Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Dem Thema Glaube und Gemeinschaft widmete sich Rabbiner Ari Berman am Mittwochabend im Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin. Der Präsident der Yeshiva University sprach im Rahmen der Hildesheimer Vortragsreihe, die vom Rabbinerseminar zu Berlin und den Berliner Studien zum Jüdischen Recht veranstaltet wird.

Berman beleuchtete die Beziehung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaften im traditionellen jüdischen Denken und verwies dabei unter anderem auf Quellen aus Tora und Talmud. Er beschrieb die Entwicklung einer rabbinischen Idee der Gemeinschaft zwischen Juden und Nichtjuden.

Dabei spannte er zunächst den Bogen vom historischen Antisemitismus bis zum aktuellen Judenhass und dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober des vergangenen Jahres. »Dies ist eine Geschichte voller Herausforderungen und Fallstricke, voller Kämpfe und sogar Tragödien«, meinte Berman. »Aber im Grunde ist es auch eine Geschichte der Hoffnung und des Optimismus.«

Er schilderte den Dialog zwischen einem Rabbiner und einem Erzbischof im Frankreich des Hochmittelalters, bei dem der jüdische Geistliche seinem christlichen Gegenüber verdeutlichte, dass es auf eine gemeinsame Moral ankomme: »Wir wissen, dass Sie einen moralischen Kodex haben, für den Sie einstehen, und dass Sie dieselben Werte mit uns teilen. Deshalb sind wir eine Glaubensgemeinschaft, und das macht uns zu einer Gemeinschaft.«

Angesichts der aktuellen Situation in der Welt verdeutlichte Berman, dass dies ein Modell sei, auf das man zurückgreifen könne. Es zeige, wie Allianzen geschmiedet werden können. Das jüdische Volk sehe er heute als Vorbild für universelles Verständnis und Koexistenz.

Es werde oft über Antisemitismus gesprochen. Dieser sei real und müsse mit allen Mitteln bekämpft werden. »Aber anstatt unsere Einzigartigkeit zu verbergen, müssen wir unsere Andersartigkeit nutzen, um diejenigen zu finden, die Unterschiede respektieren, um die Partner zu finden, die sich uns mit ihrer eigenen Identität anschließen, um eine bessere Welt zu schaffen.« Das sei die Chance von heute. »Die Saat der Erlösung wird in Zeiten der Dunkelheit gesät. Und wenn wir zusammenarbeiten, werden wir die Früchte einer Gesellschaft voller Liebe, Hoffnung und Versprechen ernten,« sagte Rabbi Berman.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bezeichnete Berman in seiner kurzen Rede als einen Visionär, der maßgeblich zur Gestaltung der Yeshiva University und zur Schaffung der Grundlage für das modern-orthodoxe Denken beigetragen habe. Darüber hinaus habe sich Berman in den vergangenen Monaten besonders für jüdisches Leben inmitten der Gesellschaft engagiert. Dies sei insbesondere in Zeiten großer Dunkelheit wichtig. »Wir brauchen die Suche nach Licht. Berman hat dies zu seiner Mission gemacht«, so Schuster.

Ari Berman ist seit 2017 Präsident der 1866 gegründeten Yeshiva University, einer privaten jüdischen Universität in New York/USA. Sie steht nach eigenen Angaben an der Schnittstelle zwischen Tradition und Pioniergeist. Betont wird dabei das Konzept von »Tora uMadda« (Tora und Wissenschaft), das jüdisches mit säkularem Lernen verbindet. So bietet die Hochschule Rabbinatsstudien an, zugleich aber auch Unterricht in Wirtschaft, Mathematik, Psychologie und Informatik.

Die Hildesheimer Vortragsreihe wird seit 2013 veranstaltet. Verschiedene namhafte Gelehrte, darunter der ehemalige britische Oberrabbiner Jonathan Sacks sel. A., waren bereits zu Gast. Die Reihe erinnert an Rabbiner Esriel Hildesheimer (1820–1899), der 1873 das erste orthodoxe Rabbinerseminar in Berlin gründete. Der Zentralrat der Juden hat gemeinsam mit der Lauder Foundation das 1938 von den Nazis gewaltsam geschlossene Rabbinerseminar im Jahr 2009 neu gegründet.

Weitere Redner des Abends des Hildesheimer Vortrages 2024 waren der Vizepräsident der Humboldt-Universität, Niels Helle-Meyer, der Sprecher der Berliner Studien zum Jüdischen Recht, Martin Heger, sowie Rabbiner Avichai Apel, Vorstand des Rabbinerseminars.

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Feiertage

Pessach ist das jüdische Fest der Freiheit - und der Frauen

Die Rolle und Verdienste von Frauen würdigen - dafür ist Pessach eine gute Gelegenheit, sagen Rabbinerinnen. Warum sie das meinen und welchen Ausdruck diese Perspektive findet

von Leticia Witte  11.04.2025

Exodus

Alle, die mit uns kamen …

Mit den Israeliten zogen noch andere »Fremde« aus Ägypten. Was wissen wir über sie?

von Sophie Bigot Goldblum  11.04.2025

Zaw

Das Volk der Drei

Warum zwischen Priestern, Leviten und gewöhnlichen Israeliten unterschieden wurde

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  11.04.2025

Stärke

An den Prinzipien festhalten

In der Haggada heißt es, dass Juden in jeder Generation Feinde haben werden. Klingt entmutigend? Soll es nicht!

von Rabbiner Raphael Evers  11.04.2025

Talmudisches

Ägypten

Was unsere Weisen über das Land des Auszugs der Israeliten lehrten

von Chajm Guski  11.04.2025

Chametz-Verkauf

Der etwas andere Broterwerb

Juden dürfen an Pessach gesäuertes Getreide weder essen noch besitzen. Das führte in der Geschichte zu existenzbedrohenden Problemen. Die Rabbiner fanden kreative Lösungen

von Rabbiner Dovid Gernetz  10.04.2025

Talmudisches

Birkat HaIlanot

Warum für unsere Weisen mit dem Anblick der blühenden Bäume nicht nur eine visuelle Freude verbunden ist

von Rabbinerin Yael Deusel  04.04.2025

Geschichte

Das Rätsel der christlichen Kabbala

In einer Dorfkirche im Schwarzwald hängt ein außergewöhnliches Gemälde. Unser Autor ist hingefahren, um die evangelische Sicht auf die jüdische Mystik zu verstehen

von Valentin Schmid  04.04.2025