Talmudisches

Katz und Maus

»Die Katze sagt: Ich werde meine Feinde jagen und fangen!« Foto: Getty / iStock

»Die Katze sagt: Ich werde meine Feinde jagen und fangen! Erst, wenn ich sie vernichtet habe, kehre ich wieder um« (Perek Schira 5).

In einem alten Midrasch, dem sogenannten Perek Schira, findet sich eine Aufzählung von allerlei Geschöpfen, darunter viele Tiere, denen je ein Vers aus dem Tanach zugeordnet wird. Der etwas mystische Hintergedanke dabei ist, dass jede Kreatur auf dieser Welt ihr ganz eigenes nonverbales G’tteslob spricht, das durch einen jeweiligen Vers aus dem Tanach sichtbar gemacht werden kann.

Jäger Anders als heute lag in talmudischer Zeit der Hauptgrund für das Halten einer Katze darin, dass sie die Mäuse im Haus fängt. In ihrem Vers (Psalm 18,38) versichert die Katze, dass sie für die Menschen ein ganz ausgezeichneter Jäger sein wird.

Doch was passiert, wenn die Katze ihre Pflicht aus irgendeinem Grund nicht erfüllen kann? »Es gab einmal einen Mann, der sich von seinem Nachbarn eine Katze (zum Mäusefangen) lieh. Da schlossen sich die Mäuse (in seinem Haus) gegen die Katze zusammen und töteten sie« (Baba Mezia 97a).

Gemara Wie so typisch für die rabbinischen Texte unserer Weisen, interessiert sich der Talmud auch hier zunächst nicht dafür, wie der Komplott der Mäuse genau ablief. Vielmehr ist unsere Geschichte Teil einer Abhandlung in der Gemara über die Pflicht, Schadenersatz zu leisten, wenn man von seinem Nächsten ein Tier oder ein Werkzeug für eine bestimmte Arbeit geborgt hat und dieses in seinem ursprünglichen Zustand nicht mehr zurückgeben kann.

Die Tora hat dazu folgendes Gesetz vorgegeben: »Und wenn ein Mann von seinem Nachbarn etwas leiht, und (diese Leihgabe) zerbricht oder stirbt, muss – sofern ihr Eigentümer nicht anwesend war – (der Entleiher) Entschädigung leisten« (2. Buch Mose 22,13).

Die mündliche Tora, die in Mischna und Gemara kodiert ist, erklärt hier sogleich, dass diese Regelung nur dann gilt, wenn das Tier oder das Werkzeug durch falschen Umgang oder durch Fremdeinwirkung Schaden genommen hat. Wenn es aber bei korrekter Nutzung bei seiner regulären Arbeit gestorben beziehungsweise kaputtgegangen ist, dann ist der Entleiher von jeglicher Erstattung befreit.

Rechtsprechung Die Gemara führt ihre juristische Diskussion in diesem Sinne fort: »Raw Aschi saß nieder und überlegte: ›Was sollen wir zu diesem Fall (der von Mäusen besiegten Katze) sagen? Sollte man etwa meinen, dass sie einem normalen Arbeitsrisiko zum Opfer gefallen ist?‹ Raw Mordechai (...) sagte zu Raw Aschi: ›(In einem so außergewöhnlichen Fall) ist überhaupt keine Rechtsprechung nötig.‹«

Der berühmte mittelalterliche Exeget Raschi erklärt Raw Mordechais Antwort auf folgende Weise: »(Als Katze) hätte sie nicht den (viel schwächeren Mäusen) in die Hände fallen sollen.« Demnach war die Katze also selbst schuld, dass sie sich hat besiegen lassen. Da es aber fast nie vorkomme, dass eine Mäuseallianz geschulte Raubtiere bezwingen könne, gelte in diesem Fall eine Ausnahmeregelung, und eine Entschädigung des Katzenbesitzers durch den Entleiher sei nicht notwendig.

Halacha Nach diesem halachischen Fazit besinnt sich die Gemara allerdings doch noch darauf, dass das Szenario einer von Mäusen getöteten Katze tatsächlich nicht ganz glaubwürdig erscheint. Daher zitiert sie eine alternative Lehrmeinung, wonach eigentlich das Folgende zwischen besagter Katze und den Mäusen vorgefallen sei: »Die (geliehene) Katze aß zu viele Mäuse, wurde krank und starb daran.«

Dies ist vielleicht eine realistischere Version dessen, was sich da zwischen der Katze und den Mäusen zugetragen hat. Für die Halacha hat diese alternative Version aber keine praktische Relevanz: Auch in diesem Fall kommen Raw Aschi und Raw Mordechai zu dem Schluss, dass eine solche Krankheit durch übermäßigen Mäusekonsum ungewöhnlich sei und daher »keine Rechtsprechung« gebraucht werde.

Nachruf

Förderer des katholisch-jüdischen Dialogs, aber auch harter Kritiker Israels

Papst Franziskus ist am Montag im Alter von 88 Jahren gestorben. Sein langjähriger Gesprächspartner, Rabbiner Jehoschua Ahrens, nimmt Abschied

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  24.04.2025 Aktualisiert

Chol Hamoed

Nur Mosche kannte die Freiheit

Warum das Volk Israel beim Auszug aus Ägypten ängstlich war

von Rabbinerin Yael Deusel  17.04.2025

Geschichte

Waren wir wirklich in Ägypten?

Lange stritten Historiker darüber, ob die Erzählung vom Exodus wahr sein könnte. Dann kamen die Archäologen

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Feiertage

Pessach ist das jüdische Fest der Freiheit - und der Frauen

Die Rolle und Verdienste von Frauen würdigen - dafür ist Pessach eine gute Gelegenheit, sagen Rabbinerinnen. Warum sie das meinen und welchen Ausdruck diese Perspektive findet

von Leticia Witte  11.04.2025

Exodus

Alle, die mit uns kamen …

Mit den Israeliten zogen noch andere »Fremde« aus Ägypten. Was wissen wir über sie?

von Sophie Bigot Goldblum  11.04.2025

Zaw

Das Volk der Drei

Warum zwischen Priestern, Leviten und gewöhnlichen Israeliten unterschieden wurde

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  11.04.2025

Stärke

An den Prinzipien festhalten

In der Haggada heißt es, dass Juden in jeder Generation Feinde haben werden. Klingt entmutigend? Soll es nicht!

von Rabbiner Raphael Evers  11.04.2025