Als der Talmud (Makkot 24a) ein Beispiel für einen Menschen bringen wollte, der sich durch Rechtschaffenheit auszeichnet (hebräisch: Poel Zedek), nannte er den Namen Abba Chilkia. Wer mehr über Tun und Lassen dieses frommen Mannes, der vor ungefähr 2000 Jahren lebte, erfahren und Wesentliches über die Beziehungen zwischen Mann und Frau lernen will, sollte folgende Geschichte näher betrachten, die im Traktat Taanit (23a und b) steht.
Dort heißt es: »Wenn (Abba Chilkia) zum Himmel flehte, fiel Regen auf die Erde. Einst bedurfte die Welt des Regens, und die Weisen sandten zu ihm ein Paar Jünger, auf dass er um Regen flehe. Diese gingen zu ihm nach Hause, trafen ihn aber nicht an; hierauf gingen sie aufs Feld und fanden ihn dort beim Graben. Sie grüßten ihn, er aber wandte ihnen sein Gesicht nicht zu.«
Tagelöhner Warum hat Abba Chilkia nicht höflich geantwortet, als die Jünger ihn auf dem Feld ansprachen? Der Meister erklärte ihnen später, als Tagelöhner habe er seine Arbeit nicht unterbrechen dürfen. Abba Chilkias Arbeitsmoral mag uns übertrieben streng erscheinen: Welcher Arbeitgeber wird etwas dagegen haben, wenn sein Angestellter einen Gruß erwidert? Andererseits wissen wir, wie schnell jemand, ohne dass er dies überhaupt will, in ein längeres Gespräch verwickelt wird.
Abba Chilkias Verhalten macht uns jedenfalls darauf aufmerksam, dass ein Arbeitnehmer stets die Interessen des Arbeitgebers zu wahren hat. Um nur zwei Beispiele aus dem heutigen Bürobetrieb zu erwähnen: Darf man während der Arbeitszeit Telefongespräche führen, die nicht mit dem bezahlten Job zusammenhängen? Zweitens: Ist es erlaubt, private E-Mails zu checken? Bemerkenswert ist, dass Rabbiner Mosche Chaim Luzzatto in seinem klassischen Werk Der Pfad der Gerechten (Kapitel 11) das Beispiel von Abba Chilkia anführt, um vor Diebstahl von Arbeitszeit zu warnen.
Um zu der Talmudstelle zurückzukehren: »Als er (Abba Chilkia) die Stadt erreichte, kam ihm seine Frau geschmückt entgegen.« Seine neugierigen Jünger wollten später wissen: Weshalb kam dem Meister seine Ehefrau geschmückt entgegen? Abba Chilkias Antwort lautete: Damit ich mein Auge nicht auf eine andere Frau werfe. Diese kurze Episode zeigt uns eine besondere Form der Fürsorge, die lebensklug und nachahmenswert ist. Eine Ehefrau macht sich für ihren Mann schön und geht ihm entgegen. Er seinerseits weiß ihre Bemühungen zu würdigen.
Partnerschaft Weiter heißt es: »Als er an sein Haus kam, trat seine Frau zuerst ein, danach er, und zum Schluss traten die Jünger ein.« Hervorzuheben ist hier das Zusammenspiel von Abba Chilkia und seiner Ehefrau; man kann diese Partnerschaft als vorbildlich bezeichnen.
Auf seine Initiative hin beteten beide Ehepartner gleichzeitig um Regen, wie wir im Text lesen: »Hierauf sprach er zu seiner Frau: Ich weiß, dass die Jünger wegen des Regens gekommen sind; gehen wir auf den Söller und flehen um Erbarmen. Wenn der Heilige, gepriesen sei Er, vielleicht gnädig ist und Regen kommt, so soll man dies nicht uns zugutehalten. Daraufhin stiegen sie auf den Söller; er stellte sich in die eine Ecke zum Beten und sie sich in die andere, und die Wolken kamen zuerst von der Seite der Frau.«
Für die Tatsache, dass die Wolken zuerst von der Seite seiner Frau kamen, wusste Abba Chilkia sogar zwei Gründe anzugeben. Er stellte neidlos fest, dass in Bezug auf die Frevler, die in der Nachbarschaft wohnten, die Verhaltensweise seiner Frau in den Augen des Ewigen offensichtlich wohlgefälliger war als sein eigenes Vorgehen. Beim Eintritt in die Wohnung gab Abba Chilkia seiner Frau den Vortritt, nicht den Besuchern.
Was können wir von Abba Chilkia lernen? Dass die Werbung von Mann und Frau umeinander keineswegs mit der Hochzeit endet. Vielmehr sollte die »Eroberungsarbeit« im langjährigen Eheleben immer wieder neu belebt werden!