Herr Rabbiner, Sie haben Rosch Haschana und Jom Kippur auf der US-Militärbasis in Grafenwöhr (Bayern) verbracht. Wie muss man sich die Feiertage dort vorstellen?
Wir haben Minjanim und begehen die Feiertage, wie es sich gehört. Die US-Armee sorgt für Soldaten aller Glaubensrichtungen. Sie respektiert die Religionen wie keine andere Armee dieser Welt. Für Juden gibt es zu Rosch Haschana Wein, Challa, Äpfel und Honig. Wie in Grafenwöhr ha-
ben wir Räume für unsere Gottesdienste. An anderen Standorten treffen wir uns in Zelten zum Gebet.
Wo feiern Sie Sukkot?
Diesmal nicht unterwegs, sondern zu Hause in Brooklyn/New York. Aber normalerweise bin ich auch an den Feiertagen unterwegs.
Haben Sie dann stets die für die Feiertage notwendigen Utensilien dabei?
Ja klar. Manches ist schon vor Ort, wie zum Beispiel Torarollen, die gibt es sogar bei unseren Truppen in Afghanistan und im Irak. Andere wichtige Dinge werden herbeigeschafft. Die Armee sorgt dafür, wenn wir zum Beispiel Lulav und Etrog zu Sukkot oder bestimmtes Material für die Laubhütte brauchen.
Sie haben während ihrer 33-jährigen Dienstzeit bestimmt ganz besondere Laubhüttenfeste erlebt, oder?
Ja, eines zum Beispiel am Ground Zero. Ich war unmittelbar nach den Terroranschlägen in New York, habe dann viereinhalb Monate lang die Bergungsarbeiten begleitet, im Dienst der Armee. Und in dieser Zeit hatten wir auch eine Laubhütte vor Ort. Ich habe schon viele Feiertage in Kriegsgebieten verbracht – zum Beispiel Pessach in Afghanistan –, aber Sukkot am Ground Zero war besonders schwer. Unvergesslich war auch das Laubhüttenfest 2003: Damals habe ich für die Soldaten, die aus dem Irak über die Feiertage nicht nach Hause konnten, eine wunderschöne Sukka im Palast von Saddam Hussein, mitten in Bagdad, aufgebaut.
Was ist ihre Aufgabe als Chief Chaplain?
Ich bin sozusagen der kommandierende Geistliche der US-Army, der Beauftragte für den jüdischen Glauben. Die Armee lehrt dich nicht die Religion, sie bringt dir bei, ein guter Soldat zu werden. Aber das Spirituelle ist dabei eben auch sehr wichtig. Ich gehöre einer Unterstützungseinheit an, unser Hauptquartier ist in Fort Buchanan, Puerto Rico, in der Karibik. Von dort aus kümmere ich mich um alle jüdisch-religiösen Fragen, auch um die koschere Versorgung. Wir haben zum Beispiel für unsere kämpfende Truppe 16 verschiedene koschere Mahlzeiten für unterwegs zusammengestellt.
Wie viele jüdische Soldaten gehören der US-Army an?
Kann ich nicht sagen. Zahlen sind ein operatives Geheimnis, darüber sprechen wir nicht.
Was führte Sie jetzt nach Berlin?
Ich bin nur für einen kurzen eintägigen Besuch gekommen. Zum einen wollte ich die Stadt wiedersehen, denn ich war schon 1989 hier, als die Mauer fiel. Und dann bin ich mit Rabbiner Yehuda Teichtal verwandt. Ich wollte mir die Arbeit des Jüdischen Bildungszentrums anschauen. Es ist unglaublich, was hier aufgebaut wurde. Wir haben über jüdische Bildungsprogramme gesprochen, die wir in Kooperation mit Chabad für unsere Soldaten hier in Deutschland einrichten können.
Mit dem Chief-Chaplain der US-Armee sprach Detlef David Kauschke.