Zu einem Fachgespräch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über das Thema »Staat, Kirchen, Religionen: Religiöse Vielfalt in Deutschland – Bereicherung oder Herausforderung?« sind christliche, jüdische und muslimische Experten am Mittwoch vergangener Woche im Bundestag zusammengekommen. Dabei ging es um die Herausforderungen, vor denen Deutschland angesichts der sich ändernden Bevölkerungszusammensetzung steht.
»Die bisher maßgebliche christliche Prägung unseres Landes ist für die Zukunft keineswegs gesichert. Sie sieht sich vielmehr, mehr noch durch den aufgrund von Zuwanderung erstarkenden Islam, durch eine immer stärker um sich greifende religiöse Teilnahmslosigkeit und auch einen wachsenden, sich zunehmend aggressiv gebärdenden Atheismus herausgefordert«, sagte Christian Hillgruber, Professor für öffentliches Recht und Direktor des Instituts für Kirchenrecht an der Universität Bonn.
Körperschaftsstatus Vieles spreche dafür, dass sich weitere Religionsgemeinschaften, zumal muslimische, herausbilden werden, »die die formalen organisatorischen Voraussetzungen des Körperschaftsstatus erfüllen, auch wenn dadurch noch lange keine Gesamtrepräsentation der Muslime in Deutschland entsteht«, so Hillgruber weiter.
Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, sagte, die jüdische Gemeinschaft in Deutschland habe sich innerhalb der vergangenen 25 Jahre vervierfacht – von etwa 25.000 Menschen im Jahr 1990 auf etwa 100.000 Gemeindemitglieder heute. »Die jüdische Zuwanderung nach Deutschland war meines Erachtens die erfolgreichste im Hinblick auf die Integration der Menschen«, so Botmann.
Integration Die jüdischen Zuwanderer hätten in den Gemeinden ein soziales Netz vorgefunden und seien sowohl ins religiöse als auch ins gesellschaftliche Leben integriert worden. Mit Integrationsseminaren und Deutschkursen hätten sowohl die Gemeinden als auch der Zentralrat als deren Dachorganisation zum gesellschaftlichen Erfolg dieser Zuwanderer beigetragen: »Nicht, weil es bessere Menschen sind, sondern weil es eine Community gegeben hat, die sich um diese Leute gekümmert hat.«
Wenn eine Religionsgemeinschaft, die sich zu einem Staat und dessen Grundwerten bekenne, sich um Neuankömmlinge bemühe, sei deren Integration viel einfacher, »als wenn der Staat von sich aus den Menschen die Integration aufoktroyiert«, sagte Botmann weiter: »Ich denke, da sollten wir auch hinkommen, vor allem bei den Geflüchteten, die in der letzten Zeit nach Deutschland gekommen sind.«
Selbstbewusstsein Christliche Vertreter traten für mehr Selbstbewusstsein in der Gesellschaft ein: »Menschen, die sich ihres eigenen Glaubens sicher sind, müssen keine Angst vor dem Glauben anderer haben«, erklärte Prälat Karl Jüsten, Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe.
Bekim Agai, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam und Professor für Kultur und Gesellschaft des Islam in Geschichte und Gegenwart an der Universität Frankfurt/Main, sagte, es sei auch eine wichtige Herausforderung für Deutschland, »den Muslimen ihre eigene Pluralität wieder zu vermitteln«.
Islam Vielen Muslimen sei nur eine einzige Auslegung des Islam bekannt. Wenn sie aber lernten, unterschiedliche Auslegungen und eine öffentliche Auseinandersetzung auszuhalten, dann sei dieser Lernprozess ein wichtiger Schritt hin zur Teilhabe an einer pluralen Gesellschaft.
Ahmad Mansour, Autor des Buchs Generation Allah kritisierte, in deutschen Schulen werde auf die Vielfalt von Schülern nur unzureichend eingegangen. Bekenntnisorientierter Religionsunterricht sei wichtig, aber: »Wir dürfen die Kinder nicht trennen«.
Die deutsch-jesidische Journalistin Düzen Tekkal, Autorin des Buchs Deutschland ist bedroht. Warum wir unsere Werte jetzt verteidigen müssen, kritisierte, in einer wehrhaften Demokratie sei es eine Bankrotterklärung, wenn Christen und Jesiden in Flüchtlingsunterkünften ihre Identität verleugnen müssten.
Drohungen Tekkal verwies auch darauf, dass mit Ahmad Mansour und Cemile Giousouf, der Moderatorin und Integrationsbeauftragten der CDU/CSU-Fraktion, zwei Menschen auf dem Podium jüngst Opfer von Drohungen wurden: Mansour wegen seines Auftritts bei Anne Will (ARD), bei dem er die vollverschleierte »Frauenbeauftragte« Nora Illi scharf kritisierte, und Giousouf, weil sie im Juni im Bundestag für die Resolution votiert hatte, die den Völkermord an den Armeniern beim Namen nannte.