Würde ich eine Sukkot-Parodie schreiben, könnte ich mir folgende Einleitung vorstellen: »Und Mose sprach zu den Kindern Israels: Erst warten wir ab, bis der Sommer vorbei ist, bis die Ernte endlich hereingebracht ist und die Hohen Feiertage vorbei sind.
Und dann, im ersten Regenguss des Herbstes, sollt ihr eine Woche draußen sitzen und das Wetter genießen. Und während ihr in den Strohhütten sitzt und friert, könnt ihr gemütlich darüber debattieren, wie viele Wände die Sukka haben und wie dick der Schach sein muss, damit ihr die Sterne sehen könnt, obwohl euch der Regen in die Augen tropft. Aber vergesst ja nicht, dabei fröhlich zu sein!«
Das ist natürlich nicht das, was in der Tora steht. Aber viele Juden in der Diaspora empfinden das Sukkotfest leider so. Sich in einer Laubhütte aufzuhalten, ist – mit Verlaub – kein Urlaub, wenn ich mir dieses Wortspiel erlauben darf. Eigentlich soll man in der Sukka sogar übernachten.
Wirbelstürme Aber seien wir ehrlich, wer möchte sich wegen der jüdischen Feiertage eine Lungenentzündung holen?
War das immer so? Ich kann mich erinnern, dass ich als Rabbiner in England mehrmals am Tag vor Sukkot schnell die Laubhütte in meinem Garten in Leeds stärker befestigen oder sogar ganz auseinandernehmen und die einzelnen Teile und den Schmuck retten musste, weil im Radio eine dringende Warnung lief und »Wirbelstürme über Nordengland« vorausgesagt wurden.
Später, als ich Rabbiner auf der karibischen Insel Aruba war, hatten wir einen Bungalow neben der Synagoge. Dort bauten wir mit großer Freude eine schöne Sukka aus Palmenblättern – bis ein Sturm heraufzog, am ersten Tag des Festes. In Aruba herrscht normalerweise relativ mildes Wetter, die großen Stürme kommen nur ausnahmsweise dorthin – aber wann genau war diese Ausnahme? Richtig, in meinem ersten Jahr auf Aruba an Sukkot! Alles kaputt, innerhalb von zehn Minuten! Ich konnte dem Gemeindevorstand nur erklären: »Sie haben einen englischen Rabbiner importiert, und er hat englisches Wetter mitgebracht.«
In der Sukka einer Londoner Synagoge haben die Beter einmal vorsichtshalber eine durchsichtige Decke aus Kunststoff auf das Dach gelegt. Halachisch war das fragwürdig, obwohl man die Sterne theoretisch hätte sehen können, wenn die Wolken es erlaubt hätten. Aber die Frage war nicht nur theoretisch – denn das Gewicht des Wassers, das sich in der ersten Nacht auf dieser Decke gesammelt hatte, war so enorm, dass die Sukka fast zusammengebrochen ist. Und ich musste vor dem Morgengottesdienst schnell mit einem Bleistift so viele Löcher wie möglich in die Decke stechen, damit das Wasser ablief.
Meditation Es hat mich immer interessiert, warum Sukkot kurz nach den Hohen Feiertagen liegt. Hätte ich die Tora geschrieben, hätte ich das andersherum gelegt – erst Erntedank und Feierlichkeiten und dann Zeit für Reue, Inbrunst, Meditation und Gebet. Es ist außerdem ein Problem, ein Erntedankfest aus der Tora von einem Breitengrad auf einen anderen zu transportieren. Übrigens gibt es auch Probleme, wenn das Wetter an Sukkot noch sommerlich ist, denn dann kommen die Wespen und genießen die schön geschmückte Sukka, während die Kinder schreiend und weinend davonlaufen.
Also, Sukkot als Erntedank funktioniert bei uns nicht richtig. Glücklicherweise haben wir einen zweiten symbolischen Grund für dieses Fest: Sukkot als Erinnerung an schlechte Zeiten, als wir Juden in Baracken leben mussten oder in DP-Lagern, in provisorischen Nachkriegshütten, in »Kabusim«– alten Güterwagen, die als »Maabara« für Neueinwanderer in Israel dienten. Wir kennen Hütten nicht nur, weil die Israeliten durch die Wüste zogen.
Wenn man in der Sukka sitzt, friert und frustriert ist, weil die symbolische Wohnung uns nicht richtig schützt, dann bekommt man ein Gefühl dafür, wie es ist, obdachlos oder Flüchtling zu sein. Von diesen gibt es zu viele, als dass man Witze darüber machen könnte. Ein Haus ist nur ein Provisorium in einer Welt, die sich ständig ändert. Darum hat Sukkot heute gerade in Europa eine besondere Bedeutung.