Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat am Montagnachmittag gemeinsam mit Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt die Generalversammlung der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) eröffnet.
In seiner Begrüßung nannte CER-Präsident Goldschmidt die erste Veranstaltung dieser Art in München ein »historisches Ereignis«. Er erinnerte an die Pogromnacht 1938, die in dieser Stadt geplant und ausgerufen wurde. »Heute, fast 100 Jahre später, sind wir hier und sagen: Es gibt jüdisches Leben in Deutschland und auch eine jüdische Zukunft in Deutschland.«
europa Es gebe auch ein neues Europa, betonte Goldschmidt. Dieses habe verstanden, dass es vereint sein und für den Frieden einstehen müsse. »Wenn wir nicht vereint sind und für die Freiheit kämpfen, wird die Freiheit verschwinden«, sagte er.
Und wenn es in Europa Platz für die jüdische Gemeinschaft geben solle, müsse sichergestellt sein, dass der Kampf gegen Antisemitismus fortgesetzt werde. Doch dies sei nicht genug. Vielmehr seien zur Sicherstellung der jüdischen Zukunft Garantien der Religionsfreiheit notwendig, die Freiheit für Juden, ihre religiöse und nationale Identität ausdrücken zu können.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach von der Notwendigkeit, »sich gegen Antisemitismus zu wenden und gleichzeitig jüdisches Leben zu fördern«.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach von der Notwendigkeit, »sich gegen Antisemitismus zu wenden und gleichzeitig jüdisches Leben zu fördern«. Jeder, der meine, mit antisemitischen Parolen in Bayern auftreten zu können, der müsse die gesamte Härte und Konsequenz des Rechtsstaates erleben, so Söder. »Wir dulden keinen Antisemitismus, und wir schützen jüdisches Leben in Bayern.«
mut Die Rabbiner lobte er für den Mut, sich zu ihrer Religion und Identität zu bekennen, für ihre Werte einzustehen. Dies sei in Zeiten, in denen Religion oft kritisiert werde und sich schwertue, Akzeptanz zu finden, ein wichtiger Beitrag: »Sie geben anderen Hoffnung.« Zugleich warb er dafür, dass die Konferenz dauerhaft in München stattfinden sollte. »Wir garantieren Ihnen Unterstützung, Freundschaft und große Unterstützung für jüdisches Leben.«
Rund 250 jüdische Geistliche sind aus den verschiedenen europäischen Gemeinden nach München gekommen, aber auch zahlreiche Rabbiner aus außereuropäischen Ländern. So stehen auf der Teilnehmerliste Gäste aus Monaco und Marokko, Gibraltar und Guatemala. Auch aus dem Iran ist ein Rabbiner angereist. Und – dies findet bei der Konferenz im Schatten des Krieges in Europa besondere Beachtung – es nehmen auch sieben russische und fünf ukrainische Rabbiner teil.
Am Montagvormittag standen Besuche von 15 Münchner Schulen unter dem Motto »Welcome a Rabbi« auf dem Programm.
Die dreitägige Generalversammlung steht unter dem Motto: »Rabbinische Führung in Zeiten von Pandemie und Krieg«. Neben der Diskussion aktueller und religionsrechtlicher Fragen dient die Konferenz dem Austausch der orthodoxen Gemeinde-, Ober- und Militärrabbiner sowie der Begegnung der religiösen Führungspersönlichkeiten mit politischen Entscheidungsträgern.
Auch nehmen der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, die EU-Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein sowie Ahmed Shaheed, UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit, teil.
FREIHEIT Die bereits am Montag begonnenen Debatten der Generalversammlung werden bestimmt von der Wahrung der Religionsfreiheit, der Bekämpfung von Antisemitismus und Extremismus, dem Schutz jüdischer Gemeinden sowie der Gestaltung des Gemeindelebens nach der Pandemie und in Zeiten des Krieges in der Ukraine. Entsprechend lautet der Untertitel der Generalversammlung: »Der Dienst an G’tt und der Gemeinschaft in einer neuen Realität«.
Am Montagvormittag standen auch Besuche von 15 Münchner Schulen auf dem Programm. Bei der Aktion unter dem Motto »Welcome a Rabbi« sollten Fragen von Schülerinnen und Schülern zum Judentum beantwortet werden. Nur wo Dialog geführt werde, könnten Vorurteile abgebaut werden, hatte der Frankfurter Gemeinderabbiner Avichai Apel zuvor erklärt.
EHRUNG Am Montagabend erhielt dann die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, eine besondere Ehrung: Sie wurde mit dem erstmals vergebenen »CER Presidential Award« für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Die Laudatio hielt Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner. Er betonte, dass Charlotte Knobloch trotz der Erfahrung von Ausgrenzung, Hass und Verfolgung in Deutschland geblieben sei, um dafür zu kämpfen, dass jüdisches Leben hier eine Zukunft habe. »Es ist schwer vorstellbar, welche Kraft und welchen Mut es sie gekostet haben muss, sich dieser Aufgabe zu stellen«, so Döpfner. Er bewundere Charlotte Knobloch, deren Lebensleistung man nicht oft genug würdigen könne.
Mit welcher Normalität hier und heute hunderte Vertreter des europäischen Judentums in dieser Stadt zusammenkommen - das ist historisch.
Charlotte Knobloch
Knobloch dankte für die Würdigung und den Preis der Europäischen Rabbinerkonferenz. Sie verwies darauf, wie lange es unvorstellbar gewesen sei, Treffen einer jüdischen Organisation in Deutschland abzuhalten. »Und wenn ich dann betrachte, mit welcher Normalität hier und heute hunderte Vertreter des europäischen Judentums in dieser Stadt zusammenkommen, dann ist das historisch. Und das ist ein deutliches Zeichen, dass die jüdische Zukunft in Deutschland bereits begonnen hat.«
STÄRKUNG Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, gratulierte der Preisträgerin. In seiner Rede sprach er über die jüdischen Gemeinden, die keine Kultur-, sondern Kultusgemeinden seien. Und wenn die Religiosität in der Gemeinschaft gestärkt werden solle, brauche man dafür Rabbiner.
»Wir brauchen ihren Rat, ihre Weitsicht, aber auch ihre Gelassenheit«, sagte Schuster. Es stelle sich die Frage, wie stark die Religion und der Glaube noch das bindende Element unter Juden bilde. Die Säkularisierung schreite voran. »Ich denke, wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass die jüdische Gemeinschaft weder ihren Kern noch ihren Zusammenhang verlieren.«
Die Tagung endet am Mittwoch mit einem Gedenken an die Opfer der Schoa in der KZ-Gedenkstätte Dachau. ddk
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