Selbst das Totengebet musste ausfallen. »Das ist ein großer Einschnitt«, bedauert Daniel Lemberg, Verwalter des Jüdischen Friedhofs Köln-Bocklemünd. Denn im orthodoxen Judentum sind für das Kaddisch zehn jüdische Männer, ein Minjan, nötig.
Sie dürfen wegen der neuen Bestattungsregeln in Corona-Zeiten nicht zusammenkommen. Auch für andere Religionen gelten Einschränkungen bei Bestattungen.
Familie Kürzlich fand nun die erste Beerdigung der Synagogen-Gemeinde Köln unter den neuen Vorzeichen statt. Und das hieß: Die mit 73 Jahren verstorbene Frau wurde nur von Verwandten ersten Grades, also ihrem Ehemann, ihren beiden Kindern und ihrer hochbetagten Mutter, zur letzten Ruhestätte begleitet, wie Lemberg am Telefon berichtet.
Die Enkel durften nicht teilnehmen. Er selbst war dabei, ein Kantor, ein Rabbiner, drei Sargträger; als vierter Träger fungierte Lemberg. Alle hätten Abstand voneinander gehalten und Schutzmasken getragen. Die Trauerzeremonie mit der Rede des Rabbiners, dem Gebet »El Male Rachamim« für die Seele der Verstorbenen, fanden jedoch statt. Der Trauerzug zum Grab jedoch wurde verkürzt.
Auflagen »Wir halten uns natürlich an die Auflagen des Landes und setzen dies in diesem Rahmen um«, erklärt Lemberg. Die beigesetzte 73-Jährige, die nicht an Covid-19 gestorben sei, sei nach jüdischer Tradition gewaschen, eingekleidet und in den Sarg gelegt worden. Ihm und den Helfern stünden für diese Tätigkeiten zusätzlich zu der üblichen Hygieneausstattung unter anderen professionelle Schutzmasken, stabile Handschuhe, Augenschutz und Einmalschürzen aus Plastik zur Verfügung.
Diejenigen, die für das Waschen und Anziehen einer Toten zuständig sind, sind meistens ältere Frauen. Also Angehörige der Risikogruppe. Und ein Risiko bestehe – weil man nicht mit Bestimmtheit sagen könne, ob ein Toter trotz aller Recherchen bei Ärzten oder in Altenheimen nicht doch das Coronavirus in sich trage, gibt Lemberg zu bedenken. »Wir sind unsicher und müssen im Einzelfall entscheiden, ob wir einen Toten waschen und traditionell ankleiden.«
Sollte jedoch irgendwann einmal ein an Covid-19 gestorbener Mensch bestattet werden müssen, sähe das anders aus: »Dann werden wir keine Waschungen durchführen und den Toten auch nicht ankleiden«, betont Lemberg. Dem Toten werde dann die Sterbekleidung in den Sarg gelegt.
Zentralrat In seiner Handreichung »Religiöse Fragen während der Corono-Krise« gibt der Zentralrat der Juden in Deutschland auch verschiedene Hinweise für Beerdigungen. Dort heißt es unter anderem: »Die Zahl der Personen, die an einer Beerdigung teilnehmen dürfen, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Hier sind die behördlichen Vorgaben maßgebend.«
Die Trauerfeier dürfe nicht in der Trauerhalle, sondern nur im Freien stattfinden. Um zu verhindern, dass Personen jenseits des engsten Familienkreises an Beerdigungen teilnehmen, sollte die jüdische Gemeinde darauf verzichten, Ort und Zeit einer Beerdigung bekannt zu geben. »Da in der derzeitigen Situation kein Minjan zusammenkommt, kann kein Kaddisch gesagt werden. Dies sollte nachgeholt werden, wenn die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben sind.«
Steinsetzung Zur Steinsetzung nach elf Monaten oder zur Jahrzeit könne eine Haskara im Kreise derer, die im Normalfall zur Beerdigung erschienen wären, nachgeholt werden. Persönliche Besuche bei den Trauernden während der Schiwa sollten unterbleiben und ausschließlich virtuell (telefonisch, per Video, et cetera) erfolgen, heißt es dort.
In Köln kündigt Friedhofsverwalter Lemberg mit Blick auf das jetzt ausgefallene Kaddisch etwas betrübt an: »Das Gebet wird nachgeholt. Denkbar ist ein gesonderter Gottesdienst, in dem das Kaddisch für alle in dieser Zeit Gestorbenen gebetet wird.« Das ist freilich erst dann möglich, wenn der Verlauf der Corona-Pandemie wieder Lockerungen zulässt – im Bestattungswesen und überhaupt in der Gesellschaft. (mit ja)