Schawuot ist der einzige Feiertag, für den es in der Tora kein festes Datum gibt, wann er begangen werden soll. Während die Heilige Schrift die genauen Daten für Feiertage wie Jom Kippur, Sukkot oder Pessach angibt, fehlt interessanterweise das Datum für Schawuot. Hier kommt das Sefirat haOmer, das Omerzählen, ins Spiel: Ab dem zweiten Pessachtag werden wir von der Tora angewiesen, 49 Tage zu zählen und dann, am 50. Tag, das Schawuotfest zu feiern.
Die Tora weist uns an: »Ihr sollt (ab Pessach) für euch selbst zählen … sieben volle Wochen …, und danach sollt ihr ein neues Opfer bringen und Schawuot begehen« (3. Buch Mose 23,15).
Die Kommentatoren tun sich schwer mit diesem Vers und beschäftigen sich mit folgenden Fragen: Besteht die Mizwa, diese 49 Tage zu zählen, immer noch, obwohl man heute keine Opfer mehr im Tempel bringt? Ist es dann eine biblische oder eine rabbinische Mizwa? Und müssen wir Tage, Wochen oder gar beides zählen?
Omer-Zählung und rabbinische Mizwa
Es scheint, dass nur Maimonides, der Rambam, der Meinung ist, dass die Omer-Zählung heutzutage ein Gebot der Tora ist, trotz der Tatsache, dass der Tempel nicht mehr vorhanden ist. Die meisten anderen rabbinischen Autoritäten legen fest, dass die Omer-Zählung den Status einer rabbinischen Mizwa hat.
In der Omer-Zeit werden zahlreiche Trauerpraktiken begangen. Der Hauptgrund dafür besteht darin, uns an die 24.000 Schüler von Rabbi Akiva zu erinnern, die in diesen Tagen wegen der gegenseitigen Respektlosigkeit starben. Es wird auch gelehrt, dass in dieser Zeit die verstorbenen Seelen im Gehinnom beurteilt und neu bewertet werden.
Und es ist die Zeit, in der Gʼtt entscheidet, wie hoch die jährliche Weizenversorgung der Welt sein wird, was auch gegenwärtig eine hochaktuelle Frage ist. Zudem wird in dieser Zeit auch an die Opfer der Kreuzzüge erinnert. Daher ist ein Gefühl der Trauer angebracht.
Obwohl in keinem der frühen halachischen Kodizes von einer Beschränkung des Musikhörens während der Zeit des Omerzählens die Rede ist, ist es zu einem weit verbreiteten Brauch geworden, davon Abstand zu nehmen.
Während sich alle Autoritäten darin einig sind, dass es verboten ist, während des Omerzählens Live-Musik zu hören, gehen die Meinungen darüber auseinander, ob dies auch für Musik etwa aus dem Radio oder der Bluetooth-Box gilt. Interessanterweise erlauben selbst die strengeren halachischen Autoritäten das Hören der aufgenommenen Musik im privaten Rahmen, also zu Hause, wenn man ohnehin traurig oder deprimiert wäre.
Der Brauch, während des Omerzählens keine Musik zu hören, geht auf Magen Awraham zurück, der schreibt, dass man in dieser Zeit nicht tanzen dürfe. Viele Rabbiner haben diese Regelung dahingehend erweitert, dass sie das Hören jeglicher Musik einschließt, da das Tanzen eng mit Musik verbunden ist. Andere beschränken die Regelung auf Musik, die zum Tanzen führt. Nach diesem Ansatz wäre es zulässig, zum Beispiel während einer Fahrt im Hintergrund Musik zu hören, da diese auf keinen Fall zum Tanzen führt.
Lag BaOmer ist der 33. Tag des Pessach-Schawuot-Countdowns
Der Feiertag Lag BaOmer ist der 33. Tag des Pessach-Schawuot-Countdowns (»Lag« heißt »Lamed Gimmel«, was auf Hebräisch der Zahl 33 entspricht). Obwohl der Tag selbst nicht als heilig gilt, signalisiert er jedoch das Ende der öffentlichen Trauerpraktiken der Omer-Zeit, also das Verbot von Hochzeiten und Live-Musik. Den meisten Meinungen zufolge hörte die Pest an Lag BaOmer »auf wundersame Weise« auf.
Eine der interessanteren Praktiken, die sich für Lag BaOmer entwickelt hat, ist die sogenannte Hillula dʼRaschbi, bei der die Jahrzeit des großen talmudischen Weisen Rabbi Schimon Bar Jochai gefeiert wird.
Für viele ist es daher Brauch, an jedem Lag BaOmer das Grab von Rabbi Schimon Bar Jochai im israelischen Meron zu besuchen und dort zu beten.
Tatsächlich zieht das Grab an diesem Tag jedes Jahr weit mehr als 200.000 Juden an. Und nach dem Gebet, draußen vor der Tür, läuft dann auch das, was 33 Tage lang fehlte: Musik!