Sieben ist die Vollendung, acht ist der Neubeginn, so lehrt es uns die jüdische Mystik. Sieben Tage der Schöpfung – sechs Tage des Schaffens, der siebte ein Tag der Ruhe, geheiligt vom Ewigen selbst. So wie der siebte Tag der Woche ein Ruhen zur Ehre des Ewigen ist, so ist auch das siebte Jahr ein Ruhe-Jahr dem Ewigen.
Im Zehnwort lesen wir: Sechs Tage kannst du arbeiten und all deine Werke verrichten; aber der siebte Tag ist ein Feiertag dem Ewigen, deinem G’tt, da sollst du keinerlei Werk verrichten, du und dein Sohn und deine Tochter, dein Knecht und deine Magd, dein Vieh und der Fremde in deinen Toren. Der wöchentliche Schabbattag ist also ein Tag, an dem die Menschen und die Tiere ruhen.
Schabbatfeier Im 3. Buch Mose nun lesen wir: Sechs Jahre besäe dein Feld und sechs Jahre beschneide deinen Weinstock und sammle seinen Ertrag ein; aber im siebten Jahr sei eine Schabbatfeier für das Land, eine Feier des Ewigen, dein Feld sollst du nicht besäen und deinen Weinstock nicht beschneiden.
Das Schabbat-Jahr ist also für das Land und auch für die Pflanzen gedacht, die das Land hervorbringt. Dabei geht es nicht nur um die Ackerfrüchte und die Rebstöcke, sondern es bezieht sich auch auf alle anderen Pflanzen und Bäume, auf alles, was über der Erde oder in ihr wächst. Alle ihre Früchte werden für besitzlos erklärt.
Was bedeutet das? Sollen wir jetzt alle hungern, ein Fastjahr einlegen? Das wäre wohl eine recht triste Sache. So ist das aber nicht gedacht, schließlich soll ein Schabbat – ob Tag oder Jahr – eine frohe Zeit sein. Wir müssen doch nicht immerzu schaffen, um zu ernten, und wir können doch von allem essen, was die Erde, auf welche Weise auch immer, hervorbringt, und nicht nur von unserem eigenen Acker, von unserem eigenen Apfelbaum, sondern von allen Obstgärten, allen Olivenhainen, allen Feldern.
Aber kultivieren sollen wir Land und Pflanzen nicht, auch nicht Vorbereitungen treffen für den Ackerbau im kommenden Jahr. Und wir dürfen nicht sagen: Das ist mein Acker, weg da! Das gehört alles mir! Der Ertrag des Bodens ist in einem solchen Jahr für alle da.
Verantwortung Dazu gehört eine Menge Vertrauen in den Ewigen. Wird das Land denn genug für alle Menschen und Tiere hervorbringen? Es gehört aber noch etwas dazu, nicht nur G’ttvertrauen, sondern ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Land auch in den sechs Jahren zwischen den Schmitta-Jahren. Wenn wir das Land ausbeuten bis zum Letzten, dann wird uns im siebten Jahr die Quittung präsentiert.
Wir sind die Verwalter der Erde, nicht ihre Besitzer. Unser Leben ist kein Monopoly-Spiel, in dem es darum geht, wer am meisten besitzt. Das Land und alles, was sich darauf befindet, gehört einzig und allein dem Ewigen, der alles geschaffen hat. Er gibt es uns zum Lehen und fordert uns zu einem seiner Tora entsprechenden Umgang damit auf.
Dies wird uns mit Nachdruck klargemacht durch das Jowel-Jahr, wenn jeweils sieben mal sieben Jahre um sind, das Jahr, in dem die Sklaven frei und alle Schulden erlassen werden, und in dem alles Eigentum (mit Ausnahme von Häusern in einer ummauerten Stadt) zum ursprünglichen Eigentümer zurückkehrt.
Jowel-Jahr Freilich gelten die Gesetze von Schmitta-Jahr und Jowel-Jahr ausschließlich für das Land Israel, heißt es doch: »Wenn ihr in das Land kommt, das Ich euch gebe.« Überdies sind die Vorschriften betreffs des Jowel-Jahres, im Gegensatz zum Schmitta-Jahr, seit langer Zeit vollständig aus der Mode gekommen. Dies enthebt uns aber nicht unserer sozialen Verantwortung für Grund und Boden, für Flora und Fauna, und vor allem auch für unsere Mitmenschen – im Gegenteil.
Und diese Verantwortung ist auch keinesfalls daran gebunden, ob wir im Land Israel leben oder nicht; ist doch Israel unser aller unveräußerliches Heimatland im Herzen, wenn es schon nicht unser tatsächlicher Wohnort ist.
Nicht von ungefähr findet sich das Schabbatgebot in der Tora in den Asseret ha-Dibrot, dem Zehnwort, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Befreiung des Volkes aus Ägypten und der Verheißung des Landes.
Pächter »Wenn ihr nun in das Land kommt«, sagt der Ewige, und Er macht deutlich: »Das Land ist mein, und ihr seid meine Gäste und Pächter.« Selbst in unserem eigenen Land, in Israel – und gerade dort –, dürfen wir nicht nach unserem eigenen Gutdünken schalten und walten, so wie es uns gerade gefällt; wie sollten wir es da in anderen Ländern tun? Der Ewige lässt uns wissen, dass Er der Herr über die Welt und über die Zeit ist, und wir sind Ihm Rechenschaft über unseren Umgang damit schuldig.
»Schamat« bedeutet unbenutzt lassen, brach liegen lassen, erlassen, aber auch loslassen, auf etwas verzichten. Ein Verzicht birgt in sich nicht nur Passivität, sondern hat auch einen aktiven Anteil. Schmitta bedeutet also nicht einfach Nichtstun, sondern beinhaltet eine aktive Mitarbeit am Erhalt der Schöpfung und damit am Tikkun Olam.
Die Autorin ist Rabbinerin der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg.