Die Kirche muss sich nach Überzeugung von Theologen stärker mit ihren antijüdischen Traditionen und ihrer historischen Schuld im Umgang mit dem Judentum auseinandersetzen.
Dabei müsse auch die »tragende Funktion des jüdischen Glaubens für den christlichen Glauben« deutlich gemacht werden, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, am Donnerstag bei einer Tagung in Berlin. Dies sei eine dauerhafte Aufgabe.
NAchholbedarf Bei der Aufklärung über die Schuldgeschichte der christlichen Theologie gebe es »ungeheuren Nachholbedarf«, betonte der evangelische Theologieprofessor und frühere Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Christoph Markschies. Dies müsse angehenden Theologen besser vermittelt werden. Historische Kenntnisse könnten dazu beitragen, »die Irrtümer der Vergangenheit« nicht zu wiederholen. Thema der Tagung der Evangelischen Akademie zu Berlin war die Bedeutung des Alten Testaments, des jüdischen Tanach, in den christlichen Kirchen.
Der evangelische Theologieprofessor Notger Slenczka, dessen Thesen vor einigen Monaten Kritik bei Professorenkollegen ausgelöst hatten, hatte zuvor seine Teilnahme an der Tagung zurückgezogen. Slenczka begründete diesen Schritt mit nachträglichen Änderungen in der Ausrichtung und im Programm.
»Scherbengericht« Die Veranstaltung »Nicht ohne das Alte Testament« sei im Lichte des Ankündigungsflyers als »Scherbengericht« über eine ihm fälschlicherweise zugeschriebene Position angelegt, schrieb Slenczka an die Akademie.
Der an der Humboldt-Universität Systematische Theologie lehrende Professor warf der Akademie vor, sie mache sich zur »Gehilfin der Debattenfeigheit«. Slenczka sollte ursprünglich über »Das Alte im Neuen. Sechs Thesen zur hermeneutischen Frage im Hintergrund des Streits um das Alte Testament« sprechen und anschließend mit dem jüdischen Pädagogen Micha Brumlik diskutieren.
Bei der Tagung betonte der Theologe Christoph Markschies, wenn die Bedeutung des Alten Testaments für die Kirchen in den Hintergrund gerate, »dann löst man die Grundlagen der christlichen Theologie auf«. Zur evangelischen Frömmigkeit gehöre auch das Lesen von Texten des Alten Testaments, sagte Bischof Dröge. Dies müsse künftig im kirchlichen Leben stärker in den Mittelpunkt rücken.
Dialog Verschiedene Wissenschaftler äußerten sich skeptisch über nachhaltige Erfolge des christlich-jüdischen Dialogs, sprachen sich aber zugleich für eine Fortführung aus. »Jeder Dialog ist zu begrüßen«, sagte der Direktor des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien, Julius Schoeps. Kurz nachdem Erfolge erzielt würden, seien jedoch häufig Rückschläge zu beobachten. Rückfälle in antijüdische Denktraditionen seien wie ein Fieber, das alle 20 bis 30 Jahre wiederkehre, sagte Micha Brumlik.
Der christlich-jüdische Dialog sei in vielen Fällen nur eine »Tarnung für Judenmission«, kritisierte der frühere Landesrabbiner von Württemberg, Joel Berger. Dabei werde von christlichen Gruppierungen zum Teil »auf unverschämte Weise« und mit »Seelenkäufermethoden« – wie der Vermietung preiswerter Wohnungen – versucht, jüdische Einwanderer zum Christentum zu bekehren. Dialogveranstaltungen dieser Art könne man nicht ernst nehmen. epd