Der Wochenabschnitt Korach berichtet von einem Aufstand gegen Mosche und Aharon. Angeführt wird er von Korach, Datan und Aviram. Sie und ihre Anhänger rebellieren offensichtlich gegen Mosches Machtposition und Führung.
Dabei sind die Vorwürfe Korachs auf der einen und Datans und Avirams auf der anderen Seite je unterschiedlich. Datan und Aviram aus dem Stamm Reuven murren gegen Mosche – mit schamloser Schönfärberei in Hinblick auf die durchlittene Sklaverei in Ägypten und mit bitterer Ironie über den Aufenthalt des Volkes in der Wüste: »Ist’s nicht genug, dass du uns aus dem Land geführt hast, in dem Milch und Honig fließen, und uns tötest in der Wüste? Musst du auch noch über uns herrschen? Wie fein hast du uns gebracht in ein Land, darin Milch und Honig fließen, und hast uns Äcker und Weinberge zum Erbteil gegeben« (4. Buch Mose 16, 3–4). Diese Beschwerde bezieht sich vor allem auf materielle und wirtschaftliche Defizite.
SCHECHINA Die Beschwerde Korachs und seiner Anhänger – »250 Männer unter den Israeliten, Vorsteher der Gemeinde, von der Versammlung berufen, namhafte Leute« – zielt in eine andere Richtung. Korach geht von der Egalität der Gruppe aus. Alle sind heilig. Die Präsenz Gottes, die Schechina, ist in der ganzen Gemeinde gegenwärtig, deshalb bedarf es keines Mittlers im Verhältnis zum Ewigen. Hervorgehobene Positionen im Volk darf es nicht geben. Genau diese aber nehmen Mosche als Botschafter Gottes und Aharon als Priester in der Führung des Volkes ein. Korachs Beschwerde ist also spiritueller Natur.
So unterschiedlich diese Klagen auch motiviert sind, sie führen beide zu einem bitteren Ende. Die göttliche Strafe trifft die gesamte Gruppe, die sich gegen Mosche und Aharon erhoben hat: Sie werden, so wie Korach, Datan und Aviram, von der Erde verschlungen.
Die Vernichtung der 250 Männer, die Räucherwerk geopfert haben, geschieht durch göttliches Feuer. Ein Zeichen dafür, dass sie sich durch ihre zu starke religiöse Ambition an der eigenen spirituellen Flamme verbrannt und zu Tode gebracht haben. Warum aber endet eine Auseinandersetzung, die auf den ersten Blick mit vernünftigen Argumenten geführt wird, so brutal?
zerstörung Die Antwort auf diese Frage findet sich im Herzen der mündlichen Tora. Die Geschichte von den Aufständischen lehrt uns etwas über den Unterschied zwischen einer Auseinandersetzung, die korrekt geführt wird, und einer, die Zerstörung nach sich zieht.
In der Mischna lesen wir: »Jeder Meinungsstreit, bei dem es um himmlische Wahrheit geht, hat Bestand. Geht es aber nicht um die himmlische Wahrheit, so hat der Meinungsstreit keinen Bestand« (Awot 5,17). Die Mischna lehrt, dass im Ansatz eigentlich jede Auseinandersetzung gegen den Frieden steht. Doch lässt sie die Differenzierung zu, dass es Auseinandersetzungen gibt, die positive und negative Wirkungen haben.
Auseinandersetzungen der Art, wie sie Korach und seine Gemeinde führen, sind keine guten Lehrbeispiele, weil sie sich nicht auf das Himmelreich richten. Mit dem Begriff des Himmelreichs verbinden wir die Vorstellung, dass wir unser Tun auf Gott im Himmel ausrichten und dort unser religiöses Ziel verankern.
Ein gutes Beispiel für eine Auseinandersetzung, die um des Himmels willen geführt wird, ist der Meinungsstreit zwischen den großen rabbinischen Gelehrten Hillel und Schammai.
streit Im Talmud lesen wir: »Drei Jahre stritten die Schule Schammais und die Schule Hillels miteinander. Die eine sagte, die Halacha sei nach ihrer Ansicht zu entscheiden, die andere sagte, die Halacha sei nach ihrer Ansicht zu entscheiden. Da ertönte eine Stimme aus dem Himmel und sprach: Sowohl die Worte der einen als auch die der anderen sind Worte des lebendigen Gottes – aber die Halacha folgt der Schule von Hillel« (Eruvin 13,2).
Wenn aber beides Worte des lebendigen Gottes sind, weshalb war es der Schule Hillels beschieden, dass die Halacha nach ihr entschieden wurde?
Weil sie demütig war und sowohl ihre eigene Meinung als auch die der Schule Schammais unterwies. Nicht nur dies, sondern weil sie die Meinung der Schule Schammais der ihren auch voranstellte. Die Botschaft ist: Auch wenn wir in schwierigen Auseinandersetzungen stehen, sollen wir aufeinander hören. Es ist davon auszugehen, dass beide Seiten im Recht sind, weil sie sich beide auf Gottes lebendiges Wort gründen.
Raschi (1040–1105) erklärt: »Manchmal ist das eine Argument zutreffend und manchmal das andere, denn die Argumentation verändert sich, wie auch die Situation sich ändert, und sei es auch nur in kleinem Maße.«
Bei einer Meinungsverschiedenheit soll jede Seite der anderen zugestehen, dass auch sie etwas Korrektes beizutragen hat. Denn – so schreibt Rav Kook (1865–1935): »Es ist gerade die Vielzahl von Ansichten, die die Weisheit bereichert. Einst werden wir verstehen, dass zum Bau des Friedenshauses all diese Ansichten unentbehrlich sind, die einander nun noch zu widerstreiten scheinen.«
KABBALA Auch der Sohar, das bedeutendste Schriftwerk der Kabbala, beschäftigt sich mit der Frage, worin der Unterschied zwischen der Art der Auseinandersetzung bei Korach und bei Hillel besteht.
In seiner Antwort erklärt der Sohar den Begriff »Schem Schamajim« – »Himmelszweck«. Es weist darauf hin, dass es zwischen »Schem« und »Schamajim« eine sprachliche Verbindung gibt. Ähnlich wie bei den Begriffen »Ajin« (Auge) – »Enajim« (Augen) oder »Jad« (Hand) und »Jadajim« (Hände). Es handelt sich jeweils um Begriffspaare.
Und so entdeckt der Sohar, dass sich im Wort »Schamajim« der Begriff »Schem« doppelt. Daraus zieht er den Schluss: Eine Auseinandersetzung um des Himmelreichs willen wird nur sachgerecht geführt, wenn sich die Beteiligten als sich ergänzendes Paar verstehen. Ein Paar setzt sich zwar aus zwei unterschiedlichen Partnern zusammen, es ist aber in der Liebe zueinander verbunden.
Im Blick auf Korach ist festzuhalten, dass er die Auseinandersetzung mit Mosche und Aharon nicht um des Himmelreichs willen suchte und führte. Er war von Beginn an nicht bereit, die andere Seite zu hören. Er setzte sich und seine Position absolut und verschloss sich gegen die Möglichkeit, partnerschaftlich einen Lösungsversuch anzustreben. Sein Vorgehen glich einem Fahren in einer Einbahnstraße. Dies führte zu seiner eigenen Vernichtung.
Der Autor ist Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg und Mitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK).
inhalt
Korach und seine Anhänger Datan und Aviram rebellieren gegen die beiden Anführer Mosche und Aharon. Der Ewige selbst bestraft den Putschversuch und lässt sowohl Korach als auch seine Anhänger vom Erdboden verschlingen. Andere Sympathisanten Korachs werden durch ein himmlisches Feuer verzehrt. Dennoch herrscht Unmut unter den Israeliten. Darauf folgt eine Seuche, die von Aharon beendet wird. Um seine Position an der Spitze zu verdeutlichen, sollen die Anführer jedes Stammes ihren Stab ins Stiftszelt bringen. Und siehe da: Aharons Stab treibt Blüten.
4. Buch Mose 16,1 – 18,32