Ein sehr wichtiges und zugleich sehr schönes und spirituelles Gebot ist es, vor dem Eingang von Schabbat die Schabbatkerzen zu zünden. Die meisten vertreten die Meinung, dass es sich hierbei um ein rabbinisches Gebot handelt, das nicht direkt in der Tora steht. Für dieses Gebot sind im Talmud drei Gründe angegeben.
Zum einen Kewod haSchabbat – die Ehre des Schabbat. Der Schabbat gehört zum Fundament des jüdischen Glaubens und zu den wichtigsten Geboten. Insofern ist es sehr wichtig, dass man dieses Ereignis mit möglichst viel Würde begeht.
Ein erleuchtetes Zuhause ist Ausdruck der Ehre, die wir dem Schabbat erweisen (Raschikommntar zu Schabbat 25b). Zum anderen Oneg Schabbat – Schabbatfreude. Es ist ein Gebot, am Schabbat Freude zu empfinden. Licht während der abendlichen Mahlzeit steigert unsere Schabbatfreude (Tosafot zu Schabbat 25b).
Und schließlich geht es auch um Schalom Bajit, den häuslichen Frieden. In der Dunkelheit existiert immer die Gefahr, dass man stolpert oder gegen Wände oder gegeneinander läuft. Das kann zu zusätzlichen Spannungen in der Familie führen. Ein erleuchtetes Zuhause trägt somit zum häuslichen Frieden bei. So bezeichnet der Talmud die Schabbatkerzen als »Lichter des Friedens« (Schabbat 25b).
Diese Mizwa wird in der Regel von Frauen ausgeführt. Die meisten zünden die Schabbatkerzen 18 Minuten vor dem Sonnenuntergang. In Jerusalem existiert jedoch der Brauch, 40 Minuten vor dem Sonnenuntergang zu zünden. Falls man sich damit – aus welchen Gründen auch immer – verspätet, dürfen die Kerzen bis spätestens zum Sonnenuntergang gezündet werden.
PLAG HAMINCHA Der Ehemann sollte seine Frau stets sanft daran erinnern, dass die Zeit des Kerzenzündens naht. Der früheste Zeitpunkt, um die Kerzen zu zünden, ist Plag Hamincha. Nach manchen Meinungen handelt es sich hierbei um eine und eine viertel Stunde vor dem Sonnenuntergang.
Andere sind der Ansicht, dass es sich hierbei um eine und eine viertel Stunde vor dem Nachteinbruch handelt. Gemeint sind die halachische Stunden, wobei sie im Sommer länger und im Winter kürzer sind.
Dem aschkenasischen Brauch zufolge nimmt die Frau den Schabbat sofort im Anschluss an den Segensspruch über die Kerzen auf sich. Aus diesem Grund sollte die Frau keine Bracha über die Kerzen sprechen, solange noch nicht alle Kerzen gezündet sind. Nach dem Zünden darf sie das Streichholz löschen, bevor sie die Bracha gesagt hat.
Ehre Das Gebot gilt auch dann als erfüllt, wenn man nur eine Kerze zur Ehre von Schabbat zündet. Der meistverbreitete Brauch ist jedoch, mindestens zwei Kerzen, symbolisch für »Schamor – Hüten« und »Wesachor – Gedenken« von Schabbat, zu zünden.
Viele zünden eine zusätzliche Kerze für alle Kinder oder auch für jedes einzelne Kind eine gesonderte Kerze.
Dieser Brauch ist besonders schön, denn so bekommt jedes Kind zu spüren, dass seine Präsenz und Existenz das Zuhause zusätzlich erleuchtet.
Diejenigen, die mehr als zwei Kerzen zünden, sollten zwei gleiche Kerzen nehmen, und die zusätzlichen Kerzen sollten sich von diesen beiden unterscheiden.
Falls eine Frau jemals vergessen hat, die Schabbatkerzen zu zünden, sollte sie als »Wiedergutmachung« ab dem nächsten Schabbat immer eine zusätzliche Kerze zünden.
SOHAR Der Sohar schreibt, dass eine Frau mit großer Freude und Enthusiasmus die Schabbatkerzen zünden soll, weil diese spezielle Mizwa eine enorme Ehre ist, die einer Frau zugeteilt wurde. Als Verdienst dafür sollen g’ttesfürchtige Kinder, die die Welt erleuchten werden, in die Welt kommen. Durch die Erfüllung dieses Gebots verschafft sie auch ihrem Mann ein langes Leben.
Es ist sehr wichtig, von den Schabbatkerzen zu profitieren, wie etwa in deren Licht zu essen, zu lernen und zu beten. Aus diesem Grund sollten die Kerzen idealerweise an dem Ort, an dem man isst, gezündet werden.
Ein allgemeiner Brauch ist es, vor dem Kerzenzünden Zedaka, Almosen, zu geben. Die unmittelbare Zeit nach dem Kerzenzünden gilt als besonders geeignet für Gebete für das spirituelle, physische und materielle Wohlergehen der Familie.
Das wunderschöne, außergewöhnliche und spirituelle Gebot des Zündens der Schabbatkerzen begleitet jüdische Familien stets seit Jahrtausenden und trägt maßgeblich zu einer besonderen Schabbatatmosphäre bei. Selbst viele sonst nicht sehr religiöse Frauen achten sehr darauf, jeden Freitagabend ihre Schabbatkerzen zu zünden.
Der Autor ist Gemeinderabbiner der Synagogengemeinde Konstanz und Mitglied des Beirats der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).