Lehre

Handbuch für die Zukunft

Die Anleitung lesen: Wer ein Land geschenkt bekommt, muss wissen, wie er damit umzugehen hat. Foto: Thinkstock

Wir alle kennen es aus unserer Kindheit: Man erhält ein Geschenk, bedankt sich, packt es schnell aus und nimmt es sofort in Benutzung. Bei einem Comic-Heft funktioniert das, denn Seiten aufschlagen kann jeder. Doch manche Geschenke sind schwieriger zu bedienen.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich nicht zu denen gehörte, die Anleitungen zu neuen Spielen lasen. Die Folge war oft, dass ich mich ärgerte, weil ich etwas falsch gemacht hatte, von vorn beginnen musste – und dann schließlich doch die Anleitung gelesen habe. Irgendwann begriff ich, dass es mir Ärger und Zeit spart, wenn ich mich gleich mit der Anleitung auseinandersetze.

So ergeht es nicht nur Kindern. Auch Erwachsene benutzen Dinge, für die es Gebrauchsanweisungen gibt. Doch lesen wir sie uns jedes Mal durch? Wenn überhaupt, überfliegen wir sie und beschäftigen uns nie tiefgründig damit. Erst bei Gegenständen, die uns besonders wichtig sind, lesen wir die Anleitungen. Erst wenn wir merken, dass wir eine hohe Verantwortung tragen und alles richtig laufen muss, damit es zu keinem Fehler kommt, dann setzen wir uns damit tiefgründig auseinander.

Ägypten Auch wer ein Land geschenkt bekommt, muss wissen, wie er damit umzugehen hat. Leider hatten 400 Jahre Sklaverei und Fremdherrschaft bei unserem Volk dazu geführt, dass jegliche Verbindung zum Land verloren gegangen war. In Ägypten waren wir Fremde, es war nicht unser Land, und wir hatten keinen Anteil daran. Die Belange des Landes waren nicht unsere Belange. Wir waren Sklaven und damit rechtlos.

Doch mit einem Schlag änderte sich die Situation. Durch den Auszug gewinnen wir die Freiheit, und die Verheißung, dass wir als Volk das Land Israel bekommen, erfüllt sich. Doch wie geht man mit einem Land um? Wie sollen diejenigen, die gestern noch Sklaven waren, sich um ein Land kümmern und dafür Sorge tragen, dass es nicht zugrunde geht?

Mit dieser Frage beschäftigt sich unser Wochenabschnitt. Es geht hier in erster Linie um die Regeln und Vorschriften der Landwirtschaft. So soll das Land alle sieben Jahre brachliegen, und nach 50 Jahren, also im Jubeljahr, soll jeder sein Land und seine Freiheit zurückerhalten.

Damit werden Grundsätze festgelegt, die einerseits das Land vor Überstrapazierung schützen und es andererseits Menschen, die unfreiwillig ihren Besitz oder ihre Freiheit verloren haben, ermöglichen, ihren Besitz und ihre Freiheit wiederzuerlangen.
Jedoch warnt der Ewige die Israeliten: Das Land wird verwüstet, und das Volk muss wieder ins Exil, wenn es sich nicht an die Vorschriften hält. Dies wird mit den drastischen Worten deutlich: »Denn Mein ist das Land, denn Fremde und Beisassen seid ihr bei Mir.« Das Land gehört also dem Ewigen. Das Volk hat sich nach Seinen Gesetzen zu richten.

Schma Die Frage, wie man mit dem wertvollen Geschenk umgehen soll, wird etwas später, im 5. Buch Mose, in der Parascha Ekew nochmals genau erläutert. Der Abschnitt, den wir zweimal täglich im Schma lesen, erklärt uns ausführlich, wie wir auf das Land aufpassen und mit ihm umgehen sollen.

Die genaue Befolgung der Gebote und die Liebe zum Ewigen sind Voraussetzung dafür, dass das Land fruchtbar ist und regelmäßig Ernte eingesammelt werden kann. Auch das Vieh wird gut versorgt, und das Volk wird ausreichend Nahrung bekommen – jedoch immer unter der Voraussetzung, dass es dem Ewigen dient und sich nicht zu den Götzen abwendet. Nur wenn die Gebote eingehalten werden, die der Ewige dem Volk gegeben hat, nur dann ist auch das Land für das Volk da.

Wir sehen in unserer Geschichte, dass es nicht so gekommen ist, wie es sich der Ewige mit dem Volk und dem Land vorgestellt hat. Das Volk hat zwar das Geschenk angenommen, sich aber nicht um die Anleitung gekümmert, die der Ewige dem Geschenk beigelegt hatte. Man kann sagen, dass die Israeliten viel zu leichtsinnig mit ihrem Geschenk umgegangen sind. Sie waren aus Ägypten ausgezogen, wollten alle in das Land und drängten Mosche, sie hinzuführen. Zwar dauerte der Weg in das Land 40 Jahre, doch das Volk war nicht bereit, sich kontinuierlich an die Vorgaben und Gebote zu halten, die das Land betrafen.

Und trotz wiederholter Mahnung und Erinnerung durch die Propheten kommt es zu den großen Tragödien der Königreiche Israel und Juda. Das Volk verliert das Land und muss wieder ins Exil. Dort, an den Wassern von Babylon, klagt es und beweint das Land. Die extreme Prophezeiung, die vom Ewigen ausgesprochen wurde, hat sich also bewahrheitet.

Aus diesem Wochenabschnitt können wir ein wichtiges Lehrstück mitnehmen: Wir sehen, dass die Macht des Ewigen unendlich ist. Er hat uns aus Ägypten herausgeführt, gab uns die Freiheit, ein Land und die Tora. Das alles sind Geschenke, die das jüdische Volk bis heute nutzt und auf denen unsere Tradition und Lehre aufgebaut sind.

Es ist enorm wichtig, sich mit den Geschenken auseinanderzusetzen. Man kann sie nicht einfach als gegeben ansehen und sich nicht um sie kümmern. Man muss sich ihnen widmen, um sie nicht wieder zu verlieren.

Unsere Vorfahren haben diesen Fehler gemacht. Sie haben trotz eindeutiger Warnungen zweimal sowohl das Land als auch ihre Freiheit verloren. Und nur durch die Lehre, die nicht untergegangen war, wurde das Volk zusammengehalten.

Der Autor leitet das SchazMaz-Programm der Allgemeinen Rabbinerkonferenz.

Behar
Der Wochenabschnitt Behar führt das Erlass- und das Joweljahr ein. Das Erlassjahr – es wird auch Schabbatjahr genannt – soll alle sieben Jahre sein, das Joweljahr alle 50 Jahre. Die Tora fordert, dass der Boden des Landes Israel einmal alle sieben Jahre landwirtschaftlich nicht genutzt werden darf, sondern brachliegen muss. Dies geschehe »dem Ewigen zu Ehren«. Im Joweljahr soll alles verkaufte Land an die ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden, die es erhielten, als das Land nach der Eroberung verteilt wurde (Jehoschua 13, 7–21). Außerdem müssen im Joweljahr alle hebräischen Sklaven freigelassen werden.
3. Buch Mose 25,1 – 26,2

Bechukotaj
Das Thema des Wochenabschnitts Bechukotaj ist die Verheißung des Segens für diejenigen, die den Geboten folgen. Dem Segen steht jedoch auch ein Fluch für diejenigen gegenüber, die die Gebote nicht halten. Im letzten Teil der Parascha geht es um Gaben an das Heiligtum. Sie können mit einem Gelübde verbunden sein (»Wenn der Ewige dies und jenes für mich tut, werde ich Ihm das und das geben«) oder aus Dankbarkeit geleistet werden.
3. Buch Mose 26,3 – 27,34

Berlin

Chabad braucht größere Synagoge

»Wir hoffen auch auf die Unterstützung des Senats«, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 15.01.2025

Ethik

Eigenständig handeln

Unsere Verstorbenen können ein Vorbild sein, an dem wir uns orientieren. Doch Entscheidungen müssen wir selbst treffen – und verantworten

von Rabbinerin Yael Deusel  10.01.2025

Talmudisches

Greise und Gelehrte

Was unsere Weisen über das Alter lehrten

von Yizhak Ahren  10.01.2025

Zauberwürfel

Knobeln am Ruhetag?

Der beliebte Rubikʼs Cube ist 50 Jahre alt geworden – und hat sogar rabbinische Debatten ausgelöst

von Rabbiner Dovid Gernetz  09.01.2025

Geschichte

Das Mysterium des 9. Tewet

Im Monat nach Chanukka gab es ursprünglich mehr als nur einen Trauertag. Seine Herkunft ist bis heute ungeklärt

von Rabbiner Avraham Radbil  09.01.2025

Wajigasch

Nach Art der Jischmaeliten

Was Jizchaks Bruder mit dem Pessachlamm zu tun hat

von Gabriel Umarov  03.01.2025

Talmudisches

Reich sein

Was unsere Weisen über Geld, Egoismus und Verantwortung lehren

von Diana Kaplan  03.01.2025

Kabbala

Der Meister der Leiter

Wie Rabbiner Jehuda Aschlag die Stufen der jüdischen Mystik erklomm

von Vyacheslav Dobrovych  03.01.2025

Tradition

Jesus und die Beschneidung am achten Tag

Am 1. Januar wurde Jesus beschnitten – mit diesem Tag beginnt bis heute der »bürgerliche« Kalender

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  01.01.2025 Aktualisiert