete, soll er die »böse nationalistische Äußerung« und einen Mangel an öffentlichem Bewusstsein beklagt und die Frage gestellt haben, was wäre, wenn es in Berlin einen ähnlichen Aufruf gebe, keine Wohnungen mehr an Juden zu vermieten? Das geistige Oberhaupt der litvischen Charedim, Rabbiner Yosef Eliyashiv, wurde noch deutlicher. »Ich habe bereits mehrfach betont, dass es Rabbiner gibt, denen man einfach die Stifte wegnehmen sollte.« Der Oberrabbiner von Ramat-Gan, Yaakov Ariel, verweist in seiner Ablehung auf den ehemaligen Oberrabbiner Israels, Yitzhak Halevi Herzog. Der meinte, dass in einem demokratischen Staat kein Bürger diskriminiert werden dürfe – zumal dies womöglich Anlass für zusätzliche Diskriminierung von Juden in anderen Ländern sei.

Tora Die Torastelle, auf die Bezug genommen wird, ist im 5. Buch Moses (7,2) zu finden. Dort werden die Bnei Israel angewiesen, wie sie bei der Ankunft im gelobten Land mit den sieben Völkern verfahren sollen. »Du sollst sie bannen, mit ihnen keinen Bund schließen«, heißt es. Dann folgt die Anweisung: »V’Lo Techanem«, man soll ihnen keine Gnade widerfahren lassen. Die Gemara (Avodah Zarah 20a) deutet die Anweisung als Verbot, diesen Völkern das Lagern (chaniya) in Eretz Israel zu gestatten. Obwohl in der Tora die sieben Völker (Chitti, Emori, Perisi u.a.) ausdrücklich erwähnt sind, vertreten verschiedene Kommentatoren die Auffassung, dass sich diese Weisung auf alle Nichtjuden bezieht oder auf die Götzenanbeter unter ihnen. Darunter würden im Zweifelsfall Muslime nicht fallen, anderseits gibt es eben auch Rabbiner, die Araber (Yishmaelim) ausdrücklich mit in dieses Verbot einbeziehen.

Yair Sheleg, Wissenschaftler des Israel Democratic Institute und Experte in Fragen der israelischen Orthodoxie, meint, dass die Diskussion um den Rabbiner-Brief weniger durch eine halachische, sondern eine politische Auseinandersetzung bestimmt wird. »Seit Hillel und Schammai gab es im Judentum immer Meinungsverschiedenheiten«, sagt Sheleg. »Ich glaube, dass hier die Halacha eher im ideologischen Sinne genutzt wird.«

Rabbiner Shmuel Eliyahu versucht ungeachtet der Proteste, weitere Unterstützer zu finden. Im Fernsehsender Arutz 2 verteidigte er am vergangenen Sonntag seine Position: »Dies ist kein Rassismus, dies ist Zionismus.« Die beteiligten Rabbiner würden nicht aus Hass, sondern aus Liebe handeln, sagte er. »Wir lieben unser Volk und unseren Staat, und wir wollen ihn verteidigen.«

Ki Tissa

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