Tu Bischwat, auch als das Neujahrsfest der Bäume bezeichnet, feiern wir am 15. Tag des jüdischen Monats Schwat – in diesem Jahr am Abend des 16. Januar und am 17. Januar. Es ist ein Tag voller Hoffnung für unser Volk und unser Land, aber auch der Anfang des Frühlings in Israel. Normalerweise brechen dann Schulkinder in die Natur auf, um Setzlinge zu pflanzen.
Aber dieses Jahr ist ein Schabbatjahr (Schemita), in dem das Pflanzen nicht erlaubt ist. Außerdem steigt die Zahl der Infektionen mit der Omrikon-Variante derzeit wieder sprunghaft an, und viele Menschen bleiben lieber zu Hause. Tu Bischwat wird wieder virtuell über Zoom, YouTube und Videos gefeiert. Wir alle sehnen uns nach normalen Kontakten und freuen uns auf das nächste Jahr …
KONSUM Aber auch der traditionelle Verzehr vieler Früchte ist in diesem Jahr anders, denn die Früchte des Schabbatjahres werden auf heilige Weise konsumiert. Die Lebensmittel des Schabbatjahres müssen mit Ehrfurcht gegessen werden, man darf sie nicht verschwenden. Die Reste dürfen nicht weggeworfen werden, sondern müssen zunächst in einem Beutel aufbewahrt werden, bis sie verwest sind. Erst dann darf man sie wegwerfen.
Die Hawdala-Kerze darf nicht im Wein des Schabbatjahres gelöscht werden, denn das würde eine Verschwendung der »heiligen« israelischen Früchte bedeuten. Und nicht nur das: Während eines Schabbatjahres darf jeder nach Herzenslust Früchte in den Feldern und Obstgärten anderer Leute pflücken und essen. Auch die Tiere haben ein uneingeschränktes Recht auf Nahrung. Und die Früchte des Schabbatjahres dürfen nicht einmal gehandelt oder exportiert werden, sondern stehen allen zur freien Verfügung.
G’tt verspricht den Israeliten, sie in ein Land zu führen, in dem Milch und Honig fließen.
Doch was ist das für ein Land, in dem Mitte Januar die Bäume blühen? Im 2. Buch Mose 3,8 verspricht Haschem, G’tt, die Israeliten aus der Sklaverei zu befreien und sie in ein Land zu führen, das groß und fruchtbar ist und in dem Milch und Honig fließen. Der hebräische Ausdruck dafür lautet: »Eretz zavat Chalav uDwasch«.
Zunächst einmal ist zu erwähnen, dass es sich bei dem Honig nicht um Bienenhonig, sondern um Dattelsirup handelt, das sogenannte Silan. Bei der Milch kann es sich um tierische Milch handeln, aber es gibt auch einige Weise, die darin die Milch der Feigen sehen.
Milch ist ein Grundnahrungsmittel; sie hilft Kindern zu wachsen, gibt Stärke und ist nährend. Honig ist sehr süß und auch ein teureres Nahrungsmittel. Israel ist also nährend, angenehm und wertvoll für das jüdische Volk. Haschem nährt uns und ist gütig.
Das Wort «Zavat« bedeutet fließen; dies ist ein Zeichen dafür, dass der Boden und die Bäume in Israel besonders fruchtbar sind. Es zeigt uns die allgemeine Fruchtbarkeit von Eretz Israel auf. Dies ist die offensichtliche Bedeutung des Ausdrucks »Eretz zavat Chalav uDwasch«. Aber wie können wir daraus auch etwas für unser Leben mitnehmen und lernen?
Israel wird im 5. Buch Mose (3,8) als groß und fruchtbar beschrieben, was im Kontrast zu Ägypten steht. Während es in Ägypten eng war, die Israeliten unterdrückt, eingeengt und versklavt waren, ist Israel groß. Hier waren sie frei, was auch auf spiritueller Ebene zu sehen ist, da sie in Israel ihren Glauben an Haschem frei leben konnten.
Die Symbolik von Milch und Honig finden wir auch im Schir Haschirim, dem Hohelied König Salomos. Der Midrasch lehrt uns in Dewarim Rabba 7,3, dass das Zitat aus dem Hohelied 4,11 »Milch und Honig unter deiner Zunge« (»Dwasch VeChalav tachat Leschonech«) ein Symbolbild für das Torastudium ist.
GEMATRIA Das hebräische Wort Chalav für Milch hat in der Gematria den Zahlenwert 40. Genau 40 Tage verbrachte Mosche auf dem Berg Sinai bis zum Erhalt der Tora. Die Tora und das Torastudium sind wie die Milch Basis und Grundnahrungsmittel für die Kinder Israels. Und von diesem gibt es in Eretz Israel besonders viel. Süß ist die Verbindung durch die Tora zu Haschem, die uns die Schechina, die g’ttliche Präsenz, bringen kann und zudem wertvoll ist, so wie der Honig.
Nach Ende des Schabbatjahres können wir im nächsten Jahr an Tu Bischwat wieder konkret und real in Eretz Israel Bäume pflanzen. Sie werden blühen und Früchte tragen. Aber wir können Israel auch in unserem Geist und in unseren Herzen tragen und durch das Lernen von Tora und durch das Ausführen anderer Mizwot Bäume in unserem Herzen pflanzen.
Die Wurzeln des Glaubens werden dadurch tief in uns gefestigt. Wir können durch jede Mizwa, durch jeden Baum, jede Frucht, die wächst, neue Energie schöpfen und uns von diesen nähren, so wie wir es von der Milch und dem Honig können. Der Ausdruck »Eretz zavat Chalav uDwasch« zeigt uns also sowohl die geistige als auch die materielle Fruchtbarkeit und Nahrhaftigkeit des Landes Israel und der Tora auf, welche die Israeliten als auserwähltes Volk von Haschem bekommen haben.
PESSACH Die nächsten Feiertage im jüdischen Kalender sind Purim und Pessach. In beiden Fällen haben wir außergewöhnlich große Wunder erlebt. Auch die neue Besiedlung Israels und das Aufblühen und Wachsen des Landes waren und sind große Wunder! Und nun ist auch die Einreise nach Israel aus fast allen Ländern wieder möglich – das weckt Hoffnungen auf ein Wiedersehen mit unseren Familien an den kommenden Feiertagen.
Doch zunächst wünsche ich Ihnen ein fröhliches und köstliches Tu Bischwat mit vielen israelischen Früchten!
Der Autor ist Rabbiner und lebt in Israel.