Mikdasch

Im Heiligtum

Synagoge Dresden: Das drei Tonnen schwere Zelt erinnert an das Mischkan, die Stiftshütte. Foto: dpa

Mit dem Abschnitt Teruma beginnt die Tora, Anweisungen für den Bau des Mischkan, der Stiftshütte, und ihrer Einrichtung mit Menora, Bundeslade, dem Tisch für die Schaubrote und dem Brandopferaltar zu geben. Es soll ein Ort entstehen, an dem Gott gedient wird.

Beim Heiligtum handelt es sich um eine kleine Hütte von 13,7 Metern Länge und 4,6 Metern Breite (nach William James Hamblin: Salomos Tempel, 2007). Erstaunlich ist, dass die Tora diesem sehr begrenzten Bauprojekt 450 Verse widmet, während sie von der Erschaffung des Kosmos einschließlich des Schabbats in nur 34 Versen berichtet. Diese Beobachtung lässt darauf schließen, dass die Bedeutung der Stiftshütte die Welterschaffung überragt. Wie haben wir uns diesen enormen Stellenwert des räumlich doch sehr begrenzten Mischkan gegenüber der unendlichen Größe des Kosmos zu erklären?

Werk Die Welt ist als Lebensraum für den Menschen gedacht, ermöglicht ihm die Existenz und geht auf ein Werk Gottes zurück. Hier »baut« Gott für den Menschen, gibt ihm die Ehre, als sein Geschöpf leben zu können. Demgegenüber ist der Mischkan ein Werk des Menschen und dient ihm als ein Mittel, Gott zu verehren, ihn anzubeten. Ins rechte Verhältnis zu Gott setzt sich der Mensch durch seine Taten, durch die er seinem Schöpfer dient. Der Tora – das zeigt schon ihre kurz gefasste Schöpfungserzählung – liegt nichts daran, dem Menschen Bericht und Wissen über die Konstruktion der Welt zu geben. Sie ist kein historisches Buch, sondern die Didaktik, die Anweisung für den alltäglichen Gottesdienst und die Ausführung der Gebote.

Die knappe biblische Erzählung von der Erschaffung der Welt ist ein Indiz dafür, dass es sich beim Schöpfungsvorgang um ein Geheimnis Gottes handelt, das dem Menschen entzogen bleibt.

Warum muss der Mensch wissen, wann, in wie vielen Tagen und wie Gott die Welt erschaffen hat? Der jüdische Glaube entzündet sich nicht an der Erkenntnis der Stärke Gottes. Er setzt sie wohl voraus. Aber der Mensch, der das Joch des Himmels akzeptiert und auf sich nimmt, dient Gott um des Gehorsams willen.

Der Mischkan ist eindeutig kein Bestandteil der Schöpfung und nicht durch direktes göttliches Eingreifen, also durch ein Wunder, entstanden. Seine Entstehung geht auf Gottes Weisung an die Kinder Israels zurück, ihm ein Heiligtum zu bauen. Dazu wird das Volk zu Spenden aufgerufen, und Kunsthandwerker werden zur fachmännischen Ausführung berufen. Mit der Errichtung des Mischkan erfüllen die Kinder Israels Gottes Gebot. Der Mischkan entsteht als ein Werk, durch das der Mensch seinen Gott erkennt und anerkennt.

Zweck Worin besteht der Zweck des Mischkan? Im 2. Buch Mose 25,8 heißt es: »Und sie sollen Mir ein Heiligtum machen, damit Ich in ihrer Mitte wohne.« Halten wir diesem Vers eine Aussage vom Ende des Wochenabschnitts Tezawe entgegen, dann fällt uns ein kleiner Unterschied auf: »Und Ich will mitten unter den Kindern Israels wohnen und ihr Gott sein« (29,45). Im Vergleich dieser beiden Stellen kommt eine besondere Nuance im Wort unseres Abschnitts zum Klingen. Man könnte hier leicht eine Bedingung heraushören im Sinne von: Wenn ihr Mir ein Heiligtum baut, dann werde Ich unter euch wohnen.

Beide Aussagen betonen jedenfalls – vielleicht sogar mit Absicht –, dass Gott innerhalb des Volkes Israel wohnt und nicht im Gebäude des Heiligtums (Mikdasch). Daraus können wir lernen: Mit dem Bau des Mikdasch erweist sich Israel als gehorsam gegenüber Gottes Gebot und lockt die Schechina mitten unter das Volk. Sie lässt sich bei den Kindern Israels nieder und wohnt bei ihnen.

Eine Harfe an sich ist noch keine Musik, sondern nur ein Instrument, auf dem man eine Melodie spielen kann. Genauso dient der Mischkan den Kindern Israels als Instrument, um die Schechina unter ihnen heimisch zu machen. Der mit viel Kunstfertigkeit errichtete Mischkan ist für sich genommen ohne Wert. Erst mit dem Einzug der Schechina erfüllt er seinen Zweck.

Die beiden genannten Aussagen – aus unserem Abschnitt Teruma und am Ende von Tezawe – stimmen darin überein, dass die Schechina nur dann in Israel wohnen wird, wenn das Volk Gott dient.

Auftrag Um den Mischkan nach Gottes Gebot zu bauen, ergeht an Mosche der Auftrag: »Sprich zu den Kindern Israels, sie sollen Mir eine Spende bringen. Von jedem, den sein Herz dazu antreibt, sollt ihr die Spende für Mich nehmen« (25,2). Zu Beginn des Verses steht geschrieben: »Sie sollen Mir eine Spende bringen«, und am Ende heißt es: »sollt ihr die Spende für Mich nehmen«. Es handelt sich hier um keinen Zwang zum Spenden. Nur wenn aus freien Stücken gegeben wird, kann die Abgabe vor Gott bestehen und wirken.

Zum Thema »Spenden« gibt es in der rabbinischen Literatur viele Kommentare. Einer davon findet sich bei Jakob ben Ascher, dem Baal Haturim (1270–1340). Er gibt eine gematrische Erklärung: Die Aussage »zu den Kindern Israel: Sie sollen Mir eine Spende bringen« gleicht nach gematrischer Berechnung der Aussage »aber die Kinder Israel sollen selbst spenden und nicht andere Völker«. Der Zahlenwert jedes dieser beiden Sätze beträgt 1456. Das heißt, so der Baal Haturim, der dem Gottesdienst gewidmete Mischkan darf nur durch Spenden der Kinder Israels entstehen. Nimmt das Volk aber fremde Hilfe für den Bau in Anspruch, wird der Mischkan nicht dauerhaft bestehen.

Vor diesem Hintergrund und angesichts des historischen Verlaufs dürfen wir vielleicht zu dem Schluss kommen, dass auf den beiden Tempeln kein Segen lag. Der erste, der Salomonische Tempel, wurde mit der Hilfe des Königs Hiram aus Tyrus gebaut. Der zweite entstand mit Unterstützung des Perserkönigs Kyros. Und der Um- und Neubau – ein Glanzstück der Baukunst – geschah unter der Regentschaft Herodes des Großen. Der war Edomiter und ein Vasall Roms.

Der Autor war bis 2011 Landesrabbiner von Sachsen.

Inhalt
Im Wochenabschnitt Teruma fordert der Ewige die Kinder Israels auf, für das Stiftszelt zu spenden. Die Parascha enthält genaue Anweisungen zum Bau der Bundeslade, des Tisches im Stiftszelt, des Zeltes selbst und der Menora. Den Abschluss bilden Anweisungen für die Wand, die das Stiftszelt umgeben soll, um das Heilige vom Profanen zu trennen.
2. Buch Mose 25,1 – 27,19

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