Das Schwein an sich ist kein abscheuliches Tier und gilt im Judentum auch nicht als unrein wie im Islam, wo sogar die Berührung verboten ist.
Zwar sagt die Tora über das Schwein, »unrein soll es euch sein« (3. Buch Mose 11,7), doch nach allen Meinungen bedeutet Unreinheit in Bezug auf Tiere immer, dass sie nicht koscher sind, also zum Verzehr verboten. Doch fragt man sich, warum die Tora dann das Schwein hervorhebt. Schauen wir uns die koscheren Tiere aus biologischem Blickwinkel an.
Wiederkäuer Die Klasse der Säugetiere umfasst 5500 Arten in 26 Ordnungen. Eine dieser Ordnungen sind die Paarhufer, zu ihnen gehören 220 Arten. Paarhufer werden wiederum aufgeteilt in die Unterordnungen Schwielensohler, Nichtwiederkäuer und Wiederkäuer. Zu den Schwielensohlern gehört zum Beispiel das Kamel. Nichtwiederkäuer sind unter anderem Schweine, Flusspferde und Wale.
Wiederkäuer umfassen 145 Arten wie Ziegen, Schafe, Rinder und Giraffen. Alle Tiere der Unterordnung Wiederkäuer dürfen wir essen, denn sie haben »gespaltene Klauen und sind wiederkäuend« (3. Buch Mose 11,3).
Ist man unsicher, ob ein Tier koscher ist oder nicht, gibt der Talmud folgende Faustregel: Hat das Tier gespaltene Hufe, ist es bestimmt ein koscheres Tier – es sei denn, es ist ein Schwein, denn die sind die einzigen Tiere mit gespaltenen Hufen, die nicht wiederkäuen. Weiter schreibt der Talmud: Sieht man, dass das Tier wiederkäut, ist es bestimmt ein koscheres Tier – es sei denn, es ist ein Kamel, denn die kauen zwar wieder, haben aber keine gespaltenen Hufe.
unterordnung Hat das Tier Hörner, ist es ein koscheres Tier, denn nicht alle Wiederkäuer haben Hörner, aber alle Hornträger sind Wiederkäuer. Das liegt daran, dass die Familie der Hornträger zur Unterordnung der Wiederkäuer gehört.
Das Schwein wird ausdrücklich genannt, um Verwechslungen vorzubeugen, denn es hat zwar gespaltene Klauen, ist aber kein Wiederkäuer – so einfach.
Auch Giraffen sind koscher, aber sie sind eine geschützte Art. Die anderen in der Tora genannten Tiere sind Hase und Klippschliefer (11, 5–6). Beide sind keine Wiederkäuer, weisen aber Ähnlichkeiten mit ihnen auf. Der Klippschliefer sieht aus wie ein Nagetier und ernährt sich vegetarisch. Seine Kaubewegung lässt auf den ersten Blick vermuten, dass er ein Wiederkäuer ist.
Auch vom Hasen könnte man meinen, er sei Wiederkäuer. Was er in Ruhezeiten isst, sind aber Kot-Kügelchen, um seine Nahrung besser verdauen zu können – daher sieht es so aus, als ob er kauen würde, ohne vorher Nahrung zu sich genommen zu haben. Daher entsteht der Eindruck, er sei Wiederkäuer. Doch dem ist nicht so, und deshalb hebt ihn die Tora als Nichtwiederkäuer hervor.
Vögel Erkennungsmerkmale für Vögel nennt die Tora nicht, sondern sie zählt nur die unkoscheren 24 Arten auf. Darunter sind Strauß, Schwalmvogel, Möwe, Falke und viele andere. Im 3. Buch Mose 11 und 5. Buch Mose 14 listet die Tora sie auf. Alle nicht aufgezählten Arten sind erlaubt – theoretisch.
Im Laufe der Jahrhunderte gab es Unklarheiten bei den hebräischen Namen der nichtkoscheren Vögel. Welcher Vogel ist zum Beispiel der Kat? Ist es der Pelikan oder die Eule? Wegen dieser Unklarheit schreibt der Schulchan Aruch vor, dass nur solche Vögel gegessen werden dürfen, von denen man aus Tradition eine Gewissheit hat.
Dazu gehören zum Beispiel Hühner, Enten, Gänse und Tauben (Jore Dea 82,2). Allgemein kann man sagen, dass alle Raubvögel und Aasfresser verboten sind. Rabbiner Israel Meir Levinger listet in seiner Enzyklopädie Meor Lekaschrut mehr als 100 koschere Vögel auf.
ringelgans Interessant ist folgende Geschichte: Die Ringelgans brütet in Grönland und besucht im Winter die Nordseeküsten. Im Mittelalter glaubte man, die Ringelgans entstehe aus Tannenholz. Man vermutete, die Rankenfüßer, eine Krebsart, seien eine Vorstufe der Ringelgans, weil man sie am Treibholz fand. Die Mönche aßen die Ringelgans zur Fastenzeit, weil man sie nicht für Fleisch hielt.
Diese Legende war so populär, dass sie es sogar in den Schulchan Aruch geschafft hat. In Jore Dea 84,15 heißt es: »Arten von Vögeln, die aus Bäumen wachsen und mit ihren Schnäbeln daran hängen, sind zum Verzehr verboten, weil sie Insekten sind, die auf der Erde wimmeln« (3. Buch Mose 11,41). Andere Rabbiner erlaubten die Ringelgans zum Verzehr – manche sogar ohne Schächten, weil sie als Frucht angesehen wurde; andere wiederum verlangten das Schächten.
Die Tora erlaubt auch einige Heuschreckenarten zum Verzehr (3. Buch Mose 11, 21–22), und der Schulchan Aruch sagt, dass kein Schächten nötig ist (Jore Dea 13,1). Der Talmud nennt Merkmale koscherer Heuschrecken: Hat sie vier Beine, vier Flügel, die den Großteil des Körpers nach Länge und Breite bedecken, zwei Springbeine, dann ist sie koscher (Chulin 59a). Welche von den 26.000 Arten das sein soll, wissen einige jemenitische und nordafrikanische Juden von ihren Vorvätern.
Heuschrecken enthalten Proteine sowie Eisen und Magnesium, sie sind also durchaus gesund. Man kocht oder frittiert sie. Da Heuschrecken parve sind – wie wäre es mit ein paar Heuschrecken in Käse gebacken zu Schawuot?
Der Autor studiert am Rabbinerseminar zu Berlin.
Paraschat Schemini
Der Wochenabschnitt schildert zunächst die Amtseinführung Aharons und seiner Söhne als Priester sowie ihr erstes Opfer. Dann folgt die Vorschrift, dass die Priester, die den Dienst verrichten, weder Wein noch andere berauschende Getränke trinken dürfen. Der Abschnitt listet auf, welche Tiere koscher sind und welche nicht, und er erklärt, wie mit der Verunreinigung durch tote Tiere umzugehen ist.
3. Buch Mose 9,1 – 11,47