Das modernhebräische Wort für Gelb, zahov, hat seinen Ursprung in der Tora, wo es allerdings nur einmal vorkommt. Es bezeichnet dort die Haarfarbe eines von einer Hautkrankheit am Kopf befallenen Menschen (3. Buch Mose 13,30). In der Partizipform muzhav beschreibt es im Buch Esra den schimmernden Glanz prächtiger Kupferbecher (8,27).
Gebräuchlicher ist in der Tora das Wort »jarok«. Doch das bedeutet nicht nur gelb, sondern heißt eigentlich »blass« und steht für »hellblau« und »grün«. Im Talmud (Traktat Nidda) werden sowohl gelbe Dinge wie Krokusse als auch grüne wie Myrtenzweige so benannt. Im modernen Hebräisch heißt »jarok« jedoch ausschließlich »grün«.
Symbolik In der jüdischen Mystik und Symbolik gehört Gelb nicht zu den wichtigen Farben. Im Verlaufe der jahrhundertelangen Geschichte brachte es diese Farbe dennoch zu einer gewissen, wenn auch sehr düsteren Bedeutung.
Auf Venus, die römische Göttin der Liebe und Erotik, die häufig im gelben Gewand dargestellt wurde, geht wohl der mittelalterliche Brauch zurück, Prostituierte zu verpflichten, ein gelbes Band, einen gelben Gürtel oder einen gelben Umhang zu tragen.
Die mittelalterliche Symbolik von Gelb als Farbe des Ekels und der Schande sowie die Kennzeichnung der Juden mit der gelben Kleidung im islamischen Herrschaftsbereich mögen die Inspiration für die jahrhundertelange Praxis des gelben Flecks als Instrument der Ausgrenzung der Juden im christlichen Europa gewesen sein.
Stigma Im Jahre 1215 erließ ein Konzil unter Papst Innozenz III. die Vorschrift, Juden durch ihre Kleidung kenntlich zu machen, um (sexuellen) Kontakt zu Christen zu vermeiden. In weiten Bereichen Italiens, Frankreichs und Deutschlands setzte sich danach ein gelber Punkt oder Ring als offizielles Stigma für jüdische Männer durch.
In manchen Städten, wie im italienischen Urbino, mussten sich jüdische Frauen in gelbe Schals oder Gewänder hüllen. Auf mittelalterlichen Gemälden ähneln sich Darstellungen von Jüdinnen und Prostituierten zum Teil erheblich. So malte der italienische Meister Paolo Uccello (1397–1475) in seinem Werk eine jüdische Frau in der gelben Tracht der Prostituierten.
Der gelbe Ring oder Fleck, den die Männer tragen mussten, kann wegen einer vagen Ähnlichkeit zu einer Goldmünze als Anspielung auf die als Wucher bezeichneten Geldgeschäfte verstanden werden, die den Juden neben dem Handel als einziges Gewerbe erlaubt waren.
Manche deuten die Münzmetapher aber auch als Verweis auf Judas’ Verrat an Jesus, für den er 30 Silberlinge bekommen haben soll. Christen identifizierten im Mittelalter die Person des Judas häufig mit der jüdischen Bevölkerung ihrer Zeit. In der Sakralkunst sowie im Passionsspiel wurde Judas als geldgieriger, hakennasiger Leugner des Gottessohnes dargestellt, häufig mit gelbem Mantel oder Abzeichen.
An die finstere Bildsprache der mittelalterlichen Judasdarstellungen knüpfte die Propaganda der Nationalsozialisten in ihren Karikaturen nahtlos an. So erlebte das gelbe Stigma in Sternform im Dritten Reich ebenso seine Renaissance wie die Judasdarstellungen.
Innerhalb der jüdischen Gemeinschaft sorgt ein Stück gelber Stoff seit den 90er-Jahren für Kontroversen. Seit dem Tod des siebten Lubawitscher Rebben Menachem Mendel Schneerson 1994 ist ein Teil seiner Anhänger davon überzeugt, in ihm sei HaMaschiach, der Messias, erschienen. Diese Ansicht wird heute von allen jüdischen Autoritäten einschließlich der Führung von Chabad abgelehnt. Das Symbol seiner Anhänger jedoch, die als »Meschichisten« bezeichnet werden, ist eine Fahne, die eine blaue Krone auf strahlend gelbem Grund und das in rot geschriebene Wort Maschiach zeigt.