»An apple a day keeps the doctor away«, lautet ein englisches Sprichwort. Der Spruch kommt nicht von ungefähr. Denn Äpfel enthalten viele Vitamine und Mineralstoffe und haben deshalb einen wichtigen Einfluss auf die Verdauung. Aber nicht nur der regelmäßige Genuss von Obst und Gemüse ist gut für die Gesundheit. Laut einer Studie aus den USA scheint auch das tägliche Anlegen der Tefillin eine feine Sache zu sein, und zwar für das Herz.
»Wir konnten beobachten, dass Personen, die regelmäßig die Gebetsriemen benutzen, damit ihre Durchblutung fördern«, sagt Jack Rubinstein, Kardiologe und Professor an der University of Cincinnati. »Und das hat wiederum positive Auswirkungen auf das Herz.« Zu diesem Fazit kam der Mediziner nach einer längeren Versuchsreihe, deren Ablauf und Ergebnisse jüngst im Fachblatt »American Journal of Physiology – Heart and Circulatory Physiology« veröffentlicht wurden.
Rubinstein und sein Team hatten dafür in Cincinnati 20 gesunde jüdische Männer im Alter zwischen 18 und 40 Jahren über einen längeren Zeitraum unter die Lupe genommen. Neun von ihnen beteten täglich mit Tefillin, elf taten dies nie. Sowohl vor als auch nach dem Anlegen der Gebetsriemen wurden alle wesentlichen Daten über den Gesundheitszustand der Versuchspersonen gemessen, also die Vitalparameter sowie die im Blut vorhandenen Proteine, die für das Wachstum und die Differenzierung von Zellen zuständig sind und in der Fachsprache Zytokine heißen, ebenso die Zellen des Immunsystems, die Monozyten. Zum Vergleich checkte man auch die Blutzirkulation in den rechten Armen, an die keine Tefillin kamen.
BEWEGUNG »Religiöse jüdische Männer ab dem Alter von 13 Jahren nutzen sie fast täglich für das Morgengebet«, so Rubinstein. »Sie werden recht eng am nichtdominanten Arm um den Bizeps sowie um den vorderen Bereich gebunden, aber niemals in einer Art und Weise, die die Blutzufuhr ernsthaft gefährden könnte.« Das Ganze dauert rund 30 Minuten. »Während der Gebete selbst entsteht recht viel Bewegung, weshalb die Gebetsriemen immer wieder nachgezogen werden müssen.«
In den Tests fanden die Wissenschaftler heraus, dass Personen, die Tefillin anlegten, nicht nur eine bessere Durchblutung hatten, sondern darüber hinaus fünf bis 15 Prozent weniger Zytokine im Blut aufwiesen. »Das ist ebenfalls positiv zu bewerten, weil diese Proteine oft mitverantwortlich für Entzündungen sein können, die schlecht für das Herz sind.« Doch muss dies regelmäßig geschehen. »Ein- oder zweimal Tefillin anlegen hat keinerlei Einfluss auf die Gesundheit.«
Durch das Anlegen der Riemen wird ein Schutz aufgebaut.
Warum das so ist, erklärt der Kardiologe damit, dass das Umbinden der Gebetsriemen, das von den Versuchspersonen nicht selten als unangenehm beschrieben wurde, wohl eine Art Präkonditionierung sein kann. Auf diese Weise würde ein substanzieller Schutz vor dem aufgebaut, was er als »akuten ischämischen Reperfusionsschaden« bezeichnet – damit ist ein Krankheitsbild gemeint, das durch die wiederhergestellte Blutzufuhr nach einer Phase der Minderdurchblutung einer Extremität oder eines Organs entstehen kann. »In diesem Falle das Herz, dem beispielsweise bei einem Infarkt der Sauerstoff entzogen wird, woraufhin dann bei der Wiederzufuhr viel Schaden entsteht.«
In diesem Kontext spielt auch eine gewisse Dosis Schmerz eine Rolle. »Denn von ihm geht in der Tat eine Art präkonditionierender Reiz aus.« All das würde sich positiv bemerkbar machen, wenn das Herz wirklich einmal in Mitleidenschaft gerät. Schon seit 30 Jahren weiß die Wissenschaft, dass ein Infarkt milder ausfällt, wenn zuvor die Durchblutung einer Extremität eingeschränkt war. »Und da kommen die Tefillin ins Spiel.«
FRAUEN Einer seiner Mentoren hatte sich bereits lange mit diesem Phänomen beschäftigt, weshalb auch Rubinstein gut im Bilde war. »Dann eines Tages, als ich ausgerechnet an einem Flughafen die Gebetsriemen anlegte und das Ganze mal wieder als etwas unkomfortabel empfand, weil ich alle paar Minuten die Tefillin nachziehen musste, wurde mir der Zusammenhang klar.« Und die Idee zu der Studie war geboren.
Seine Beobachtungen decken sich weitgehend mit den Ergebnissen israelischer Forschungsreihen, in denen etwa Rubinsteins Jerusalemer Kollege Yechiel Friedlander herausfand, dass statistisch gesehen orthodoxe Juden weniger tödliche Herzerkrankungen aufwiesen als säkulare Personengruppen. Interessant wird es vor allem dann, wenn Frauen in derartige Studien miteinbezogen werden, weil diese – bis auf wenige feministische Ausnahmen – eben keine Tefillin anlegen.
»Es gibt eine Untersuchung, die orthodoxe und nichtorthodoxe Kibbuzniks miteinander vergleicht«, sagt Rubinstein. »Auch hier hatten die orthodoxen Männer die besseren Werte. Bei Frauen dagegen konnten zwischen beiden Gruppen keinerlei Unterschiede festgestellt werden.« Sein Fazit: Offensichtlich kann die Erfüllung einer Mizwa eine gesundheitsfördernde Sache sein – zumindest für Männer.