Eine Riesengeburtstagstorte wird hereingefahren, rosa glitzernd, so groß wie ein Esstisch, mit bunten Streuseln und Hunderten von Kerzen. Das Publikum jubelt. Da tut sich in der Tortenmitte ein Spalt auf. Er wird größer und größer, eine Hand langt heraus, dann eine zweite ... Eine moppelige Person in einem viel zu engen Glitzerfummel stemmt sich aus der Tortenöffnung. Huch, das bin ja ich! Zaghaft wage ich einige Tanzschritte auf dem klebrigen Tortenguss. Das Publikum bewirft mich unter lauten Buhrufen mit faulen Eiern und Tomaten. Hilfe!
Albträume Schweißgebadet wache ich auf. Ich muss mich erst einmal sammeln und greife zu den Baldrianpillen auf dem Nachttisch. Das ist jetzt der dritte Albtraum zum Thema Geburtstag, den ich diese Woche durchleide. Ich brauche keinen Doktor Freud, um mir den Grund hierfür zu nennen: Bald steht der Geburtstag meiner fünfjährigen Tochter Emma an. Und ich habe noch nichts vorbereitet. Grund genug für eine ganze Serie von Albträumen.
Neulich beim Kiddusch habe ich die anderen Mütter ausgehorcht, wie sie es denn so halten mit den Geburtstagspartys. Dummerweise ist Emma in einer Kindergartenklasse von angehenden Millionären gelandet. Die meisten Eltern sind in der Diamantenbranche und schwimmen nur so im Geld. Geburtstagspartys werden also in der familieneigenen Villa abgehalten, das Personal kümmert sich um die eingeladenen Gören, während Mami und Papi hinter verschlossenen Türen die Beine hochlegen, sich alte Sinatra-Filme reinziehen und zur Entspannung ein paar hinter die Binde kippen. Das Personal bekommt zu diesem Anlass Schmerzensgeld und Gefahrenzulage ausbezahlt, für die Zumutung, sich stundenlang mit zwei Dutzend unerzogener Kinder herumzuschlagen.
Trampoline Und was mache ich mit meiner popeligen 90-Quadratmeterwohnung? Bleibt nur noch das Zauberwort Indoor-Spielplatz. Hier gibt es Trampoline, Riesenrutschen, Hüpfburgen und so weiter. Klingt nicht schlecht, aber ich weiß aus Erfahrung, dass sämtliche Eltern in einer solchen Einladung die Chance sehen, ihre Gören einfach abzuladen, spurlos zu verschwinden und sich irgendwo weit, weit weg ein paar schöne Stunden zu machen. Handys für eventuelle Hilferufe bleiben gnadenlos ausgeschaltet. Ein Horrorszenario. Aber es bleibt mir wohl nichts anderes übrig.
Schließlich rückt der große Tag heran, die Fete beginnt um 15 Uhr. Bereits gegen zwei halten ein paar Autos vor meinem Haus. Eine Horde Kinder kullert auf den Gehweg, und die Wagen fahren mit quietschenden Reifen wieder davon. Einige Kinder haben Kopfkissen und Knuddeldecken dabei. Wollen die etwa über Nacht bleiben?
Mein Mann Alain beginnt den Autozubringerdienst zum Spielplatz und stopft so viele Kinder wie nur möglich in unser Auto. Ich muss leider zu Fuß gehen. Am Eingang zum Spielplatz werde ich überschwänglich vom Direktor als tausendste Besucherin des Jahres begrüßt. Dafür gibt es eine Handvoll Animateure, einen Clown und einen Zauberer gratis. Klasse!
Gruselfilm Alain und ich ziehen uns in das verglaste Café für Eltern zurück und beobachten aus sicherer Entfernung das Geschehen, das sich draußen wie ein Gruselfilm vor unseren Augen abspult. Man hört das verzweifelte Kreischen des Zauberers, der mit Bonbons bombardiert wird, die immer leiser werdenden Hilfeschreie eines Animateurs, den die Kleinen im Bällebad zu ertränken versuchen. Man sieht die grün- getupfte Unterwäsche des wutschnaubenden Clowns, dem ein paar Kinder das Kostüm zerfetzt haben. Drei Animateure hoppeln mit schmerzverzerrten Gesichtern vorbei, auf ihrem Rücken ein halbes Dutzend johlender Kinder, die sich an Nasen, Ohren und Haaren ihrer Opfer festhalten. Cremeschnittchen, Gummischlangen und Pfannkuchen wirbeln durch die Luft, irgendein Kind löst die Sprinkleranlage aus ...
Schließlich taucht ein völlig durchnässter Direktor auf und bittet uns, seinen Spielplatz nie wieder zu betreten. Wir sollen uns sofort vom Acker machen. Ich denke, nächstes Jahr feiern wir Emmas Geburtstag wahrscheinlich weit, weit weg – wo mich niemand kennt und ich niemanden einladen muss.