Im Buch Hoschea lesen wir: »Das Wort G’ttes kam zu Hoschea, Sohn von Beeri, in der Zeit der Könige Usia, Jotham, Ahas und Hiskia, der Könige von Juda, und in der Zeit von Jarow’am, Sohn von Joas, König von Israel« (1,1).
Dazu fragt Rabbi Jochanan im Talmud: »Aus welchem Grund hatte der nicht besonders gerechte König Jarow’am das Privileg, im selben Vers erwähnt zu werden wie die gerechten Könige von Juda?« (Pessachim 87b). Und er antwortete: »Es lag daran, dass sich Jarow’am weigerte, üble Nachrede (Laschon Hara) über den Propheten Amos zu akzeptieren.«
OPFER Der Talmud sagt, dass König Jarow’am nicht besonders gerecht war. Worin bestand seine Verfehlung? Er verbat es seinen Untergebenen, nach Jerusalem zu pilgern, denn er wollte seine Macht nicht an den konkurrierenden König Rechawam, Sohn von Schlomo Hamelech und dessen Thronfolger, verlieren. So errichtete er stattdessen zwei alternative Pilgerorte in Beit-El und Dan, wo die Israeliten ihre Opfer darbringen konnten. Natürlich war dieser Schritt des Königs alles andere als gerecht, und er zog Unglück nach sich. Doch erwarb sich Jarow’am durch die nachfolgende Tat großen Verdienst.
König Jarow’am ließ sich nicht dazu hinreißen, schlecht über den Propheten Amos zu sprechen.
Als der Priester von Beth-El, Amasia, zu ihm kam, sagte er: »Amos hat sich gegen dich verschworen ..., denn er sprach: ›Jarow’am soll durch das Schwert fallen, und Israel soll in Gefangenschaft geführt und vertrieben werden aus seinem Land‹.« Da antwortete Jarow’am: »G’tt bewahre, dass dieser gerechte Mensch, Amos, dies gesagt haben soll; und wenn er das in der Tat sagte, was soll ich ihm tun, und warum soll ich ihn bestrafen? Die Schechina, die g’ttliche Präsenz, hat es zu ihm gesagt, und da musste er seine Prophezeiung ausführen.«
König Jarow’am ließ sich nicht dazu hinreißen, schlecht über den Propheten Amos zu sprechen. Er blieb trotz der überbrachten Prophezeiung ruhig und antwortete konstruktiv. Dies war sein großes Verdienst, und darum wird er auch im selben Vers mit den gerechten Königen von Juda erwähnt.
Sprechen Man kann aus dieser Stelle im Talmud etwas Wichtiges lernen: Unsere Worte begleitet eine enorme Kraft. Wir haben die Macht, sie zum Guten oder weniger Guten einzusetzen. Was wir sagen, richtet sich nicht nur an den Empfänger unserer Nachricht, es hat immer auch eine Auswirkung auf uns Sprechende selbst.
Es heißt, dass G’tt das jüdische Volk erschuf, damit es Ihm Loblieder singt, Tora lernt und die Mizwot erfüllt.
Im 1. Buch Mose finden wir die folgende Stelle: »Und der Mensch wurde ein lebendiges Wesen.« Dazu erklärt der Targum Onkelos, dass die Sprache den Menschen als lebendiges Wesen definiert. Sie erhebt uns über andere Lebewesen, legt uns aber auch eine große Verantwortung auf, damit wir dieses Merkmal weise nutzen und somit G’tt dienen.
Im Sefer Chofetz Chaim heißt es, dass G’tt das jüdische Volk erschuf, damit es Ihm Loblieder singt, Tora lernt und die Mizwot erfüllt. Der Mund ist dabei das wichtigste Instrument. Richtig gebraucht, bekommt er den Status eines heiligen Objekts, und man vergleicht ihn mit einem Kli Scharet, einem Gefäß aus dem Tempel, das früher Opfergaben auf ihrem Weg in die spirituelle Welt verhalf.
VERBINDUNG Außerdem kann man Worte auch dazu nutzen, um Heiligkeit in unsere physische Welt zu bringen. Spricht man beispielsweise den Kiddusch, so verändert der Sprechende den Status des Weins. Er transformiert also etwas in die spirituelle Welt – und das ausgerechnet durch seinen durch und durch physischen Mund.
Der Mund ist also eine Verbindung zwischen dem Physischen und dem Spirituellen. Er gibt einem Menschen, der seine Worte positiv nutzt, die Möglichkeit, spirituell zu wachsen und sich über sich selbst zu erheben.
Nutzen wir sie zum Gebet und auf konstruktive Weise – zum Ermutigen, Trösten, Danksagen.
Wir haben heute keinen Tempel mehr, in den wir gehen können, um G’tt unsere Gaben darzubringen. Der Tempel repräsentierte, solange er stand, eine Verbindung zwischen dem Physischen und dem Spirituellen. Er wurde aus real existierendem Baumaterial errichtet, aber sein geistiges Konstrukt befand sich in einer Welt, die außerhalb unseres Verständnisses liegt.
So ähnlich verhält es sich mit unserem Mund und den Worten, die wir aussprechen. Nutzen wir sie zum Gebet und auf konstruktive Weise – zum Ermutigen, Trösten, Danksagen –, dann erfüllen wir den Zweck der Sprache und dienen damit G’tt.