Für das jüngste Kind in der Familie ist der Sederabend oft Stress: Es muss vor versammeltem Publikum die Frage stellen, was diese Nacht von allen anderen Nächten unterscheidet: »Ma nischtana ha-Laila hase mikol ha-Leilot«.
»Ich hoffe so, dass meine Schwester endlich ein Kind bekommt, damit ich nicht mehr der Jüngste in der Familie bin!«, sagt der 14-jährige Sammy aus Frankfurt am Main – und seufzt tief. Doch obwohl er seinen Pessach-Job gerne loswerden möchte, ist das »Ma nischtana« trotzdem sein Lieblingslied.
Sprachen Dabei nimmt Sammys Familie, die nicht sehr religiös ist, den Sederabend wie auch das gesamte Pessachfest »recht locker«. So wird der Seder auch nicht ausufernd lang: »Wir lesen und singen, wozu wir Lust haben«, sagt der Frankfurter pragmatisch. Er ist aber auch stolz darauf, dass seine Familie die Haggada in drei verschiedenen Sprachen liest.
Seine Mutter stammt aus der Ukraine, sein Vater aus Israel. Für die Afikoman-Suche fühlt sich Sammy »zu alt«. Auch das letzte Geheimnis des Seders hat er längst durchschaut und kommentiert es nicht ohne lässige Ironie: »Ich hab’ mal gesehen, wie mein Vater den Becher von Elijahu Hanavi ausgetrunken hat. Seitdem ist mein Leben zerstört.«
Auf den Becher des Propheten hatte es auch Oorell, der wie sein Freund Sammy die Lichtigfeld-Schule in Frankfurt besucht, jahrelang abgesehen: »Ich hab’ immer gesagt, ich bleibe die ganze Nacht wach, bis Elijahu getrunken hat. Aber ich habe es nie geschafft.« Abgesehen davon ist der 14-Jährige »früher«, wie er sagt, während des Seders sogar eingeschlafen.
cool »Wir lesen die ganze Haggada, das dauert ewig«, meint Oorell. Aber Abkürzungen gibt es in seiner Familie nicht. In diesem Jahr ist Oorell auf den Seder gespannt: Weil Besuch aus Israel kommt und der Arbeitsaufwand für den Seder auszuufern droht, »feiern wir in der Budge-Stiftung«. Eines lässt ihn auf einen angenehmen Abend hoffen: »Andy Steiman, der Rabbi dort, ist cool!«
Tamaras Eltern sind religiös. »Wir machen Pessach von A bis Z«, sagt sie. Für die 13-Jährige bedeutet das einen großen Verzicht: An den Feiertagen kann sie ihr Handy nicht benutzen. »Das ist schon hart«, sagt Tamara. Oorell kann ihr da nur zustimmen.
Abgesehen davon freut sich Tamara aber »richtig auf Pessach«. Den ersten Sederabend verbringt ihre Familie in der Jüdischen Gemeinde, den zweiten zu Hause. Bei den Vorbereitungen dafür hilft sie ihrer Mutter – im Moment in erster Linie damit, dass sie auf ihre knapp zweijährige Schwester aufpasst.
Melodien »Mein Papa liest vor, das ist sehr schön«, sagt Tamara. Trotzdem bevorzugt sie den Abend im Gemeindezentrum: »Man erlebt den Seder zu 100 Prozent richtig, und man kennt dort alle Melodien«, sagt sie zufrieden. Dafür nimmt sie auch einen Fußmarsch in Kauf: Tamaras Familie wohnt etwa 30 Minuten zu Fuß vom Gemeindezentrum entfernt.
Bei der Wahl des Lieblingsliedes ist die 13-Jährige mit Oorell einer Meinung: »›Echad mi yodea‹ – vor allem, wenn alle die Reihenfolge der Aufzählung durcheinanderbringen«, darauf freuen sie sich. Und was sie gänzlich entspannt: Das »Ma nischtana« wird die beiden Frankfurter in diesem Jahr nicht treffen.