Organtransplantation

Geschenk des Lebens

Ein Knessetabgeordneter spendet eine Niere. Ein Rabbiner begleitet ihn dabei und ruft dazu auf, dem Beispiel zu folgen

von Ralf Balke  20.02.2020 13:46 Uhr

Gibt ein gutes Beispiel: Chili Tropper Foto: Flash 90

Ein Knessetabgeordneter spendet eine Niere. Ein Rabbiner begleitet ihn dabei und ruft dazu auf, dem Beispiel zu folgen

von Ralf Balke  20.02.2020 13:46 Uhr

Viele sind dafür, doch nur die wenigsten zeigen auch wirklich Bereitschaft. Die Rede ist vom Spenden eines Organs oder von Gewebe, damit kranken Menschen oder solchen, die einen schweren Unfall erlitten haben, ein neues Leben ermöglicht wird. Die Wartelisten sind lang, und die Zahl derjenigen, die entweder noch zu Lebzeiten oder nach ihrem Tod ein Organ spenden wollen, ist weiterhin zu klein – das gilt gleichfalls für Israel.

Rekordjahr Dabei ist die Entwicklung durchaus erfreulich. So war 2019 ein Rekordjahr, wie das Nationale Transplantationszentrum in Tel Aviv dieser Tage vermeldete. Es gab 248 Lebendspender von Nieren, und damit fast viermal so viele wie 2009.

Parallel dazu konnten weitere 143 Nieren, 76 Lebern sowie 52 Lungen und 21 Herzen verpflanzt werden, weil sich immer mehr Israelis damit einverstanden erklären, nach dem eigenen Ableben ihre Organe anderen zur Verfügung zu stellen. Aktuell listet das Nationale Transplantationszentrum 975.053 potenzielle Spender, ein Plus gegenüber dem Vorjahr von satten 30 Prozent.

Sie alle sind im Besitz der sogenannten Adi-Card. Die 1989 eingeführte israelische Version eines Spendeausweises geht auf die Initiative des Vaters von Adi (Ehud) Ben Dror zurück, einem jungen Mann, der 1978 nach schwerer Nierenkrankheit sterben musste, weil sich kein Spenderorgan finden ließ. Dieses Schicksal sollte anderen erspart werden.

Doch einigen ist das alles noch nicht genug, weshalb sie mit gutem Beispiel vorangehen. So wie Chili Tropper, der für Blau-Weiß, die Partei von Netanjahu-Herausforderer Benny Gantz, in der Knesset sitzt. Der 41-Jährige spendete als erster Parlamentarier überhaupt eine Niere an eine Person, mit der er weder bekannt noch verwandt ist.

Hadassah Anfang Februar fand im Hadassah-Hospital in Ein Kerem die Operation statt. »Wenn es eine Möglichkeit gibt, einem anderen dadurch das Leben zu retten, warum nicht?«, sagte er gegenüber »Ynet«. Empfänger war ein 60-jähriger Familienvater namens Yair aus dem Norden Israels.

»Der Staat ist seit rund einem Jahr so gut wie gelähmt.«Chili Tropper

Tropper selbst fuhr sofort von der Knesset ins Krankenhaus, nachdem er benachrichtigt wurde, dass eine Person identifiziert werden konnte, die mit seiner Blutgruppe kompatibel war. »Der Staat ist seit rund einem Jahr so gut wie gelähmt«, erklärte der Abgeordnete dabei im TV-Kanal 12. »Da möchte wenigstens ich meinen Beitrag leisten.« Seine Familie, so der Vater von vier Kindern, habe ihn von Anfang an bei seinem Vorhaben unterstützt.

Mit seiner Spendenbereitschaft rief Tropper aber auch Kritiker auf den Plan. Warum ausgerechnet jetzt, so kurz vor der Parlamentswahl? Dem entgegnete Tropper, dass die Entscheidung für diesen Schritt schon vor längerer Zeit gefallen sei. Er wollte nur darauf aufmerksam machen, dass aktuell über 1100 Menschen in Israel auf ein Spenderorgan warten. 59 Personen starben allein im vergangenen Jahr, weil es immer noch zu wenige davon gibt.

Matnat Chaim Begleitet bei dem Prozedere wurde Tropper von Matnat Chaim, zu Deutsch »Geschenk des Lebens«, einer Organisation, die sich der Aufgabe verschrieben hat, Menschen dazu zu motivieren, ihre Organe zu spenden. »Ich bin Tropper sehr dankbar für seine Bereitschaft, eine Niere abzugeben«, so Rabbi Avraham Yeshayahu Heber, ihr Gründer und Manager.

»Wir sind aber nicht nur glücklich, weil er ein Menschenleben gerettet hat, sondern auch darüber, dass er ein Vorbild sein kann und das Thema so verstärkt ins Bewusstsein bringt. Er ist unser 780. Spender.« Heber, der Tropper auch sofort nach der Operation im Krankenhaus besuchte, betont, dass der Knessetabgeordnete auf seine Initiative hin Matnat Chaim kontaktiert hatte.

Zu der positiven Entwicklung in Israel hat auch das 2008 verabschiedete Organspendegesetz beigetragen, das endlich Kriterien dafür definierte, ab wann ein Mensch als hirntot gelten kann – eine der Voraussetzungen für die Weitergabe von Nieren oder Herzen.

Damit wollte man zwei Missstände beheben: den schwunghaften illegalen Handel mit »menschlichen Ersatzteilen« und den eklatanten Mangel an Organen. Zudem wurde geregelt, dass Lebendspender für Arbeitsausfälle entschädigt werden oder im Falle, dass sie selbst eines Tages ein Spenderorgan benötigten, Priorität erhalten. Doch zuvor mussten sowohl medizinische als auch halachische Belange unter einen Hut gebracht werden.

Oberrabbinat Auf der eigens dem Thema gewidmeten Seite des Gesundheitsministeriums wird beschrieben, warum die Mehrheit der religiösen Autoritäten mittlerweile eine positive Meinung dazu hat. Denn 2009 hatten das Oberrabbinat von Rischon LeZion sowie der damalige aschkenasische Oberrabbiner für Israel, Yona Metzger, erklärt, das Gesetz sei kompatibel mit der Halacha. Sie merkten unter anderem an, dass die durch die Organentnahme verzögerte Beerdigung in Ordnung sei, weil das Gebot von »Pikuach Nefesch«, der Rettung von Menschenleben, allerhöchste Priorität habe.

Und aus ihrem Umfeld gibt es gleichfalls Personen, die Zeichen setzen. So wie Rabbi Elad Gadot aus Negohot nahe Hebron. Er hatte vor 13 Jahren seinem schwerkranken Sohn einen Leberlappen gespendet.

Im Dezember 2019 schrieb er Geschichte, weil er einem Unbekannten eine Niere spendete. »Die Tatsache, dass mein Bruder zweimal ein Organ zur Verfügung stellte, gab es noch nie in Israel«, sagte dazu sein stolzer Bruder, Aviad Gadot.

Rabbiner Yehoyada Amir

»Wir werden geduldig sein«

Der Leiter des neuen Regina Jonas Seminars über die liberale Rabbinerausbildung in Potsdam, einen überfälligen Neuanfang und die Zukunft des liberalen Judentums in Deutschland

von Ayala Goldmann  19.09.2024

Hochschule

»Herausragender Moment für das jüdische Leben in Deutschland«

Unter dem Dach der neuen Nathan Peter Levinson-Stiftung werden künftig liberale und konservative Rabbinerinnen und Rabbiner ausgebildet. Bei der Ausbildung jüdischer Geistlicher wird die Uni Potsdam eng mit der Stiftung zusammenarbeiten

von Imanuel Marcus  17.09.2024

Talmudisches

Lügen aus Gefälligkeit

Die Weisen der Antike diskutierten darüber, wann man von der Wahrheit abweichen darf

von Rabbiner Netanel Olhoeft  13.09.2024

Zedaka

Geben, was uns gegeben wurde

Warum man sich im Monat Elul Gedanken über die Motive der eigenen Wohltätigkeit machen sollte

von Rabbiner Raphael Evers  13.09.2024

Ki Teze

»Hüte dich vor allem Bösen«

Was die Tora über ethisch korrektes Verhalten bei Militäreinsätzen lehrt

von Yonatan Amrani  12.09.2024

Berlin

»Ein bewegender Moment«

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert

Potsdam/Berlin

Neue Stiftung für Ausbildung von Rabbinern nimmt Arbeit auf

Zentralratspräsident Schuster: »Die neue Ausbildung öffnet wichtige internationale Horizonte und Netzwerke innerhalb des liberalen und konservativen Judentums«

von Yvonne Jennerjahn  13.09.2024 Aktualisiert

Schoftim

Das Wort braucht auch die Tat

Warum Gerechtigkeit mehr als nur leeres Gerede sein sollte

von Rabbiner Alexander Nachama  06.09.2024

Talmudisches

Bedürfnisse der Bedürftigen

Was unsere Weisen über zinslose Darlehen lehrten

von Yizhak Ahren  06.09.2024