Unser Wochenabschnitt erzählt von einer interessanten Grundstückstransaktion. So erwirbt Awraham nach dem Tod seiner Frau Sara die Höhle Machpela bei Hebron mitsamt der Umgebung für 400 Silberschekel von den Hethitern als zukünftige Grablege für seine Familie.
Es ist erstaunlich, dass der erste Besitz Awrahams und damit der Israeliten auf dem Boden des Landes der Verheißung ein Friedhof sein sollte. Genau deshalb sah man in jeder Epoche in diesem Kauf ein bedeutendes Zeichen, das die Beziehungen des jüdischen Volkes zu seinem Land markierte.
Maimonides, der Rambam (1138–1204), einer der wichtigsten jüdischen Gelehrten des Mittelalters, der aufgrund der Judenverfolgungen in Spanien nach Ägypten fliehen musste, schrieb: »Dieses Kapitel belegt für alle Zeiten, dass die Wurzeln des jüdischen Volkes in diesem Boden liegen. Da lebten die Ahnen, die nicht nur zu Lebzeiten, sondern auch nach ihrem Tod nur mit dieser Scholle eins werden wollten. Und weil es ihnen nicht vergönnt war, dort zu leben, bemühten und bemühen sich die Angehörigen, ihre Toten im Heiligen Lande zu beerdigen.«
Am Ende seiner Ausführungen schreibt der Rambam: Solange wir dies ausüben, »glauben wir mit unerschütterlichem Glauben daran, dass der Allmächtige sich unser erbarmen und Jerusalem wie auch das alte Land wiederaufgebaut werden wird«.
Ein Säckchen mit Erde aus dem Heiligen Land
Bis heute ist es in den meisten jüdischen Gemeinden üblich, unter das Haupt des Verstorbenen ein Säckchen mit Erde aus dem Heiligen Land in den Sarg zu legen – als Hinweis auf die Auferstehung der Toten. Und manche frommen Juden lassen sich, wenn irgend möglich, im Heiligen Land beerdigen.
Das Prozedere rund um den Kauf der Höhle Machpela wird detailliert in der Tora beschrieben und lässt sich selbst in der Gegenwart als ein Musterbeispiel für orientalisches Verhandlungsgeschick bezeichnen, einschließlich des ortsüblichen Feilschens.
So sprachen die Hethiter zu Awraham: »Ein Fürst Gʼttes bist du unter uns. Keiner von uns wird dir seine Grabstätte verweigern« (1. Buch Mose 23,6). Awraham scheint die Spielregeln genau zu kennen: »Zum vollen Preis (möchte ich das Land) als Grabstätte mitten unter euch« (23,9). »Nicht doch, Herr, höre mich an! Das Feld schenke ich dir«, entgegnet ihm der Hethiter Efron. Awraham bestand weiter darauf, den Preis in »landesüblicher Währung« zu bezahlen, woraufhin Efron endlich mit seiner Preisvorstellung herausrückt: »Ein Stück Land im Wert von 400 Silberschekel, was ist das schon zwischen mir und dir?« (23,15). Sofort zahlte Awraham die ungewöhnlich hohe Summe, und das, ohne zu handeln.
Fast schon sprichwörtlich ist in diesem Land die Redewendung, jemand würde »wie ein Jude« handeln. Der einzige Handel aber, der uns von Awraham, dem Urvater aller Juden, überliefert ist, ist der Handel mit Gʼtt um die Sünder von Sodom und Gomorrha. Als diese beiden Städte vor der Vernichtung durch Gʼtt standen, feilschte Awraham um jedes womöglich unschuldige Menschenleben – bis er schließlich erkennen musste, dass sich in den beiden Städten offenbar tatsächlich keine Gerechten befanden. Erst dann gab er den Handel auf. Wir sehen also Awraham als einen hartnäckigen Feilscher – doch niemals zu seinen eigenen Gunsten, sondern stets darum bemüht, das Beste für seine Mitmenschen zu erreichen.
Träger der Verheißung und des Segens G’ttes
Nach der Beerdigung seiner Frau Sara wollte Awraham sein Lebenswerk vollenden, indem er dafür sorgte, dass sein Sohn Jizchak eine Familie gründen kann. Dieser war gemäß der Tora Träger der Verheißung und des Segens G’ttes. Seine Ehe sollte deshalb von Awraham mit großer Umsicht vorbereitet werden. Jizchaks Frau würde ebenso wie ihr Mann Trägerin der g’ttlichen Verheißungen sein. Daher konnte er keine Frau aus Kanaan, dem Wohnort Awrahams, heiraten. Denn die Kanaaniter verehrten Götzen und opferten Menschen auf ihren Altären, häufig sogar Kinder.
Deshalb beauftragte Awraham seinen treuen Diener Elieser, für seinen Sohn Jizchak eine Frau aus der alten Heimat Charan zu suchen. »Vielleicht wird die Frau mir aber nicht in dieses Land folgen wollen. Soll ich dann deinen Sohn nach Charan ziehen lassen?«, fragte Elieser zurück. »Hüte dich!«, antwortete Awraham. »Meinen Sohn dorthin zurückzubringen? Wenn die Frau dir nicht folgen will, bist du von dem Schwur entbunden.«
So machte sich Elieser, mit vielen Geschenken beladen, auf die lange Reise. Eines Tages kam er in der Abenddämmerung an einen Brunnen, aus dem die Frauen und Mädchen der Stadt ihr Wasser schöpften. »Oh, Gʼtt Awrahams«, flehte Elieser. »Gib mir ein Zeichen. Wenn ich einem Mädchen sagen werde: Gib mir zu trinken, und sie daraufhin nicht nur für mich, sondern auch für meine Kamele Wasser schöpfen wird, so werde ich wissen, dass du sie für Jizchak bestimmt hast.«
Zwei goldene Spangen als Geschenk
Kaum hatte er dies ausgesprochen, sah er ein junges hübsches Mädchen namens Riwka mit einem Krug auf der Schulter. Sie antwortete auf die Aufforderung Eliesers genau so, wie er es sich gewünscht hatte. Er gab ihr daraufhin zwei goldene Spangen als Geschenk und erkundigte sich, wer sie sei und ob er und sein Gefolge im Haus ihres Vaters eine Unterkunft für die Nacht finden könnten. Das Mädchen bejahte und lief nach Hause, um über die Gäste zu berichten.
Lawan, der Bruder Riwkas, war von den Geschenken sehr beeindruckt, ging Elieser entgegen und führte ihn mitsamt seinen Leuten und Kamelen nach Hause. Im Haus von Betuel, dem Vater von Riwka und Laban − er war ein Neffe Awrahams −, berichtete Elieser, dass ihn sein Herr gesandt hatte, und erzählte davon, wie er Riwka getroffen hatte. Er hielt sogleich um ihre Hand für Jizchak an. »Die Sache ist von Gʼtt ausgegangen«, meinten Lawan und Betuel. »Wir können dir weder Ja noch Nein sagen. Riwka steht vor dir, nimm sie und gehe.«
Auch Riwka war einverstanden. Auf der Heimreise, als sie sich Hebron näherten, sah Riwka einen Mann in der Wüste. Auf ihre Frage erfuhr sie, dass es Jizchak war. Daraufhin nahm sie ihren Schleier und verhüllte das Gesicht. Aus genau dieser Stelle der Tora stammt die alte Sitte von der Verschleierung der Braut, die bis zum heutigen Tage üblich ist. Nach der Ankunft heirateten Riwka und Jizchak und gewannen einander lieb.
Der Autor ist emeritierter Landesrabbiner von Württemberg.
inhalt
Der Wochenabschnitt Paraschat Chaje Sara beginnt mit Saras Tod und dem Kauf der Grabstätte »Mearat Hamachpela« durch Awraham. Dieser Kauf wird sehr ausführlich geschildert. Später beauftragt Awraham den Knecht Elieser, für seinen Sohn eine passende Frau zu suchen. Er findet in Riwka die richtige Partnerin für Jizchak. Auch Awraham bleibt nicht allein: Er heiratet eine Frau namens Ketura. Schließlich stirbt er und wird in der Höhle begraben, in der auch Sara beigesetzt ist.
1. Buch Mose 23,1 – 25,18