Dem Thema Glaube und Gemeinschaft widmete sich Rabbiner Ari Berman am Mittwochabend im Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin. Der Präsident der Yeshiva University sprach im Rahmen der Hildesheimer Vortragsreihe, die vom Rabbinerseminar zu Berlin und den Berliner Studien zum Jüdischen Recht veranstaltet wird.
Berman beleuchtete die Beziehung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaften im traditionellen jüdischen Denken und verwies dabei unter anderem auf Quellen aus Tora und Talmud. Er beschrieb die Entwicklung einer rabbinischen Idee der Gemeinschaft zwischen Juden und Nichtjuden.
Dabei spannte er zunächst den Bogen vom historischen Antisemitismus bis zum aktuellen Judenhass und dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober des vergangenen Jahres. »Dies ist eine Geschichte voller Herausforderungen und Fallstricke, voller Kämpfe und sogar Tragödien«, meinte Berman. »Aber im Grunde ist es auch eine Geschichte der Hoffnung und des Optimismus.«
Er schilderte den Dialog zwischen einem Rabbiner und einem Erzbischof im Frankreich des Hochmittelalters, bei dem der jüdische Geistliche seinem christlichen Gegenüber verdeutlichte, dass es auf eine gemeinsame Moral ankomme: »Wir wissen, dass Sie einen moralischen Kodex haben, für den Sie einstehen, und dass Sie dieselben Werte mit uns teilen. Deshalb sind wir eine Glaubensgemeinschaft, und das macht uns zu einer Gemeinschaft.«
Angesichts der aktuellen Situation in der Welt verdeutlichte Berman, dass dies ein Modell sei, auf das man zurückgreifen könne. Es zeige, wie Allianzen geschmiedet werden können. Das jüdische Volk sehe er heute als Vorbild für universelles Verständnis und Koexistenz.
Es werde oft über Antisemitismus gesprochen. Dieser sei real und müsse mit allen Mitteln bekämpft werden. »Aber anstatt unsere Einzigartigkeit zu verbergen, müssen wir unsere Andersartigkeit nutzen, um diejenigen zu finden, die Unterschiede respektieren, um die Partner zu finden, die sich uns mit ihrer eigenen Identität anschließen, um eine bessere Welt zu schaffen.« Das sei die Chance von heute. »Die Saat der Erlösung wird in Zeiten der Dunkelheit gesät. Und wenn wir zusammenarbeiten, werden wir die Früchte einer Gesellschaft voller Liebe, Hoffnung und Versprechen ernten,« sagte Rabbi Berman.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bezeichnete Berman in seiner kurzen Rede als einen Visionär, der maßgeblich zur Gestaltung der Yeshiva University und zur Schaffung der Grundlage für das modern-orthodoxe Denken beigetragen habe. Darüber hinaus habe sich Berman in den vergangenen Monaten besonders für jüdisches Leben inmitten der Gesellschaft engagiert. Dies sei insbesondere in Zeiten großer Dunkelheit wichtig. »Wir brauchen die Suche nach Licht. Berman hat dies zu seiner Mission gemacht«, so Schuster.
Ari Berman ist seit 2017 Präsident der 1866 gegründeten Yeshiva University, einer privaten jüdischen Universität in New York/USA. Sie steht nach eigenen Angaben an der Schnittstelle zwischen Tradition und Pioniergeist. Betont wird dabei das Konzept von »Tora uMadda« (Tora und Wissenschaft), das jüdisches mit säkularem Lernen verbindet. So bietet die Hochschule Rabbinatsstudien an, zugleich aber auch Unterricht in Wirtschaft, Mathematik, Psychologie und Informatik.
Die Hildesheimer Vortragsreihe wird seit 2013 veranstaltet. Verschiedene namhafte Gelehrte, darunter der ehemalige britische Oberrabbiner Jonathan Sacks sel. A., waren bereits zu Gast. Die Reihe erinnert an Rabbiner Esriel Hildesheimer (1820–1899), der 1873 das erste orthodoxe Rabbinerseminar in Berlin gründete. Der Zentralrat der Juden hat gemeinsam mit der Lauder Foundation das 1938 von den Nazis gewaltsam geschlossene Rabbinerseminar im Jahr 2009 neu gegründet.
Weitere Redner des Abends des Hildesheimer Vortrages 2024 waren der Vizepräsident der Humboldt-Universität, Niels Helle-Meyer, der Sprecher der Berliner Studien zum Jüdischen Recht, Martin Heger, sowie Rabbiner Avichai Apel, Vorstand des Rabbinerseminars.