Eine Legende erzählt von drei Männern, die über Land gingen. Dabei begegnete ihnen der Prophet Elija. Er ging mit ihnen, aber sie wussten nicht, wer er war. Und als sie über große, ausgedehnte Sandhügel kamen, da sagte der eine: »Ach, wollte G’tt, dass alle diese Sandhügel saftige grüne Wiesen wären, mit fetten Kühen darauf. Dann könnte ich den armen Leuten Milch und Butter und Käse geben!« Als Elija das hörte, sprach er ein Gebet, und die Sandhügel wurden zu einer großen Weide, auf der fette Kühe grasten.
Der Mann freute sich über die wunderbare Wiese mit den Kühen, und die anderen beiden Männer fassten sich ein Herz und sagten Elija nun auch ihre Wünsche. Und so bekam der eine ein weites Kornfeld an der Stelle eines Sumpfes. Der andere wollte nur ein kleines Häuschen, um vor Wind und Regen und Kälte geschützt zu wohnen.
Bettler Nach einem Jahr kam Elija wieder vorbei bei den drei Männern, in Gestalt eines Bettlers. Zuerst kam er an das Haus des Mannes, der die Wiese mit den Kühen erhalten hatte. Er klopfte an und bat den Hausherrn um ein Stück Käse und einen Becher Milch. Aber der Mann gab dem vermeintlich Fremden nichts, sondern schickte ihn mit bösen Worten fort. Da wandte sich Elija um, und durch sein Gebet geschah es, dass die Wiese wieder zu Sandhügeln wurde.
Elija ging weiter und kam zum Haus des Mannes, der das riesige Kornfeld bekommen hatte. Dort bat er um ein Stückchen Brot gegen seinen Hunger. Aber auch hier war der Mann nicht bereit, etwas von seinem Wohlstand abzugeben, und warf den Fremden hinaus. Da ging Elija zum Kornfeld und ließ es durch sein Gebet wieder zu Sumpf werden.
Einen dritten Besuch machte Elija bei dem Mann mit dem Häuschen. Auch dort klopfte er an und klagte dem Mann, er habe solchen Hunger. Da nahm dieser ihn mit hinein in sein kleines Haus und sagte zu ihm: »Schau, Fremder, ich habe selbst nicht viel, aber ich kann dir dieses Stück Brot geben.«
Elija nahm das Brot, aß es auf und verlangte nun nach einem Becher Milch. Und als der Mann beteuerte, er habe keine Milch im Haus, da sagte Elija: »Na, dann geh mal in den Stall und melke deine Kuh!«
Der arme Mann wusste nicht, was er tun sollte – denn er hatte keinen Stall und keine Kuh. Doch weil der Fremde ihn gar so bedrängte, ging er schließlich doch hinaus – und sah, dass im Stall eine schöne Kuh stand. Dankbar und glücklich eilte er ins Haus zurück; aber der Fremde war fort.
Dankbarkeit – das ist es, was Mosche dem Volk aufträgt; Dankbarkeit gegenüber dem Ewigen. In ein herrliches Land bringt Er euch, der Ewige, so sagt Mosche den Kindern Israels; in ein Land, das so ganz anders ist als Ägypten mit seinen Wüsten und mit den Sümpfen des Nils. Nicht einmal die Krankheiten, die man in Ägypten kennt, werden euch hier begegnen, in diesem wunderbaren Land der Flüsse und der Quellen, der Hügel und der Täler, der fetten Viehweiden und der Kornfelder.
Und Mosche ermahnt das Volk eindringlich, sie sollten ja nicht glauben, dass der Ewige es ihnen gebe, weil sie alle so tapfer, klug und rechtschaffen seien – im Gegenteil: Der Ewige ist es, der euch dies alles gibt, sagt Mosche, und zwar, obwohl ihr von jeher ein eigensinniges Volk seid. Er hat Seinen Bund mit euch geschlossen.
Dazu gehört nun aber auch, dass nicht nur der Ewige den Bund hält, sondern auch ihr, dass ihr Seine Weisungen und Gebote einhaltet! Ich werde nicht immer da sein, um euch vor Seinem Zorn zu bewahren. Ich werde nicht mit hinübergehen in das versprochene Land. Darum hört jetzt zu, und vergesst nie: Die Ehrfurcht vor dem Ewigen sei immer in euren Herzen; dann wird es euch gut gehen. Seinen Geboten müsst ihr gehorchen, und ihr sollt den Ewigen lieben und Ihm dienen mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele – be-chol-levavchem u-ve-chol-nafschechem.
So sprechen wir im Kriat Schma, und an die guten Gaben des Ewigen erinnern wir uns auch im Birkat Ha-Mason, dem Tischgebet. Dankbarkeit, das gehört zur Ehrfurcht vor dem Ewigen.
»Der Ewige bittet um nichts, ›als dass du‹ Ihm Ehrfurcht erweist«, sagt der Talmud. »Daraus lernen wir, dass alles in der Macht des Himmels steht, außer der Ehrfurcht eines Menschen gegenüber G’tt.« Das heißt, das »als dass du« muss vom Menschen erbracht werden. Das ist seine, des Menschen, Aufgabe im Halten des Bundes mit dem Ewigen.
nächstenliebe Und noch etwas lernen wir aus alledem: Man kann nicht dem Ewigen dienen, Ihm dankbar sein und Ihm Ehrfurcht erweisen, wenn man seinen Nächsten nicht gut behandelt. Vor allem den Fremden sollen wir gut behandeln, also denjenigen, mit dem wir weder verwandt noch befreundet sind und dem wir eigentlich überhaupt nichts schuldig sind.
Warum das? Reicht es nicht, dem Ewigen Ehre zu erweisen? Unsere Weisen sagen: Nein; denn er, der Fremde da, er ist wie du, ein Mensch wie du, und damit ist er auch im gleichen Recht wie du vor dem Ewigen.
Wer oder was ist also dieser »Fremde« für uns? Franz Rosenzweig erläutert dies sehr philosophisch: »›Wie du‹, also nicht ›du‹. Du bleibst Du und sollst es bleiben. Aber er soll dir nicht ein Er bleiben und also für dein Du bloß ein Es, sondern er ist wie Du, wie dein Du, ein Du wie Du, ein Ich – eine Seele.«
Oder, einfacher ausgedrückt: Bedenkt, wie schlecht es euch ging, als ihr Fremde wart in Ägypten. Seid dankbar und gebt von dem, was ihr habt, auch anderen, denen es nicht so gut geht. Dazu muss man nicht einmal besonders wohlhabend sein, im Gegenteil. Je weniger einer hat, umso besser kann er sich hineinversetzen in denjenigen, der Hilfe braucht.
Was sollen wir also tun? »Er hat dir kundgetan, o Mensch, was gut ist, und was der Ewige von dir verlangt, nämlich nur Recht zu tun und treue Liebe, und demütig mit deinem G’tt zu wandeln.« So sagt es der Prophet Micha (6,8).
Und Chanoch Jacobsen drückt es im Secher le Mussaf so aus: »Jahre des Lebens gab dir G’tt, erbringe dein Opfer aus deinen Lebensstunden.«
Wenn wir uns daran halten, dann erweisen wir dem Ewigen die rechte Ehrfurcht und den richtigen Dank für Seine guten Gaben.
Die Autorin ist Rabbinerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Mischkan ha-Tfila Bamberg und Mitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK).
inhalt
Der Wochenabschnitt Ekew zählt die Folgen des Gehorsams der Israeliten auf. Wenn sie sich an die Gesetze halten würden, dann blieben die Völker jenseits des Jordan friedlich, und es würde sich materieller Fortschritt einstellen. Die bisherigen Bewohner müssen das Land verlassen, weil sie Götzen gedient haben – nicht, weil das Volk Israel übermäßig rechtschaffen wäre. Am Ende der Parascha verspricht Mosche, im Land Israel würden Milch und Honig fließen, wenn das Volk die Gebote beachtet und an die Kinder weitergibt.
5. Buch Mose 7,12 – 11,25