Ich kenne es noch aus meiner Schulzeit: An Pessach oder Jom Kippur blieb man der Schule fern und ging in die Synagoge. Am nächsten Tag berichtete man seinen neugierigen und auf den freien Schultag eifersüchtigen Mitschülern über den Grund des Fehlens. »Einmal im Jahr will ich dann auch Jude sein«, hieß es damals bei manchem Schüler.
Jedes Jahr aufs Neue bleiben arbeitende Juden und Muslime in Deutschland zu Hause, wenn ihre Nachbarn mit ihren Familien um den Weihnachtsbaum sitzen oder im Garten nach Eiern suchen. Ihre eigenen Feiertage feiern Juden und Muslime oft in ihren Büros. In Deutschland werden wichtige christliche Feiertage – zu Recht – aus Tradition und Selbstverständnis gesetzlich zu arbeitsfreien Tagen erklärt, und zwar für alle, egal ob sie Christen, Atheisten, Juden, Muslime oder sonst was sind. Ist das ungerecht? Nicht wirklich. Ist es schade, dass Muslime und Juden nicht auch ihre Feiertage feiern? Ja, vielleicht.
Immer wieder hört man Vorschläge, dies zu ändern und auch jüdische und muslimische Feiertage zu gesetzlichen Feiertagen zu machen. So plädiert jetzt die Robert-Bosch-Stiftung für jeweils zwei zusätzliche Feiertage. Dabei beruft sich deren Studie auf das Problem der Ungleichbehandlung von Religionen. Die Idee ist begrüßenswert und wäre auch fair.
Ungleichgewicht Ein gewisses Ungleichgewicht gibt es bereits heute. Denn es gibt viele Berufe (Ärzte, Polizei unter anderem), in denen muslimische oder jüdische Kollegen einspringen und Arbeitsschichten übernehmen, während ihre Kollegen die Weihnachtsgans genießen. Dass nicht alle muslimischen und jüdischen Feiertage (und es sind wahrlich viele) zu arbeitsfreien Tagen werden sollen, liegt auf der Hand. Es ist weder praktikabel noch erwünscht. Auch nicht jedes christliche Fest ist ein gesetzlicher Feiertag. Einige christliche Feiertage, wie etwa der Buß- und Bettag, wurden schon gestrichen. Vertreter der Juden und Muslime könnten jeweils einen zentralen Feiertag bestimmen, der dazukommen soll.
Diese Jahreshöhepunkte der Juden und Muslime entwickeln dann als gesetzliche Feiertage eine andere – möglicherweise gewichtigere Wirkung. Denn die zusätzlichen Feiertage würden wie ihre christlichen Pendants für alle gelten.
Dabei ginge es weniger um die Frage der Gleichbehandlung, sondern vielmehr um ein Zeichen in die Gesellschaft hinein, aber auch nach außen. Dieses bunte Land würde sich endlich zu seiner Vielfalt bekennen und – rein symbolisch – mit Angehörigen anderer Religionen ihre Feiertage feiern. Die Wirkung wäre enorm und würde zu einem stärkeren Zusammengehörigkeitsgefühl in diesem doch stark von Misstrauen zerrütteten Land beitragen.
Der Autor ist Rechtsanwalt und 2. Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Kassel.