»Wie die Otter zwischen Tod und Leben scheidet, so schied auch der Wein zwischen Achaschwerosch und Waschti«, heißt es im Midrasch Rabba.
König Achaschwerosch veranstaltet ein riesiges Fest und protzt mit seinem Reichtum. Das mehrtägige Trinkgelage endet tragisch für die schöne Königin des Landes. Wie kam es dazu?
Motto Im Traktat Megilla beschäftigen sich unsere Weisen mit dieser Frage. Dabei erscheint Waschti in einem sehr ungünstigen Licht, man unterstellt ihr gar denselben schlechten Charakter wie ihrem königlichen Gemahl, nach dem Motto: »Gleich und Gleich gesellt sich gern«.
Der König selbst wird als ein wenig geschickter Staatsmann beschrieben, leicht zu beeinflussen, abhängig von der Meinung seiner Ratgeber und vergnügungssüchtig.
Nackt Im Gegensatz zu ihm hat Waschti sehr wohl eine eigene Meinung, und es stünde dem König gut an, gelegentlich auf seine Frau zu hören.
Haben die männlichen Gäste des Königs tatsächlich danach verlangt, die Königin nackt, nur mit der Krone bekleidet, zu sehen? Hatte sie wirklich zuvor jüdische Mädchen gezwungen, am Schabbat nackt für sie zu arbeiten, wofür sie der Ewige auf eine solche Weise habe bestrafen wollen?
Solche despektierlichen Darlegungen befremden beim Lesen. Und dennoch lässt uns der Talmud ein ganz anderes Bild von Waschti erahnen, nämlich das einer selbstbewussten, emanzipierten Frau.
Als ein Streit ausbricht unter den Gästen, welches Land wohl die schönsten Frauen habe, tönt der volltrunkene Monarch, die Schönste sei »das chaldäische ›Gefäß‹«, dessen er sich »bediene«, und zum Beweis seiner Behauptung sollte Waschti den ebenfalls nicht mehr nüchternen männlichen Gästen präsentiert werden wie ein Gegenstand.
Die Königin weigert sich, mit unterschiedlichen Argumenten. Vor allem eines davon lässt aufhorchen: Der Vorwurf, ihr Vater Belschazar habe mit 1000 Männern getrunken und sei nicht vom Wein benebelt gewesen, im Gegensatz zu Achaschwerosch.
Ebenjener Chaldäerkönig Belschazar, dem bei selbiger Gelegenheit sein Untergang verkündet wurde, nachdem er aus einem Gefäß vom erbeuteten Tempelschatz getrunken und es so entweiht hatte.
Doch Achaschwerosch versteht die Warnung nicht. Er wird wütend, und der Rausch macht ihn vollends enthemmt. Dass er seine Frau, die Königin, mit dem unziemlichen Befehl erniedrigt, interessiert ihn nicht. Ist er nicht Herr in seinem Hause?
So wird es später in seinem Erlass an das Volk stehen: »Auf dass jeder Mann in seinem Hause herrsche« – ein Ausspruch, den die talmudischen Weisen mit einigem Spott kommentieren.
Ratgeber Achaschwerosch befragt, wieder einmal, seine Ratgeber, und die Gemara sagt, es seien in diesem Fall zunächst jüdische Weise gewesen. Diese besprachen nun, was sie dem König raten sollten.
Wenn sie ihm sagten, er solle sich Waschtis entledigen, dann würde er es ihnen vorwerfen, sobald er wieder nüchtern wäre. Sagten sie ihm aber, er solle die Weigerung Waschtis auf sich beruhen lassen, so würden sie eine Majestätsbeleidigung gutheißen. Auch das würde ihnen der König zum Nachteil auslegen. Also lassen sie den König wissen, sie seien nicht in der Lage, ihm einen Rat zu geben; er möge sich doch an Ratgeber aus Amon und Moaw wenden.
Damit schieben sie den Feinden Israels den schwarzen Peter zu und ziehen sich diplomatisch aus der Affäre.
Waschti aber bleibt bei ihrer Weigerung und bewahrt so ihre Würde und Selbstachtung, auch wenn das für sie den Tod bedeutet.
Nun kommt Esther ins Spiel, die in ihrem Wesen als das Gegenteil von Waschti dargestellt wird. Und doch: Lässt sich Waschti in gewisser Hinsicht nicht auch mit Mordechai vergleichen, dem Mann, der sich seinerseits einem ungehörigen Befehl der Obrigkeit verweigert? In jedem Fall gehören beide genauso wie Esther zum Plan des Ewigen und tragen damit, auf sehr verschiedene Weise, ihren Teil zur Errettung des jüdischen Volkes bei.
Talmudisches