Fast 80 Jahre nach der Ordination von Regina Jonas, der weltweit ersten Rabbinerin, veranstaltet das Abraham Geiger Kolleg (AGK) noch bis Donnerstag dieser Woche eine dreitägige Konferenz zum Thema »Die Rolle von Frauen in Führungspositionen in religiösen Gemeinschaften – 80 Jahre Frauen im Rabbinat«.
Zur Eröffnung der Konferenz am Dienstagabend im Berliner Centrum Judaicum kamen etwa 180 Gäste, darunter auch die israelische Botschafterin in Polen, Anna Azari, und Denise Eger, Präsidentin der Central Conference of American Rabbis.
Veränderung In ihrem Eröffnungsvortrag sagte Rachel Elior, Professorin für Jüdische Philosophie an der Hebräischen Universität Jerusalem laut Manuskript, in der Welt der Orthodoxie spiele sich derzeit in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern eine tiefgreifende Veränderung ab. Sie habe damit begonnen, dass Rabbiner sich davon überzeugen ließen, dass Frauen, die den Talmud studieren, nicht gegen das Regelwerk der Halacha verstießen, stellte Rachel Elior fest.
Die ersten Studiersäle für Frauen seien 1977 gegründet worden. Seitdem Frauen begonnen hätten, auf diese Art und Weise Tora zu lernen, habe der Feminismus auch innerhalb der observanten Welt Gestalt angenommen, so Elior. Frauen versuchten, in die Welt der Männer vorzudringen und in das bestehende religiöse Leben integriert zu werden, von dem sie bislang ausgeschlossen gewesen seien. Zweitens strebten Frauen danach, eine separate, weibliche Version des Gottesdienstes zu erfinden, sagte die Expertin für jüdische Philosophie weiter.
Bedrohung »Es ist nicht überraschend, dass Rabbiner dazu neigen, Vertreterinnen der zweiten Strömung zu ermutigen, in der unabhängige und separate weibliche Ausdrücke von Religiosität erfunden werden, aber dass die Geistlichen die ›integrative‹ Strömung ablehnen, die die männliche Exklusivität im halachischen Leben, in der Welt des Torastudiums und in der religiösen Führung bedroht«, kritisierte Rachel Elior.
Auf dem Programm der Konferenz des AGK standen neben der Beschäftigung mit dem Erbe von Regina Jonas auch der Einfluss von Frauen im Rabbinat und in geistlichen Ämtern, der interreligiöse Dialog zwischen Frauen und die Situation jüdischer Frauen in Israel, Polen und anderen Ländern. Auch die Anschläge von Paris waren Thema. Unter den Teilnehmern war ein deutliches Bedürfnis spürbar, als Reaktion auf den Terror den inneren Zusammenhalt zu stärken.
Filmpremiere Kurz vor Beginn der Konferenz des AGK hatte der Film Regina Jonas – die erste Rabbinerin der Welt am Sonntagabend in Berlin seine deutsche Premiere. Die Dokumentation zeichnet anhand von Briefen und Zeitzeugenberichten den Werdegang der gebürtigen Berlinerin nach.
Regina Jonas war am 27. Dezember 1935 vom Liberalen Rabbinerverband in Deutschland ordiniert worden. Die Regisseurin des Films, Diana Groó, wollte am Mittwoch während der Konferenz des Geiger-Kollegs bei einem gemeinsamen Panel mit Rabbinerin Elisa Klapheck und der Theologin Katharina von Kellenbach über die Wiederentdeckung von Regina Jonas sprechen.
Dass Regina Jonas, die lange in Vergessenheit geraten war, heute wieder bekannt ist, ist vor allem Katharina von Kellenbach zu verdanken. Sie stellte 1991 erstmals Nachforschungen über die erste Rabbinerin an und fand zahlreiche Dokumente im Berliner Centrum Judaicum.
Dokumente Diese Dokumente, sagte Kellenbach bei der Filmpremiere, hätten den Krieg nur überstanden, weil sich die junge Rabbinerin der Gefahr, aus der Geschichte gelöscht zu werden, bewusst gewesen sein muss: »Eine Woche vor ihrer Deportation nach Theresienstadt hat Regina Jonas all ihre Dokumente einem Archiv anvertraut.« So habe sich auch das einzige Foto der Rabbinerin erhalten, das im Film als wiederkehrendes Motiv zu sehen ist.
Produziert wurde die Dokumentation von George Weisz (86). Seine Tochter, die bekannte Schauspielerin Rachel Weisz, lieh Regina Jonas für die englische Version der ungarisch-englisch-deutschen Koproduktion ihre Stimme. Die Stimme für die deutsche Fassung kam von der Schauspielerin Martina Gedeck. Bei der Vorstellung des Films im Kino »Filmkunst 66« sagte Produzent Weisz, er freue sich, dass Regina Jonas durch die Dokumentation wieder in ihre Heimatstadt Berlin zurückgekehrt sei: »Ich habe das Gefühl, sie ist endlich nach Hause gekommen.«