Eshet Chayil» auf Reisen: 25 Rabbinerfrauen aus Deutschland und Polen haben sich diesmal für drei Tage in London getroffen. In diesem Sommer besuchten sie gemeinsam Vorträge und Workshops in jüdischen Erziehungs- und Kultureinrichtungen und tauschten sich über ihre Arbeit aus. Das «Eshet Chayil»-Programm wird von Hadassa Halpern vom Rabbinerseminar zu Berlin organisiert. Teilnehmerinnen der regelmäßigen Konferenzen sind Frauen orthodoxer Rabbiner. Sie unterstützen ihre Männer in deren Job aktiv, leisten auf vielfältige Art Gemeindearbeit und erziehen außerdem meist mehrere Kinder.
Am dritten Tag der Konferenz beginnt der Referent, Rabbiner Danny Kirsch, den Morgen mit einem Vortrag über Optimismus. «Ihr müsst spirituell vom Negativen zum Positiven gehen», lehrt er. Alles müsse als willkommene Gelegenheit begrüßt werden, sagt er weiter und erläutert das Thema mit vielen persönlichen Anekdoten, aber auch Zitaten aus der Tora.
Marina Balla hört gebannt zu. Seit sechs Jahren lebt die Frau des Leipziger Gemeinderabbiners Zsolt Balla in der sächsischen Stadt. Sie kennt die meisten der anwesenden Frauen in London, aber bis auf zwei Eshet-Chayil-Konferenzen pro Jahr sehen sie sich selten.
Input In der Pause stellt Marina Balla fest, dass sie «in Deutschland die Lehrerinnen» sind, «hier aber wieder Studentinnen». Sie schätzt die Eshet-Chayil-Konferenzen, weil sie ihr neuen Input für ihre Aufgabe als Rebbetzin geben. London mit seiner lebendigen und großen jüdischen Gemeinschaft sei ein guter Ort hierfür – «selbstverständlicher jüdisch als die kleinen Gemeinden in Deutschland», findet Marina Balla.
Neben dem Erfahrungsaustausch kann sie gemeinsam mit den anderen Frauen auch darüber nachdenken, wie man mehr junge Leute ins religiöse Leben involviert. «Eines meiner Probleme ist, dass ich manche Frauen meiner Gemeinde nur einmal im Jahr sehe», klagt sie. Hier erfährt sie, wie man auch solche Mitglieder miteinbeziehen kann – beispielsweise durch Aufrufe zum Mitbeten per SMS.
Wieder werden die Frauen in den Seminarraum gebeten, wieder steht eine Dozentin bereit. Via Kimche ist eine der erfahrensten Beraterinnen für Rebbetzinnen in England, und natürlich ist sie auch selbst Rebbetzin. Den Frauen werden Texte samt Auslegung von Raschi mit den Worten «Ihr solltet lernen» nahegebracht. Via Kimche will die Frauen inspirieren, damit sie ihre Erfahrung an andere Frauen weitergeben.
Vorbilder Hadassa Halpern, Direktorin des Eshet-Chayil-Programms des Rabbinerseminars zu Berlin, versucht, mit den halbjährlichen Konferenzen praktisches Coaching wie Stimmtraining und seelische Beratung mit Textarbeit und Theorie zu verbinden. Frauen von Rabbinern hätten neben der Pflicht, den Mann zu unterstützen, längst ihre eigene Rolle. Sie seien Vorbilder, die herausgefordert werden müssten, ist sie überzeugt.
Dass ihr Programm Früchte trägt, bewies, so Halpern, vor Kurzem eine junge Rebbetzin, die nach der ersten Eshet-Chayil-Konferenz ein Erziehungsprogramm in ihrer Gemeinde aufstellte, in das eine ganze Gruppe von Frauen involviert war. Halpern organisiert übrigens auch Webinare für die Rebbetzinnen, doch Online-Unterricht kann ein Live-Treffen nicht ersetzen. Und in London seien, «anders als sogar in Berlin, alle Experten innerhalb einer Stunde zu erreichen», betont die Programmdirektorin.
«Einsiedlerin» In der Mittagspause unterhalten sich die Rebbetzinnen auf Deutsch, Russisch und Hebräisch bei Sandwich und Salat in der Bibliothek einer Synagoge. An einem der Tische sitzt Elischewa Kochan. Sie lebt mit ihrem Mann Benjamin Kochan, dem Landesrabbiner von Thüringen, in Erfurt. Elischewa Kochan fühlt sich ein wenig als Einsiedlerin, was das jüdisch-orthodoxe Leben in Deutschland angeht, und findet dennoch lobende Worte: «Die Hilfe, beispielsweise vom städtischen Kindergarten in Erfurt, damit meine beiden Kinder koscher essen können, ist bemerkenswert», sagt sie.
Kochan ist zum vierten Mal bei einer Eshet-Chayil-Konferenz, allerdings das erste Mal als Rebbetzin. «Wir werden wirklich gebraucht», sagt sie über ihre neue Aufgabe. Bei dem Treffen erfuhr sie nicht nur Praktisches, sondern auch Rückhalt, wie sie sagt: zum Beispiel, dass es durchaus in Ordnung sei, die eigenen Kinder in den Vordergrund zu stellen oder das Studieren aufgrund der Bedürfnisse der Kleinen zu unterbrechen.
«Man weiß alleine nicht, ob man zu wenig oder zu viel tut», gesteht sie. Dennoch sieht sie sich ihrer Gemeinde vollkommen verpflichtet: «Wenn eine Gemeinde heutzutage einen Rabbiner anstellt, stellt sie auch seine Frau an», witzelt sie und meint es doch sehr ernst.