Diesen total coolen GUCCI-Fallschirm habe ich im Ausverkauf ergattert: beige, mit braunem Logo-Print und goldener Reißleine. Total schick! Passend dazu trage ich ein GUCCI-Pilotenoutfit aus Kroko-Leder und eine Retro-Pilotenbrille. Ich sehe einfach umwerfend aus, als ich beflügelt durch die Flugzeugtür nach draußen springe. Lässig ziehe ich an der Reißleine … Doch nichts passiert! Ich ziehe und zerre, aber der Fallschirm öffnet sich nicht! Kreischend stürze ich in die bodenlose Tiefe und höre gleichzeitig ein durchdringendes Klingeln neben meinem rechten Ohr.
Auf einmal halte ich einen Telefonhörer in der Hand und liege in meinem Bett, der Fallschirm und das Flugzeug sind verschwunden. Ich lebe noch, ich hatte nur einen Alptraum. Aus dem Telefonhörer dringt die Stimme meiner Mutter. »Püppe, ist irgendwas los? Es ist 5.30 Uhr morgens, aber ich hatte auf einmal so ein Gefühl. Geht’s dir nicht gut?« (Habe ich schon mal erwähnt, dass meine Mutter telepathische Fähigkeiten hat? Mir geht es nämlich wirklich total mies, ich habe so etwas wie ein permanentes Burn-out-Syndrom, darum auch die ständigen Alpträume.) »Ich komme sofort«, sagt meine Mutter, »in einer Stunde setze ich mich in den Zug!«
Alptraum Ich lege den Hörer auf und sinke in einen seligen Schlaf. Diesmal träume ich von rosa Wattewölkchen, Marshmallow-Schaumbädern und einer Herde von kuscheligen kleinen Angora-Häschen. Noch völlig weggetreten hieve ich mich eine Stunde später aus dem Bett, verfrachte die Kinder im Eiltempo in die Schule, schaffe es irgendwie ins Büro und wieder zurück zum Schulparkplatz und dann mit den drei dauerkreischenden Gören zurück nach Hause. Diese Freitage sind im- mer ein totaler Alptraum. Gleich breche ich zusammen. Hilfe!
Doch sobald ich die Haustür öffne, empfangen uns traumhafte Düfte. Wie früher – als würde meine Mutter den freitäglichen Tscholent in den Ofen schieben und nebenher noch Hühnersuppe mit Mazzeknödeln kochen. Träume ich? Aber nein, die perfekteste aller Mütter hat natürlich einen Zweitschlüssel zu meiner Wohnung. Und tatsächlich, wie eine Art Erscheinung empfängt sie uns vier an der Wohnungstür, angetan mit einer Schürze und wie immer herrlich nach meinem Lieblingsparfüm duftend, nach Creme und Haarspray und noch irgendwas Undefinierbarem – nach Mama eben.
Aufseufzend lasse ich mich aufs Sofa fallen, während Muttern meine drei Rangen, die auf einmal lammfromm geworden sind, im Handumdrehen in die Badewanne und danach in ihre Pyjamas steckt, ihnen je einen Becher heiße Schokolade in die Hand drückt und sie neben mich aufs Sofa platziert.
Zu viert ziehen wir uns meine Heidi-Lieblingsfolge auf DVD rein (in der Peter und Heidi Klein-Geißi vor dem Adler retten!) und erwarten die Ankunft meines Mannes Alain in unserem trauten Heim. Tatsächlich taucht er auch schon kurze Zeit später auf.
Heidi Er kriecht praktisch auf allen vieren durch die Wohnungstür, denn am Freitag ist er wie jede Woche ein völliges Wrack. Mit letzter Kraft schleppt er sich zu uns aufs Sofa (auch er ist heimlicher Heidi-Fan) und harrt der Genüsse, die nun noch kommen werden: abends Gefilte Fisch und Suppe, Lekach und drei fantastisch wohlerzogene Kinder (Sind das wirklich meine?), die für Omi dreistimmig Smirot singen.
Am nächsten Morgen gibt es frisch gebügelte weiße Hemden für Vater und Sohn, und statt sich später beim Kiddusch zum dreihundertsten Mal dasselbe Catering-Angebot reinzuwürgen, zu Hause ein richtiges Drei-Gänge-Menü, zu dem ich auch schnell noch meine besten Freunde eingeladen habe, um mit meiner Mutter anzugeben.
Aber einen Tag später ist die Fata Morgana auch schon wieder vorbei, und meine Mutter eilt heim zu meinem Vater, der sich unter lautem Jammern zwei Tage lang von Tütensuppe und Tiefkühlmenüs ernähren musste.