Neulich beim Kiddusch

Leberfeuilleté und Morchelallergie

Die Dosis macht das Gift: Morcheln Foto: fotolia

Hoffentlich hatten Sie schöne Feiertage. Ich nicht. Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich auf der Terrasse der Mütterkurklinik Bad Wurzach, wo ich nach meinem völligen Zusammenbruch (bedingt durch verschärften Feiertagskoch- und -serviermarathon) eingeliefert wurde.

Nur mit zitternder Feder kann ich über das Carré vom Salzwiesenlamm unter der Bärlauch-Meaux-Senfkruste berichten, das ich zu Sukkot (erster Tag) gereicht habe, oder über die zu Schemini Atzeret servierte Rosenblüten-Mascarponecrème mit Cassisgelee und Mandel-Milcheis. Was über mich kam, als ich die Idee hatte, innerhalb von zwei Wochen 56 verschiedenen Leuten zwölf verschiedene Fünf-Sterne-Menüs zu reichen? Ich weiß es nicht mehr.

Excel-Tabelle Alles begann am Kiddusch wenige Tage vor Rosch Haschana. »Kommt doch zu den Feiertagen zu uns essen«, meinte Alains guter Freund Darren beiläufig. Wann? Ach, das wüsste er nicht. Anouk, seine Frau, habe eine Excel-Tabelle erstellt, um die vielen Gäste und Menüs professionell verwalten zu können. Mir stockte der Atem. Excel-Tabelle! Die einzigen Personen, die bei mir zu den Feiertagen auftauchen, sind meine Eltern. Und die lassen das Menü einige Tage vorher tiefgefroren bei mir anliefern, seit sie einmal meinen Tscholent probiert haben und den Rest der Woche mit Magenverstimmung das Bett hüten mussten.

Sofort sandte ich meine Spionin Malgorzata aus, ihres Zeichens meine und Anouks gemeinsame Putzfrau, auf dass sie auskundschafte, was Anouk für die Feiertage geplant hat. Die News, mit denen Malgorzata wenige Stunden später zurückkehrte, waren niederschmetternd. Anouks Einladungsliste liest sich wie das Who is Who der Brüsseler Gemeinde, das Menü ließe jeden Fünf-Sterne-Koch vor Neid erblassen.

In meinem Kopf kochten Giftmordfantasien. Schon wieder ausgestochen! Nein, ich habe den Showdown vom letzten WIZO-Basar noch nicht vergessen, als die Leute sich um Anouks heiße toskanische Mandeltörtchen geradezu gebalgt haben, während ich auf meinem klumpig geratenen Polenta-Auflauf sitzen blieb. Oder damals beim Kindergeburtstag, als meine anorektisch aussehende Barbie-Torte zehn Sekunden nach dem Auftragen in sich zusammensackte wie ein geplatzter Autoreifen. Während Anouk zum Geburtstag ihrer Drillinge mit einem zwei Meter hohen Fondantschloss brillierte – komplett mit drei Barbieprinzessinnen aus Marzipan. Damals kriegte ich mein erstes Magengeschwür, und noch heute muss ich gleich tütenweise Maaloxan in mich hineinschütten, sobald ich Anouk und ihr honigsüßes Lächeln auftauchen sehe.

Schlachtplan Sofort arbeitete ich einen detaillierten Schlachtplan aus. Nein, diesmal würde unser Kochduell nicht wieder zu meinem persönlichen Waterloo ausarten, diesmal würde ich triumphieren! Tagelang wälzte ich Kochbücher, tauchte morgens um vier als Erste beim Brüsseler Frühmarkt auf, um die besten Morcheln und Perigord-Trüffel zu erstehen, klapperte sämtliche Delikatessläden nach andalusischen Tomaten, bretonischer Felsenrotbarbe und Honig-Amaranth ab.

Als besonderen Coup hatte ich Anouk und Darren am letzten Tag eingeladen, um ihnen mal zu zeigen, wer hier cuisinemäßig der Chef war. Alles war bei mir zu Hause vorbereitet, die Blumengestecke geordnet, die Putzfrau vorbestellt, die Kinder nach nebenan zu den Nachbarn abgeschoben, auf dass sie die kultivierte Fünf-Sterne-Schlemmerei bei uns nicht störten. Da geschah es. Nach dem dritten Gang (Leberfeuilleté mit Morcheljus) lief Anouk auf einmal grünblau an, sie fing an zu röcheln und rang nach Luft. Eine Morchelallergie? Oder waren die Pilze vielleicht doch nicht so frisch wie angepriesen? Oder war dies nur ein weiterer heimtückischer Schachzug, um meine Kochkünste zu diffamieren?

höhenluft Wie von Sinnen stürzte ich mich unter einem Schwall von wüsten Kraftausdrücken auf sie. Was danach passierte, weiß ich nicht mehr. Als ich wieder zu mir kam, hörte ich die Vöglein auf Bayrisch zwitschern und atmete die gute Bad Wurzacher Höhenluft. Und seitdem bin ich hier. Ich musste meiner Familie versprechen, von nun an den Kochlöffel hinter Glas zu verschließen. In Zukunft gibt’s halt Essen vom Caterer.

Und wenn Anouk wieder eine ihrer heimtückischen Einladungen ausspricht – falls sie überhaupt noch mit mir spricht – dann stopfe ich mich vorher mit Schokoriegeln voll, esse keinen Krümel von ihrem Menü und behaupte, ich wäre auf ihr Essen allergisch.

Chaje Sara

Handeln für Generationen

Was ein Grundstückskauf und eine Eheanbahnung mit der Bindung zum Heiligen Land zu tun haben

von Rabbiner Joel Berger  22.11.2024

Talmudisches

Elefant

Was unsere Weisen über die Dickhäuter lehrten

von Rabbiner Netanel Olhoeft  22.11.2024

Studium

»Was wir von den Rabbinern erwarten, ist enorm«

Seit 15 Jahren werden in Deutschland wieder orthodoxe Rabbiner ausgebildet. Ein Gespräch mit dem Gründungsdirektor des Rabbinerseminars zu Berlin, Josh Spinner, und Zentralratspräsident Josef Schuster

von Mascha Malburg  21.11.2024

Europäische Rabbinerkonferenz

Rabbiner beunruhigt über Papst-Worte zu Völkermord-Untersuchung

Sie sprechen von »heimlicher Propaganda«, um Verantwortung auf die Opfer zu verlagern: Die Europäische Rabbinerkonferenz kritisiert Völkermord-Vorwürfe gegen Israel scharf. Und blickt auch auf jüngste Papst-Äußerungen

von Leticia Witte  19.11.2024

Engagement

Im Kleinen die Welt verbessern

Mitzvah Day: Wie der Tag der guten Taten positiven Einfluss auf die Welt nehmen will

von Paula Konersmann  17.11.2024

Wajera

Offene Türen

Am Beispiel Awrahams lehrt uns die Tora, gastfreundlich zu sein

von David Gavriel Ilishaev  15.11.2024

Talmudisches

Hiob und die Kundschafter

Was unsere Weisen über die Ankunft der Spione schreiben

von Vyacheslav Dobrovych  15.11.2024

Gebote

Himmlische Belohnung

Ein Leben nach Gʼttes Regeln wird honoriert – so steht es in der Tora. Aber wie soll das funktionieren?

von Daniel Neumann  14.11.2024

New York

Sotheby’s will 1500 Jahre alte Steintafel mit den Zehn Geboten versteigern

Mit welcher Summe rechnet das Auktionshaus?

 14.11.2024