Ernährung

Koscher und vegan

Der israelische Rabbiner Asa Keisar über sein neues Siegel für den internationalen Markt

von Ayala Goldmann  03.12.2020 11:28 Uhr

Vegan ist er, der Tomatenburger, aber ist er auch koscher? Foto: Getty Images/iStockphoto

Der israelische Rabbiner Asa Keisar über sein neues Siegel für den internationalen Markt

von Ayala Goldmann  03.12.2020 11:28 Uhr

Rabbiner Keisar, Sie haben ein Koscher-Siegel für vegane Produkte entwickelt. Wird Ihr Siegel vom israelischen Oberrabbinat anerkannt?
Nein, dieses Siegel ist nur für Länder außerhalb Israels gedacht. Das israelische Oberrabbinat erkennt keine privaten Siegel an. Außerdem sind in Israel Lebensmittel sowieso koscher, das Problem der veganen Kaschrut ist ganz anders gelagert als im Ausland. In Zukunft werden wir vielleicht auch etwas Ähnliches für Israel entwickeln, aber das ist erst der zweite Schritt.

Wie sind Sie Veganer geworden?
Ich bin in einem religiösen Haushalt aufgewachsen. Mein Vater ist Vegetarier und hat mich gelehrt, keine Tiere zu essen. Als ich nach der Schule als junger Mann in einer Jeschiwa lernte, haben mir meine Eltern vegetarische Schnitzel gekauft und zum Mittagessen vorbeigebracht. Später ist mir klar geworden, dass Tiere in der Lebensmittelindustrie auch gequält werden, um Eier und Milch zu erzeugen.

Was meinen Sie damit genau?
Zum Beispiel, dass männliche Küken gleich nach dem Schlüpfen in eisernen Mühlen zu Tode gemahlen werden und nur weibliche Küken aufgezogen werden. Aber das ist nicht das einzige Problem. Zum Beispiel werden auch Kälbchen gleich nach der Geburt von ihren Müttern, den Kühen, getrennt, ohne dass man ihnen die Möglichkeit gibt, gesäugt zu werden – weil man die Milch für die industrielle Weiterverarbeitung braucht. Das ist Tierquälerei! Tiere werden in der modernen Lebensmittel­industrie nicht als Lebewesen betrachtet, sondern nur als Produkte.

Es gibt aber auch Rabbiner, die es als Gebot der Tora ansehen, Fleisch zu essen, und dafür viele jüdische Quellen anführen können …
Diese Rabbiner legen die Tora falsch aus. Man kann auch behaupten, dass Götzendienst in Ordnung ist oder dass man Sklaven halten darf. Steht das etwa in der Tora? Nein. Die Tora verbietet es, Tiere zu quälen. Auch Maimonides schreibt das, das ist nicht meine private Meinung. Ich bin Veganer geworden aus Mitleid mit den Tieren.

Und so sind Sie auf die Idee gekommen, ein eigenes veganes Kaschrut-Siegel zu entwerfen?
Ja, ich halte viele Vorträge, und aus vielen Orten in der Welt haben sich Juden an mich gewandt, weil sie vegane Produkte kaufen wollen, die gleichzeitig auch koscher sind.

Was kann an einem veganen Produkt denn nicht koscher sein? Geht es um Früchte und Gemüse, die im Schmitta-Jahr – dem siebenten Jahr – angebaut wurden?
Natürlich gibt es vegane Produkte, die nicht koscher sind. Manchmal wird zur Herstellung oder Verpackung tierische Gelatine verwendet, oder die veganen Produkte kommen während der Produktion mit unkoscheren Produkten in Berührung. Und auch Wein und Essig sind nur koscher, wenn sie von Juden produziert werden.

Wer interessiert sich außer Juden noch für ein Koscher-Vegan-Siegel?
Auch viele Muslime wollen heutzutage vegan essen, und für sie ist ein Kaschrut-Siegel genauso gut wie ein Halal-Siegel. Millionen von Muslimen weltweit, die halal essen, verlassen sich schon heute auf Koscher-Siegel.

Ist vegane Ernährung in jüdischen Gemeinden weltweit ein Trend?
Trend ist meiner Meinung nach nicht das richtige Wort. Das ist keine Mode, es geht um Werte. Auch die Abschaffung der Sklaverei war keine Modeerscheinung, sondern eine Umkehr zu einem moralischeren Leben. In Israel gibt es heute sehr viele Veganer, wir sind sozusagen die Welthauptstadt des Veganismus, und es gibt hier kaum noch ein Restaurant ohne vegane Speisekarte. Die Menschen möchten moralischer werden und sich gesünder ernähren. Ganz im Sinn des Rabbi Nachman von Bratzlaw, der für ein Leben im Sinne des gesunden Menschenverstandes plädiert hat. Auch Israels Präsident Reuven Rivlin hat den Wert meiner Arbeit anerkannt. Und ich arbeite mit vielen Rabbinern zusammen, darunter auch Rabbinern aus Bnei Brak.

Haben sich auch schon Juden aus Deutschland an Sie gewandt, um das koscher-vegane Siegel zu bekommen?
Bis jetzt noch nicht offiziell, wir haben gerade erst angefangen. Aber ich war vor ein paar Monaten in Deutschland. Ich habe einen Freund in Frankfurt, der dort mehrere vegane Restaurants betreibt. Dort habe ich mehrere Vorträge über vegane Ernährung gehalten, es waren auch Rabbiner und Mitglieder der jüdischen Gemeinde dort.

Was muss jemand tun, der Ihr veganes Koscher-Siegel führen will?
Er muss Online-Formulare über seine Produktionsweise ausfüllen und über die Rohstoffe, die er dabei verwendet – die Angaben sind sehr detailliert. Manchmal reicht schon eine einzige Komponente aus, damit das Produkt nicht mehr als vegan oder als koscher gilt.

Und wie können Sie das überprüfen? Manche Leute könnten falsche Angaben machen …
Ich arbeite mit Maschgichim und Rabbinern weltweit zusammen. Mich kann niemand betrügen.

Sie sind orthodoxer Rabbiner in Israel. Haben Sie eine Gemeinde?
Nein, ich bin Buchautor und unterrichte gelegentlich in Jeschiwot.

Und wovon leben Sie?
Ich bin Leiter der Organisation »Lechatchila« und halte Vorträge.

Wie viel kostet Ihr Zertifikat?
Das kommt ganz auf den Einzelfall an. Aber wir machen damit keinen großen Gewinn, der Preis ist symbolisch. Es geht um das Prinzip.

Mit dem israelischen Rabbiner sprach Ayala Goldmann.

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