»2012 ist das Jahr der Ankunft des Maschiach«, verriet meine Freundin Shira mir neulich beim Kiddusch. Sie würde sich an meiner Stelle jetzt keine Wohnung kaufen. »Lieber abwarten und zur Miete wohnen.« Von allen Argumenten gegen meinen geplanten Wohnungskauf in Antwerpen, die ich mir in den letzten Wochen anhören musste, ist das bestimmt das bekloppteste.
Als ob es nicht genug rationale Gegenargumente gäbe, wie zum Beispiel das Damoklesschwert in Form einer Hypothek, das dann 25 Jahre lang über meinem Haupt schweben wird, oder andere Risikofaktoren, wie zum Beispiel der schmierige Typ, der im Moment noch der Besitzer unserer zum Verkauf angebotenen Traumwohnung ist.
Georgien Zion Gagaschwili heißt er, ist etwa 1,90 groß, extrem haarig, mit einer polternden Stimme wie ein Lastwagenkonvoi und dem Charme eines Folterknechtes. Mein Mann Julien und ich glauben, dass er ganz bestimmt freundschaftliche Kontakte zur georgischen Mafia pflegt. Aber genau wollen wir es lieber nicht wissen.
Neulich hatten wir uns zum wiederholten Mal in der Wohnung verabredet, um letzte Feinheiten des Kaufvertrags zu verhandeln. Ansprechen wollten wir dabei auch den großen, grünlich schimmernden Schimmelfleck an der Küchenwand, den Zion bisher immer geflissentlich übersehen hatte, und den ziemlich mürbe wirkenden Parkettboden. »Da müsste dringend eine von diesen Schleif- und Bohnermaschinen her. Aber woher nehmen und nicht stehlen«, sinnierte mein Gatte.
»Schleifmaschina? Kann ich dir besorgen!«, poltert Zion in seinem lückenhaften Deutsch und haut Julien dabei so kameradschaftlich auf den Rücken, dass seine Brille im hohen Bogen durch den Raum fliegt.
Import-Export »Kann dir auch andere Sachen besorgen«, fährt Zion fort, nachdem Julien die Reste seiner Brille vom Parkett aufgesammelt hat. »Bin im Import-Export-Business. Du brauchen neue Brille? Vielleicht auch ein paar Brillies für Frau? Du bist ängstlicher Typ, was? Und hier mieses Viertel. Du brauchen Revolver? Oder Schocker?« »Was für einen Schocker?«, frage ich. Da geht Zion an die Kommode und holt einen brandneuen Elektroschocker heraus, noch in Plastik eingeschweißt, den er sich sodann anschickt auszupacken und uns vorzuführen.
Julien und ich kleben vor Angst bereits an der Wand. »Liebling, du machst den beiden Angst«, flötet Zions Weib Bracha, das jetzt auch hinzukommt, und ja, tatsächlich, sie hat recht. Julien wischt sich den Angstschweiß von der Stirn, und Zion packt den Schocker wieder weg und lächelt uns mit seinem lückenhaften Gebiss gewinnend an.
»Und was den Schimmelfleck in der Küche angeht ...«, bringt Julien stammelnd hervor. Auf einmal verengen sich Zions Augen zu schmalen Schlitzen. »Wo du Flecken gefunden? Du miesmachen mein Wohnung? Du Ärger suchen?«, zischt er, während seine Hand sich in Richtung Kommodenschublade vortastet.
Julien stottert irgendwas von einem dringenden Termin, schiebt mich hastig zum Ausgang und verspricht, sich sehr bald telefonisch zu melden.
Und so sind wir immer noch auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft: gerne 120 Quadratmeter mit Parkett und Balkon. Wenn Sie etwas hören – Sie wissen ja, wo Sie mich finden.