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Ersatz für das Opfer

Vor der Corona-Epidemie: Toralesung in der Berliner Synagoge Brunnenstraße

Der Sohar schreibt: Wären die Israeliten Zaddikim gewesen − also Menschen, die nicht gesündigt haben −, dann hätte im Tempel ein Feuer in Gestalt eines Löwen ihr Opfer verzehrt. Doch sie verhielten sich nicht wie Zaddikim, deshalb kam das Feuer in Gestalt eines Hundes (Sohar Chadasch, Paraschat Teruma).

In unserem Wochenabschnitt geht es um Opfergaben, sogenannte Korbanot. Es gibt verschiedene Anlässe für Opfer, zum Beispiel Sündenopfer (Korban Chatat) oder Schuldopfer (Korban Ascham). Es sind Sühnen für Sünden, die der Mensch begangen hat.

Midrasch Am Ende von Kapitel 7 unserer Parascha steht geschrieben: »Dies ist, was G’tt Mosche am Berg Sinai befohlen hat, an dem Tag, an dem Er dem Volk Israel auftrug, Ihm Opfergaben darzubringen, in der Wüste Sinai.«

Der Midrasch Tanchuma schreibt dazu: In der Zeit, in der G’tt dem Volk Israel die Korbanot befohlen hat, versammelten sich alle Völker bei Bileam und fragten ihn: »Warum hat G’tt dem Volk Israel Korbanot befohlen und uns nicht?« Er antwortete: »Ihr Schwachköpfe dieser Welt! Die Israeliten haben die Tora bekommen, deshalb wurden ihnen die Korbanot befohlen, euch jedoch nicht, da ihr die Tora nicht bekommen habt.« Laut dem Midrasch hatte G’tt den anderen Völkern auch die Tora angeboten, doch sie lehnten sie ab.

Sünden Der Ben Isch Chai, Rabbi Josef Chaim (1832−1909), gibt Folgendes zu bedenken: Dieser Midrasch bedarf einer Erklärung. Die Korbanot werden als Sühne für die Sünden benötigt. Auch andere Völker, die die Tora nicht erhalten haben, benötigen die Korbanot, denn für die Noachiden − also Nichtjuden, die sich zu G’tt und zur Tora bekennen − gelten ebenfalls sieben Mizwot, die sogenannten Noachidischen Gebote. Auch die Noachiden sollten demnach die Möglichkeit haben, ein Korban zu bringen, um ihre Sünden zu sühnen. Was ist also der Grund dafür, dass den Völkern nicht befohlen wurde, zu opfern?

Auch andere Völker, die die Tora nicht erhalten haben, benötigen die Korbanot.

In seiner Antwort auf diese Frage zitiert der Ben Isch Chai die Gemara im Talmud Jeruschalmi (Masechet Makot, Kapitel 2 Halacha 6): »Die Weisheit wurde gefragt, was die Strafe eines Sünders sei. Sie sagte: ›Sünden sollen vom Bösen verfolgt werden.‹ Daraufhin wurde die Prophezei­ung gefragt, und sie sagte: ›Die Seele, die sündigt, sie soll sterben.‹ Dann wurde die Tora gefragt, und sie sagte: ›Er soll ein Korban bringen, und es wird gesühnt werden.‹«

Sühne Weiter antwortet der Ben Isch Chai: Ein Opfer als Sühne darzubringen, kommt von der Tora, daraus folgt, dass nur derjenige, der die Tora akzeptiert hat, auch das Recht hat, auf diese Art Sühne zu tun.

Und dann führt der Ben Isch Chai den Midrasch an, der davon erzählt, dass die Völker zu Bileam kamen und ebenso wie Israel die Möglichkeit nutzen wollten, ihre Sünden mittels Korbanot zu sühnen. Doch Bileam antwortete ihnen: »Die Tora ist wie ein Paket, das man kauft. Wer bereit ist, das ganze Paket zu nehmen, bekommt auch die Korbanot. Doch ihr, die ihr die Tora nicht bekommen habt, bekommt auch nicht die Korbanot.«

Erklärung Ich habe eine andere Erklärung für den Midrasch im Talmud (Megila 31b) gefunden: Awraham sprach mit G’tt und sagte: »Herr der Welt, vielleicht wird Israel vor Dir sündigen, und Du wirst sie bestrafen wie die Generation von der Flut und die Generation von Babylon.« Der Ewige sagte: »Nein.«

Awraham fragte: »Herr der Welt, woher werde ich es wissen (was ich sie lehren soll, damit ihre Sünden gesühnt werden)?« Da sagte G’tt zu ihm: »Bringe Mir eine dreijährige Färse.« Da sagte Awraham: »Und was geschieht in der Zeit, in der der Tempel nicht mehr existiert, was wird mit ihnen?« Da sagte G’tt zu ihm: »Ich habe ihnen dafür schon den Seder für Korbanot gegeben, und jedes Mal, wenn sie ihn lesen, betrachte Ich es so, als hätten sie Mir ein Korban gebracht, und so wird es eine Sühne für ihre Sünden sein.«

In einer anderen Gemara (Menachot 110a) lesen wir: Resch Lakisch sagte: Was bedeutet »das ist die Tora (Weisung) für Ola (Hochopfer), Mincha (Mehlopfer), Chatat und Ascham«? Dazu erklärte er: »Für jeden, der Tora lernt, wird es so gesehen, als hätte er Ola, Mincha, Chatat und Ascham erbracht.«

Rawa erklärt es anders: »Jeder, der Tora lernt, braucht kein Korban Ola, Mincha, Chatat und Ascham.«

Offenbar brauchen sie es nicht, weil sie die Tora halten und demnach auch nicht sündigen.

Auch Rabbi Itzchak erklärt: Jeder, der die Regeln und Gesetze von Chatat lernt, wird so betrachtet, als hätte er das Korban Chatat erbracht, genauso wie derjenige, der die Regeln und Gesetze von Ascham lernt, so betrachtet wird, als hätte er den Korban Ascham gebracht.

Bileam meinte zu den Völkern: »Ihr Schwachköpfe der Welt! Das Volk Israel hat die Tora, und sie hilft ihm, auch wenn es keinen Tempel gibt. Doch ihr, die ihr keine Tora habt, könnt auch keinen Ersatz dafür haben.«

Wir sehen und lernen daraus, was für ein Geschenk uns G’tt mit den Opfern gegeben hat.

gemara Im Talmud (Berachot 26b) sagt Rabbi Jehoschua, dass das Gebet als Ersatz für das Korban angeordnet wird.

In einer Synagoge zu beten, ist demnach enorm wichtig. Die Gemara schreibt: »Ich werde für sie ein kleiner Tempel sein« (Megila 29a). Damit sind Synagogen und Batei Midrasch gemeint, Orte, in denen man Tora lernt. Das heißt, die Synagogen heute sind wie der Tempel. Und wenn wir in der Synagoge beten, ist es, als würden wir ein Opfer bringen.

Das Lernen der Tora und das Beten in der Synagoge hat eine große Bedeutung.

Schließlich sehen wir in der Gemara (Berachot 8a), dass es noch wichtiger ist, im Minjan zu beten: »Erlöse in Frieden meine Seele ...« Da sagte G’tt: Jeden, der Tora lernt, anderen hilft und im Minjan betet, betrachte Ich, als ob er Mich und Meine Kinder (das Volk Israel) von den anderen Völkern erlöst hat. Außerdem schreibt die Gemara an jener Stelle, dass derjenige, der Schacharit und Maariw betet, ein langes Leben verdient.

Daraus können wir schließen, dass das Lernen der Tora und das Beten in der Synagoge für unser Volk, aber auch für jeden Einzelnen, eine große Bedeutung hat.

Der Autor studiert am Rabbinerseminar zu Berlin.

inhalt
In diesem Wochenabschnitt werden die fünf Arten von Opfern, welche die vorige Parascha eingeführt hat, näher erläutert. Diese sind das Brand-, das Friedens-, das Sünden- und das Schuldopfer sowie verschiedene Arten von Speiseopfern. Dem folgen die Schilderungen, wie das Stiftszelt eröffnet und Aharon mit seinen Söhnen ins Priesteramt eingeführt wird.
3. Buch Mose 6,1 – 8,36

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