Schmuel

G’ttliche Weisheit des Herzens

Warum die Botschaft eines der wichtigsten jüdischen Propheten bis heute relevant ist

von Detlef David Kauschke  01.07.2021 09:32 Uhr

Liefert außer dem biblischen Text auch religiöse, archäologische und geschichtliche Hintergründe: das neue »Samuel«-Buch von Koren Publishers Foto: PR

Warum die Botschaft eines der wichtigsten jüdischen Propheten bis heute relevant ist

von Detlef David Kauschke  01.07.2021 09:32 Uhr

Samuel war nicht nur der letzte große biblische Richter, er war auch einer der wichtigsten Propheten des jüdischen Volkes. Er hat sogar einen Eintrag ins »Guinness World Records«-Buch verdient. Denn Samuel der Prophet (oder auf Hebräisch: Schmuel Hanavi) soll bereits im Alter von zwei Jahren eine schwierige halachische Frage beantwortet haben, wie ihm der damalige Hohepriester Eli zugestand.

Und das sei rekordverdächtig, bestätigte jüngst ein Rabbiner von »Ohr Samayach« (ohr.edu) einem Mitarbeiter der Guinness-Record-Zentrale und verwies dabei auf das talmudische Traktat Brachot (31b): Schmuel war der jüngste Toragelehrte der Geschichte.

übersetzungen Und Schmuel war nicht nur der Jüngste, sondern ihm ist auch gleich ein ganzes biblisches Buch gewidmet: das »Buch Samuel«. Es wird heute meist in zwei Teile unterteilt, wohingegen es sich in der jüdischen Tradition stets nur um eines handelte, das erst durch die Übersetzungen zu Samuel 1 und Samuel 2 wurde.

Schmuel soll von 931 bis 877 vor der Zeitrechnung gelebt haben.

Der Jerusalemer Verlag »Koren Publi­shers« hat nun mit zahlreichen Erläuterungen, Karten, Bildern und Grafiken Samuel als ein Buch in zeitgemäßer Aufmachung herausgebracht. Es ist dieser Tage in der Reihe »The Koren Tanakh of the Land of Israel« erschienen und lädt dazu ein, nicht nur den biblischen Text nochmals zu lesen, sondern auch religiöse, archäologische und geschichtliche Hintergründe kennenzulernen.

Im Vorwort wird aus Schmuel 16,7 zitiert: »Denn der Mensch sieht, was die Augen sehen, aber der Herr sieht in das Herz.« Die göttliche Weisheit des Herzens sei das verbindende Thema des Buches und bilde das Prisma, durch das wir Chana und ihren Sohn Schmuel, den tragischen Fall von Schaul und den Aufstieg Davids als König sehen.

Es beginnt vor knapp 3000 Jahren: Schmuel soll von 931 bis 877 vor der Zeitrechnung gelebt haben. Das biblische Buch beginnt mit der Geschichte von Schmuels Eltern, Chana und Elkana, die jährlich zum Heiligtum in Schiloh kamen, um dort Opfer darzubringen. Dort betete Chana für die Erfüllung ihres Kinderwunsches. Dieser wurde erfüllt und ein Sohn geboren, der den Namen Schmuel erhielt.

STIMME Ihrem Versprechen folgend, dass der Junge ein Nasir – ein Mensch, der sich durch ein Gelübde völlig G’tt widmet – werden würde, brachte sie Schmuel in jungen Jahren zum Dienst ins Heiligtum. Eines Nachts hörte er dort eine Stimme, die ihn mehrfach rief. Es war der Ewige, der ihm eine Prophezeiung offenbarte. So verbreitete sich die Kunde von Schmuels Prophetie im ganzen Land.

Das Buch schildert nun Ereignisse im Zeitraum von rund 100 Jahren. Es beschreibt das Leben und Wirken von Schmuel, der im Alter seine Söhne Joel und Abija als Richter einsetzte, die aber »nicht in seinen Wegen« gingen, sich bestechen ließen und das Recht beugten. Das Volk verlangte eine königliche Führung.

Es folgt die historische wie literarische Schilderung der Zeit der ersten Könige und die erneuten Auseinandersetzungen mit den Philistern. Ausführlich beschrieben ist die Herrschaft von König Saul, der größte Teil des Buches ist dem Aufstieg und Fall Davids gewidmet. Es endet damit, dass David die Tenne des Jebusiters Arwana kauft, um dort dem Ewigen einen Altar zu bauen und Opfer darzubringen – später entsteht an dieser Stelle der Jerusalemer Tempel.

Wie erwähnt, bietet das bei Koren erschienene Buch zahlreiche Erläuterungen an, zum Beispiel zur Bedeutung des Namens Samuel. Das hebräische »El« kann als G’tt übersetzt werden, sodass eine sinngemäße Erläuterung lautet: »von G’tt erbeten« (schaal me El). Chana habe G’tt um einen Sohn gebeten und ihn mit diesem Namen im übertragenen Sinne in Dankbarkeit an G’tt zurückgeben. Eine andere Erläuterung bietet unter anderem Raschi an, der Samuel als »Schem El«, also den »Namen G’ttes«, deutet.

SALBUNG Eine andere Erläuterung informiert über den Brauch der Salbung. Im Tanach wird an verschiedenen Stellen von der Salbung von Königen und Hohepriestern berichtet, im Buch Samuel wird dieser Brauch unter anderem im Zusammenhang mit der Amtseinführung von König Saul und David erwähnt.

Schmuel war der jüngste Toragelehrte der jüdischen Geschichte


Dies sei, so die Autoren, eine weit verbreitete Praxis im Nahen Osten gewesen, auch wenn es dazu keine schriftlichen Überlieferungen in babylonischen, assyrischen oder ägyptischen Texten gibt, so gebe es doch Quellen, die belegen, dass zum Beispiel die Hethiter ihre Könige oder Priester gesalbt haben.

Während der Pharao sich nicht dieser Prozedur unterzog, wurden hingegen vom Pharao ausgewählte Offizielle gesalbt. Auf Hebräisch wird die Salbung, also das Gießen des Inhalts eine Ölkruges auf das Haupt, als »m’schach« bezeichnet, wobei der Gesalbte damit zum »Maschiach« (Messias) wird.

erläuterungen Andere Erläuterungen gibt es zu den Orten der im Buch Samuel erwähnten Handlungen, beispielsweise Aschdod. Die heutige Hafenstadt an der Mittelmeerküste Israels war einst eine Siedlung der Philister, neben Aschkelon, Ekron, Gat und Gaza. Die Philister werden in der Hebräischen Bibel als Nachbarn und Feinde Israels erwähnt. Ihre Herkunft ist unklar, Forscher vermuten sie unter anderem im Balkan, Anatolien oder Zypern. Zahlreiche archäologische Funde geben heute Auskunft über ihre Kultur, Religion und politische Struktur.

Im Buch Samuel ist »Dagon« erwähnt, eine mesopotamische und westsemitische Gottheit, der die Philister einen Tempel in Aschdod gebaut hatten. Dagon habe sich mehrfach machtlos gegenüber der von den Philistern erbeuteten und nach Aschdod gebrachten Bundeslade gezeigt, zweimal sei die Gottheit vom Podest gestürzt, woraufhin die Philister die Bundeslade wieder zurückgaben.

Im Koren-Buch ist ebenfalls der Ort Kir­yat Yearim erwähnt, wo erst kürzlich Ausgrabungen auf einem Hügel stattfanden, auf dem die Bundeslade im Haus von Avinadav und seinem Sohn Elasar rund 20 Jahre bewahrt und bewacht wurde, bis sie durch König David nach Jerusalem gelangte.

BEZIEHUNGEN Auch die verschiedenen Liebesbeziehungen, von denen im biblischen Buch zu lesen ist, werden nicht ausgespart. Eine Doppelseite ist der Geschichte gewidmet, in der David die schöne Bat Scheva begehrt, was den Tod ihres Ehemanns Urija zur Folge hat. Ein Vorgang, der, wie die Autoren schreiben, »auch heute noch schockiert«. Erläutert wird, wie der biblische König dabei wohl gleich drei Verbote übertreten haben könnte: nicht eines anderen Frau zu begehren, keinen Ehebruch zu begehen und nicht zu töten – auch wenn die Tötung in diesem Fall nur indirekt erfolgte. So weit die Hinweise auf die Koren-Ausgabe des Buches Samuel.

Unklar ist übrigens, wer das biblische Buch eigentlich verfasst hat. Als Autoren werden Schmuel selbst, aber im Talmud (Bava Batra 15a) auch Gad und Nathan genannt. Interessant ist zudem die Frage, warum es überhaupt ein eigenes Buch Samuel braucht. Schließlich behandelt es die letzte Phase der Richter, für die es ein gleichnamiges biblisches Buch (Richter/Schoftim) gibt, und die erste Phase der Könige, für die es in der Hebräischen Bibel ebenfalls eine eigene Abhandlung (Könige/Melachim) gibt.

Die Jahrzeit des Propheten fällt mit dem Jerusalem-Tag zusammen.

Eine Erklärung bietet Abarbanel an, ein portugiesischer Rabbiner und Staatsmann des 15. Jahrhunderts. Er meint, dass dies eine Würdigung der beiden Persönlichkeiten sei, die in dem Buch die tragende Rolle spielen: Schmuel Hanavi und David Hamelech, der Prophet Samuel und König David. Und da ein Buch nun einmal nicht zwei Namen tragen kann, wurde es nach Schmuel benannt – in Würdigung seiner Prophetie, in deren Folge Israel noch viele weitere Propheten hatte. Schmuel soll ein Lehrhaus, ein Beit Midrasch für Neviim, gegründet haben und auch »Lehrer der Propheten« genannt worden sein.

Sein Grab, »Kever Schmuel HaNavi«, befindet sich in der Nähe von Ramot und Givat Zeev. Es ist eine Pilgerstätte nördlich von Jerusalem. Seine Jahrzeit, er soll an einem 29. Ijar gestorben sein, fällt zusammen mit dem Jerusalem-Tag. Auch in diesem Jahr kamen Zehntausende Gläubige aus diesem Anlass zu seiner Grabstätte.

Zum Schluss nochmals ein Zitat aus dem Vorwort des Koren-Buches: »Die Botschaft von Samuel scheint durch die Zeit zu schwingen. Sie ist für unser Leben im 21. Jahrhundert genauso relevant wie für die alten Israeliten.«

»The Koren Tanakh of the Land of Israel – Samuel«. Koren Publishers (korenpub.com), Jerusalem 2021, 536 S., 49,95 US-$

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