Das hebräische Wort »Haftara« bedeutet »Abschluss« und »Entlassung«. Unter dem Begriff verstehen wir die zusätzliche Schriftlesung in den Synagogen am Schabbat, an Feiertagen und an manchen der Fasttage. Diese Schriftlesung erfolgt aus den prophetischen Büchern, die den zweiten Teil unseres biblischen Kanons bilden.
Die regelmäßige synagogale Vorlesung aus der Tora ist nach der Tradition auf Mosche zurückzuführen (5. Buch Moses 31, 9-13 und Mischna Megilla 3,1). Dagegen ist die Vorlesung aus den Prophetenbüchern nicht eindeutig zu datieren. Viele Gelehrte führen sie auf die Zeit der syrisch-hellenistischen Herrscher, namentlich auf Antiochos IV. Epiphanes (215–164 v.d.Z.) zurück. Diese Herrschaft soll das Studium wie auch die Vorlesung der Tora und andere jüdische Pflichterfüllungen untersagt haben, um die Religionsausübung und damit den Glauben unserer Vorfahren zu schwächen.
Unsere Gelehrten reagierten darauf, indem sie anstelle der Toraabschnitte inhaltlich ähnliche Lesungen aus den Werken der Propheten einführen ließen. Später, nach der Aufhebung dieses Verbots, wurde diese Institution der Lesung aus den Propheten beibehalten. Manche kritischen Historiker sehen diese traditionelle Erklärung allerdings als nicht erwiesen an.
Während die Tora im Laufe eines Jahres fortlaufend gelesen wird, gibt es keinen bestimmten Zyklus für die Lesung der Prophetenbücher. Ihre Lesung erfolgt nach beliebiger Auswahl oder nach örtlichen Traditionen der jeweiligen Gemeinden oder Landesteile. Es besteht ein großer Unterschied zwischen den Haftara-Texten in aschkenasischen und sefardischen Gemeinden.
Propheten Charakteristisch für die ausgewählten Texte ist, dass die Schlussverse für die Gemeinschaft tröstend klingen sollen. Bei der Festsetzung der Texte spielen einige kalendarische Daten eine bestimmende Rolle. So lesen wir nach dem Fasttag 17. Tamus drei Wochen lang tadelnde Prophetentexte, dagegen nach Tischa be Aw, dem Gedenktag an die Zerstörung Jerusalems, bis Rosch Haschana Trost spendende Prophetenverse.
Vor der Lesung der Haftara sagt der Maftir – so nennt man denjenigen, der sie vorträgt – folgenden Segensspruch (Bracha): »Gelobt seist Du, Ewiger, unser G’tt, König der Welt, der gute Propheten auserwählt hat und Gefallen hatte an ihren in Wahrheit gesprochenen Worten. Gelobt seist Du, Ewiger, der die Tora auserwählt hat und Mosche, Seinen Diener, Israel, Sein Volk, und die Propheten der Wahrheit und der Gerechtigkeit.« Nach Abschluss der Prophetenlesung folgt dann eine längere Bracha. Sie kann sich ändern, je nachdem, ob es sich um einen Schabbat, einen Feiertag oder um einen Fasttag handelt.
melodie Der Niggun, die Melodie der Haftara-Lesung, weicht von derjenigen der Tora-Lesung ab. Hierzulande unterscheiden wir zwischen der klassischen aschkenasischen Melodie und dem in Israel üblichen Niggun Jeruschalajim.
Um den Maftir zu ehren, wird er auch zur Lesung eines kurzen Abschnitts vom Ende der Parascha aufgerufen. Dieser Teil ist eine Wiederholung der letzten Verse des jeweiligen Wochenabschnitts. In den meisten Gemeinden werden Jungen am Schabbat, an dem sie ihre Barmizwa feiern, auch zur Lesung der Haftara aufgerufen.