Ljuba ist eine Bekannte meiner Frau. Sie suchte einen jüdischen Mann. Eines Tages fragte sie meine Frau, wo sie denn mich gefunden habe. Es schmeichelte mir, dass ich als gute Referenz galt. »In der Synagoge«, antwortete meine Frau wahrheitsgemäß und knapp. (Wenn Sie mich fragen, war ich es, der meine Frau dort gefunden hat, nicht umgekehrt.)
Spielfeld Die Synagoge kam also jetzt für Ljuba als ernsthafte Option infrage. Dabei, so nahm ich an, sollte es ihr eigentlich nicht schwerfallen, jemanden zu finden – oder sich finden zu lassen. Seien wir ehrlich: In den meisten Fällen macht doch die Frau den ersten Schritt. Emanzipation hin oder her. Nach manchen Regeln wird eben dauerhaft gespielt. Die werden nicht mal eben so geändert. Auch wenn Frauen und Männer in einigen Synagogen zusammensitzen, bleibt alles beim Alten. Das Spielfeld mag verändert sein, die Regeln bleiben.
Ljuba sieht nicht übel aus. Aber ich möchte das nicht näher ausführen, denn ich bin verheiratet. Und als Ehemann achte ich überhaupt nicht auf solche Dinge, ich nehme sie einfach nicht wahr. (Meine Frau liest diesen Artikel.)
Wenn ich darauf achten würde, müsste ich sagen: »Ljuba sieht sehr gut aus und ist wohlproportioniert.« Aber wie gesagt: Ich kann das nicht beurteilen, überhaupt nicht. Ich bin verheiratet. (Und: Meine Frau liest diesen Text.)
Zuvor hat Ljuba eher indirekt nach einem jüdischen Mann gesucht und nicht an Orten, wo man jüdische Männer gemeinhin vermutet: Jeschiwa, Synagoge, Krankenhauskantine, Anwaltskanzlei. »Indirekt« heißt, sie hat ein paar Männer getestet und dann geschaut, ob sie jüdisch sind. Mindestens ein Vertreter jeder anderen Weltreligion war aber vermutlich schon dabei, sodass Ljuba dann irgendwann einfach einen Treffer landen musste. Das erforderte natürlich eine entsprechend große Versuchsgruppe, die sie der riesigen Menge lediger (und unlediger) Männer entnehmen musste.
Nun also die Synagoge. Die erste Veranstaltung in der Gemeinde sei kein Gewinn gewesen, meinte Ljuba. Man habe sie von der Seite angesprochen. Dabei hätte sie der Bursche überhaupt nicht gekannt. Hätte nach ihrem Namen gefragt, erzählte sie außer sich. Meine Frau und ich blickten uns ratlos an.
Oper Bei einem anderen Kandidaten sahen wir nur, dass Ljuba sich eine Weile gut mit ihm unterhielt – bis sie mit dem Zeigefinger gegen ihre Stirn tippte und sich hastig wegdrehte. Was wollte er? Hat er sie belästigt? Ich schob die Ärmel hoch, wollte einschreiten. »Hat der mich doch glatt gefragt, ob wir gemeinsam in die Oper gehen«, sagte sie entrüstet. »Dabei kennt er mich doch erst eine halbe Stunde!«
Oh weh! So konnte das nichts werden. Die Märchenprinzen waren für Ljuba Frösche mit Kippa. Dennoch blieb sie hartnäckig und ging schließlich doch noch mit jemandem aus. Der Bursche sah nett aus. Ich kannte ihn nicht. Kabbalat Schabbat sprach sie ihn an. Inzwischen haben sie sich schon mehrmals getroffen. Aber wie sich gezeigt hat, war er nur ein einziges Mal in der Synagoge. Das Priesterseminar hatte eine Exkursion dahin gemacht.