Simchat Tora

Feiern mit Würde

Das Torafreudenfest endet manchmal im Chaos. Zehn Tipps, wie man das vermeiden kann

von Rabbiner Elias Dray  07.10.2016 15:56 Uhr

Kinder sollten sich vor dem Simchat Tora-G’ttesdienst etwas ausruhen, um Kraft für das Tanzen zu sammeln. Foto: Copyright (c) Flash 90 2006

Das Torafreudenfest endet manchmal im Chaos. Zehn Tipps, wie man das vermeiden kann

von Rabbiner Elias Dray  07.10.2016 15:56 Uhr

Der ehemalige Oberrabbiner von München, Pinchas Biberfeld sel. A., nannte die Zeit, in der die Feiertage Rosch Haschana, Jom Kippur, Sukkot und Schemini Azeret liegen, gerne »Herbstmanöver«. Simchat Tora, das krönende Ende dieses Manövers, ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Fest.

Das hat mehrere Gründe. Das Fest steht nicht nur für das Ende der Herbstfeiertage, sondern gleichzeitig auch für das Ende der Toralesung und deren Wiederbeginn in der Synagoge. Während des ganzen Jahres wird Woche für Woche jeweils am Schabbat ein Wochenabschnitt aus der Tora vorgelesen. Diesen Jahreszyklus beendet die Lesung des letzten Wochenabschnittes »Wesot Habracha« an Simchat Tora, der einzige Abschnitt der Tora, der nicht am Schabbat gelesen wird. Direkt anschließend wird mit »Bereschit« der Beginn der Tora vorgelesen.

Vorbereitung
Das Judentum lebt von der Vorbereitung. Nur wer sich vorbereitet, im materiellen, aber auch im geistigen Sinne, der kann den Feiertag richtig genießen. Der Talmud vergleicht die kommende Welt mit dem Schabbat: Nur wer für Schabbat etwas vorbereitet, hat am Schabbat auch zu essen.

So hängt die Belohnung in der zukünftigen Welt von unserer Vorbereitung und unseren guten Taten in dieser Welt ab. Deshalb kommt auch der Vorbereitung für das Torafreudenfest eine wichtige Rolle zu. Ich habe ein paar Ideen zusammengestellt, wie Sie Simchat Tora für sich und Ihre Kinder zu einer ganz besonders inspirierenden Erfahrung machen können.

1. Sprechen Sie mit Ihren Kindern darüber, dass wir die Tora an Simchat Tora beenden und dann gleich von Anfang an neu beginnen. Würden wir das auch bei einem Roman tun? Im Normalfall sicherlich nicht. Doch es zeigt die Tiefe und die Schönheit der Tora, dass wir sie jedes Jahr von Neuem anfangen. In jeder Geschichte und in jedem Abschnitt kann man jedes Mal etwas Neues entdecken. Wie unsere Weisen sagen: »Jeder Vers der Tora hat 70 Erklärungen.«

2. Sprechen Sie mit ihren Kindern darüber, dass wir das einzige Volk auf der Erde sind, das mit einem Buch tanzt und sich freut, als hätte es gerade eine Million im Lotto gewonnen. Wir zeigen an Simchat Tora unsere große Wertschätzung für die Tora. Sie gibt unserem Leben Sinn und zeigt uns, wo wir Prioritäten setzen sollen. Wir, das jüdische Volk, wurden von G‹tt ausgewählt, das Licht der Tora unter allen Nationen zu verbreiten. G’tt verspricht dem jüdischen Volk, dass es dereinst den Nationen der Welt ein Licht sein werde, ein moralischer und spiritueller Leuchtturm, an dem sich andere Völker orientieren werden. Diese Gewissheit gibt uns die Kraft, unsere Freude an Simchat Tora voll entfalten zu können.

3. Einer der Gründe, warum wir so viel Freude an Simchat Tora verspüren, ist die Gewissheit, dass uns – 2000 Jahre ohne Land, zerstreut in alle Enden der Welt – nur eines zusammengehalten hat: die Tora. Ohne Tora gäbe es heute kein jüdisches Volk. Diskutieren Sie diesen Aspekt mit Ihren Kindern.

4. Wenn Sie Einfluss nehmen können auf den Ablauf des Torafreudenfestes, dann schlagen Sie vor, dass man die Verteilung von Süßigkeiten an die Kinder auf das Ende legt. Es mindert die Freude und die Würde des Festes, wenn Kinder nur mit dem Aufsammeln von Süßigkeiten beschäftigt sind und Beter Bonbons auf den Kopf geworfen bekommen. In Gemeinden, wo es Tradition ist, bei den Umzügen Süßigkeiten zu geben, sollte man jeweils erst am Ende von jeder Hakafa (jeder Runde) Süßigkeiten verteilen.

5. Gehen Sie mit Ihren Kindern den Ablauf des Gottesdienstes an Simchat Tora durch. Klären Sie Begriffe wie Chatan Tora (Bräutigam der Tora) und Chatan Bereschit (Bräutigam des ersten Buches Mose) sowie Kol Haneraim (Der Ruf der Kinder) – der Brauch, bei dem ein Tallit über die Kinder gespannt wird und mit ihnen ein Vers gesungen wird, damit ein Engel sie segnen soll.

6. Lernen Sie mit Ihren Kindern Lieder, die man an Simchat Tora normalerweise singt, und schauen Sie sich gemeinsam mit den Kindern die Übersetzung an. Es gibt dem Kind ein besseres Gefühl, wenn es den hebräischen Text kennt und auch versteht.

7. Besprechen Sie mit Kindern, was der Unterschied zwischen gesunder Freude und Herumalbern ist. Wo sollten wir selbst Grenzen setzen?

8. Animieren Sie Ihre Kinder, an Simchat Tora bei den Umzügen mitzutanzen. Sie legen damit den Samen für die Liebe und Freude, die Ihre Kinder an der Tora haben können, für das ganze Jahr. So sagt der bekannte Gelehrte, der Wilnaer Gaon, dass der Grad der Freude, den man an Simchat Tora erreicht hat, einen das ganze Jahr begleiten wird.

9. Vergewissern Sie sich, dass Ihre Kinder sich am Nachmittag vor dem Gottesdienst von Simchat Tora ein bisschen ausruhen können. Müde Kinder haben keine Lust, bei den Umzügen zu tanzen.

10. Einer der Höhepunkte von Simchat Tora ist der Brauch, dass alle, einschließlich kleinerer Kinder, einen Aufruf zur Tora bekommen. Lernen Sie mit Ihren Kindern den Segensspruch für den Toraaufruf, damit dieser ein positives Erlebnis für Ihr Kind wird. Diskutieren Sie, was der Spruch bedeutet: »Dass du uns auserwählt hast unter allen Völkern und uns die Tora gegeben hast.«

Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen einen inspirierenden und freudenreichen Abschluss der Feiertage. Chag Sameach!

Der Autor ist Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Amberg.

Purim

Doppelter Feminismus

Waschti und Esther verkörpern zwei sehr unterschiedliche Strategien des Widerstands gegen die männliche Dominanz

von Helene Braun  13.03.2025

Megilla

Wegweiser in der Fremde

Aus der Purimgeschichte leitete ein mittelalterlicher Rabbiner Prinzipien für das jüdische Überleben in der Diaspora ab, die erst in der Moderne wiederentdeckt wurden

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  13.03.2025

Militärseelsorge

Militärrabbiner Ederberg: Offenes Ohr für Soldaten im Norden

Arbeit bei der Bundeswehr sei Dienst an der Gesellschaft insgesamt, den er als Rabbiner gerne tue, sagt Ederberg

 11.03.2025

Fest

Mehr als Kostüme und laute Rasseln: Purim startet am Donnerstagabend

Gefeiert wird die Rettung der Juden vor der Vernichtung durch die Perser

von Leticia Witte  11.03.2025

Tezawe

Kleider, die die Seele formen

Was es mit den prächtigen Gewändern der Hohepriester auf sich hat

von Rabbiner Jaron Engelmayer  07.03.2025

Talmudisches

Heilen am Schabbat

Was unsere Weisen über Notfälle und Pikuach Nefesch lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  07.03.2025

Meinung

Übersehene Prophetinnen

Zum Weltfrauentag fordert die Rabbinatsstudentin Helene Braun mehr Sichtbarkeit für jüdische Vorreiterinnen

von Helene Braun  06.03.2025

Truma

Der tragbare Sinai

Warum das Stiftszelt kein heiliger, aber ein geheiligter Ort ist

von Chajm Guski  28.02.2025

Neuauflage

Ein antizionistischer Zionist

Das Denken des deutsch-jüdischen Religionsphilosophen Isaac Breuer lässt sich nun gründlicher erschließen

von Yizhak Ahren  28.02.2025