Frau Kleiner, im Jüdischen Museum München ist derzeit die Ausstellung »Glaubst Du an den bösen Blick?« zu sehen. Glauben Sie an den bösen Blick?
Nein. Mir geht es eher um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema.
Seit wann gibt es diesen Aberglauben?
Den gibt es ja nicht nur im Judentum, sondern in mehreren Kulturen. Die Tradition reicht lange zurück, wissenschaftlich ist das allerdings nicht genau datiert.
Was sagt das rabbinische Judentum dazu?
Es gab unterschiedliche Stimmen zu verschiedenen Zeiten. Maimonides beispielsweise sprach sich ausdrücklich gegen den Gebrauch von Amuletten aus. Aber grundsätzlich wurde dieser Volksglaube von den Rabbinern überwiegend toleriert.
In der Ausstellung wird ein Beschneidungsamulett gezeigt. Was hat es damit auf sich?
Dieses Beschneidungsamulett aus dem 19. Jahrhundert ist der Ausgangspunkt der Ausstellung. Es kam 2007 durch eine Schenkung in unserer Sammlung.
Welche Kraft wurde ihm zugesprochen?
Das steht in Verbindung zu dem Glauben, dass Lilith, die im Talmud als erste Frau bezeichnet wird, nach dem Leben von Säuglingen trachtet. Es heißt, dass sie als Mutter zahlreicher Dämonen mehr an männlichen Säuglingen interessiert ist. Das Neugeborene sollte bis zur Beschneidung vor bösen Geistern geschützt werden.
Sie zeigen in der Ausstellung auch die Hamsa, die schützende Hand?
Juden, die in der islamischen Kultur lebten, haben einiges von ihr übernommen. An den Mustern und der Ornamentik der Amulette ist das zu sehen, wie auch an dem Motiv der schützenden Hand. Hingegen ist die Gestaltung der Papieramulette des aschkenasischen Judentums eher nüchtern.
Zeigen die roten Bändchen, die zum Beispiel moderne Kabbalisten vertreiben, dass der Volksglaube immer noch aktuell ist?
Ja, wir stellen in der Ausstellung alte Amulette den Gegenwartsamuletten gegenüber. Wir zeigen zum Beispiel eines der Hamsa-Handamulette, die in Israel vor allem Touristen zum Kauf angeboten werden. Ich denke, die Menschen heute glauben nicht so fest daran, aber meinen, dass so ein rotes Bändchen ja auch nicht schadet.
Das Gespräch führte David Kauschke.
Piritta Kleiner ist Kuratorin der Ausstellung, die noch bis November im Jüdischen Museum München zu sehen ist.
www.juedisches-museum-muenchen.de