Rabbi Akiwa, einer der größten Weisen des Talmuds, hatte Tausende Schüler. Manche waren so arm, dass sie nicht genug Geld hatten, um sich und ihren Familien Essen oder warme Kleidung für den Winter zu kaufen. Damit sie sich aufs Toralernen konzentrieren konnten, sammelte Rabbi Akiwa Geld für diese Schüler und ihre Familien. Er fand wohlhabende Menschen, die Geld spendeten, das er an die Schüler verteilte (Nedarim 50a).
Doch als die Geschäfte der Kaufleute immer schlechter liefen, gelang es Rabbi Akiwa eines Tages nicht mehr, Geld zu beschaffen. »Was sollen die Kinder meiner Schüler morgen essen?«, fragte er sich.
Ein Geschäftsmann erzählte ihm, nahe der Stadt würde eine wohlhabende Römerin leben, die dem jüdischen Volk wohlgesinnt sei und das Toralernen ehre. Vielleicht wäre sie in der Lage, ihm Geld für seine Schüler zu geben.
Hilfe Die Sonne ging fast unter, als Rabbi Akiwa bei der Frau eintraf. Sie war überrascht, als sie den großen Lehrer vor ihrer Tür erblickte, und bat ihn einzutreten. Mit Tränen in den Augen berichtete Rabbi Akiwa, keiner der üblichen Wohltäter könne heute Geld für die Schüler spenden, sie sei nun seine letzte Hoffnung. Die römische Frau hörte aufmerksam zu und sagte, es tue ihr leid, auch sie sei nicht in der Lage, Geld zu spenden, es gehe ihr finanziell nicht gut. Doch sie sei bereit, ihm für einige Tage Geld zu leihen, damit seine Schüler nicht hungern müssen. Das war die Rettung. Der Rabbi bedankte sich.
Die Frau fragte: »Wer garantiert mir, dass du mir mein Geld am vereinbarten Tag zurückbringst?« Rabbi Akiwa antwortete: »Jeder kann es bezeugen.« Die Frau schaute sich um, doch außer ihren Sklaven war niemand im Haus. Da blickte sie aus dem Fenster aufs Meer hinaus und sagte: »Ich möchte, dass dein G’tt und das Meer dafür bürgen, dass du mir das Geld an dem von uns abgesprochenen Tag zurückgibst.«
Rabbi Akiwa antwortete: »So soll es sein«, bedankte sich und eilte zu seinen Schülern, um ihnen das Geld zu geben.
Sammeln In den folgenden Tagen reiste er in die benachbarten Städte, um Geld für seine Schüler zu sammeln. Wenn er etwas bekam, legte er sofort einen Teil zur Seite. G’tt sei Dank liefen die Geschäfte in den anderen Städten besser, sodass Rabbi Akiwa schon nach wenigen Tagen genug Geld zusammenhatte, um der Römerin das Darlehen zurückzuzahlen.
Doch am vereinbarten Tag wurde Rabbi Akiwa plötzlich krank und konnte nicht zu der Frau gehen. Er war so krank, dass er nicht einmal jemanden zu der Frau schicken konnte, um ihr zu sagen, dass er nicht in der Lage war zu kommen.
So wartete die Frau den ganzen Tag auf ihn, doch er kam nicht. Und gerade an diesem Tag hätte sie das Geld dringend gebraucht. Verzweifelt ging sie hinaus ans Ufer des Meeres und fing an zu beten: »König der Welt«, rief sie, »nur Dir ist bekannt, warum Rabbi Akiwa nicht gekommen ist, um mir mein Geld zurückzugeben. Ich brauche es dringend für meine Geschäfte. Als ich ihm das Geld lieh, versprach er mir, dass Du und das Meer für ihn bürgen werden. Ich habe ihm vertraut, nun liegt es an Euch, es mir zurückzugeben.«
Prinzessin G’tt erhörte ihr Gebet. Auf der anderen Seite des Meeres lebte eine Prinzessin. Nachdem die römische Frau ihr Gebet beendet hatte, kam der Prinzessin ein ungewöhnlicher Gedanke: Sie rannte in den Palast ihres Vaters, nahm eine Kiste mit Gold und Diamanten und warf sie ins Meer. Die Wellen trugen die Kiste an die andere Seite des Meeres vor die Füße der Römerin. Als sie die Kiste öffnete, verstand sie, dass G’tt und das Meer ihr die vielfache Summe von dem, was sie Rabbi Akiwa geliehen hatte, zurückgaben.
Rabbi Akiwa ging es nach einigen Tagen wieder besser. Sofort eilte er zu der Römerin, um ihr das Geld zurückzugeben. Er bat sie um Entschuldigung und erklärte ihr, warum er nicht rechtzeitig kommen konnte. Als er das Geld auf den Tisch legte, lächelte die Frau und befahl ihrem Sklaven, die Kiste mit dem Gold und den Diamanten hereinzubringen. Sie sagte: »G’tt und das Meer haben mir schon alles zurückbezahlt. Sie haben mir sogar viel mehr gegeben, als mir zusteht. Nimm den Überschuss und verteile ihn an deine armen Schüler.«