Im modernen Israel ist der Abend von Lag BaOmer ein Abend mit Lagerfeuern. Eine häufige Erklärung dafür ist, dass diese Feuer an Rabbi Schimon Bar Jochai (kurz »Raschbi«) erinnern. Er habe mit seinen Lehren, insbesondere dem »Sohar«, himmlisches Licht auf die Erde geholt. Die Feuer könnten aber auch an die Signalfeuer der Kämpfer des Bar-Kochba-Aufstands erinnern.
Jene Kämpfer, die sich Schimon Bar Kochba anschlossen, wollten dafür kämpfen, dass auch das »Licht der Tora« weiter in Israel leuchten kann, und kämpften gegen Rom. In beiden Fällen geht es um Licht. »Licht« ist allerdings nur ein Aspekt von Feuer. Rabbiner Aharon Soloveitchik hat in seinem Buch Logic of the Heart, Logic of the Mind beschrieben, dass Feuer drei Aspekte in sich vereine: Es spende zum einen Licht.
Es erzeuge aber auch Wärme und spende somit auch eine Form der Geborgenheit und mache Leben, ja mithin Kultur, möglich. Feuer hat jedoch auch, drittens, das Potenzial für Zerstörung – jedenfalls, wenn es außer Kontrolle gerät. Es beinhalte, schreibt Rabbiner Soloveitchik, destruktive und konstruktive Kräfte. Zu dem Toravers »Ihr sollt kein Feuer in allen euren Wohnstätten am Tage des Schabbats anzünden« (2. Buch Mose 35,2) kommentiert Rabbiner Owadja ben Jaakow Seforno im späten Mittelalter, dass das Anzünden eines Feuers keine »produktive«, sondern eine zerstörerische Tätigkeit sei.
In der Tora rafft Feuer ganze Städte dahin – oder brennt ewig.
Feuer kann also bei konstruktiven Tätigkeiten genutzt werden, wie Brot backen, Nahrung zubereiten, Eisen schmieden und vielen anderen mehr, aber es kann auch ganze Häuser und Städte verbrennen. Man denke an die Stadt Sedom (1. Buch Mose 19,24): »Da ließ der Ewige auf Sedom und Amora Schwefel und Feuer regnen – vom Ewigen aus, vom Himmel herab.«
Dem entgegengestellt ist Feuer, das nur zwei der genannten Eigenschaften hat, es kann auf wundersame Weise nicht zerstören. Man könnte es »heiliges Feuer« nennen. Denken wir an den brennenden Dornbusch (2. Buch Mose 3,2): »Da erschien ihm ein Engel des Ewigen in einer Feuerflamme aus dem Dornbusch; er sah, wie der Dornbusch brannte, aber nicht verzehrt wurde.«
Gʼtt kommuniziert durch dieses Feuer mit Mosche, und später wird Feuer auch bei der Übergabe der Tora eine Rolle spielen: »Der ganze Berg Sinai rauchte, weil der Ewige sich auf ihm in Feuer offenbart hatte, und es stieg auf der Rauch, wie der Rauch eines Ofens, und der ganze Berg bebte gewaltig« (2. Buch Mose 19,18). Im Mischkan, dem Stiftszelt, soll ein »ewiges Feuer« (Esch tamid) brennen, so heißt es in der Tora (3. Buch Mose 6,6): »Ein ständiges Feuer werde in Brand gehalten auf dem Altar; es erlösche niemals.« Später wird dieses ewige Feuer auch im Tempel brennen. Natürlich wird Feuer im Mischkan und im Tempel dazu genutzt, die Opfertiere zu verbrennen.
»Komm und zünde ein Licht an, denn das ist eine Mizwa.«
Tikkunej haZohar
In den Tikkunej haZohar (73a), jenem Werk, das auch Rabbi Schimon Bar Jochai zugeschrieben wird, heißt es zu ebenjenem Satz mit der Vorschrift des ewigen Feuers: »Ein älterer Mann erhob sich aus den Ruinen und sprach: Rabbi, mein Lehrer, das Heilige Licht, komm und zünde ein Licht an, denn das ist eine Mizwa, von der gesagt wird: Ein immerwährendes Feuer soll auf dem Altar brennen, es soll nicht ausgelöscht werden. Und darüber wird auch gesagt: die ewige Flamme zu entzünden. Dies ist sicherlich das Licht des Göttlichen, das Licht, das in der Seele eines jeden Menschen leuchtet. Komm, entzünde es mit ihr.«
Rabbiner Abraham Jitzchak Kook, kurz Raw Kook, schließt den Kreis in seinem Werk Orot HaKodesch. Er schreibt, dass das Feuer des Altars als Metapher für das Feuer in jedem Menschen stehe: ein geistiges, spirituelles Feuer, das im Herzen eines jeden Juden entzündet ist.
Es ist also an Lag BaOmer wie mit dem Feuer auf dem Altar. Mit dem »äußeren« Zeichen wird auf das Innere des Menschen verwiesen. Die brennenden Feuer signalisieren heute noch deutlich, dass die Menschen in Israel auch nach Jahrhunderten vom Feuer für und von ihrer Tradition erfüllt sind und damit natürlich auch vom »Feuer der Tora«. In heraufordernden Zeiten ein wichtiges Zeichen.