Jerusalem

»Eine Quelle des Lichts«

Zehntausende trauerten um den Rabbiner. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Einer der führenden sefardischen Rabbiner Israels ist gestorben. Das geistige Oberhaupt der ultraorthodoxen Partei Schas, Rabbiner Shalom Cohen, erlag am Montag den Folgen einer langen Krankheit. Der 91-Jährige war auch Vorsitzender des Rates der Tora-Weisen, der die sefardischen Juden vertritt. Zehntausende Menschen gaben ihm in Jerusalem das letzte Geleit und sorgten für zeitweiliges Verkehrschaos in der Stadt.

»Ich trauere um das Oberhaupt der Großen Jeschiwa und den Tora-Weisen Shalom Cohen, sein Andenken sei gesegnet«, so Präsident Isaac Herzog in einer Erklärung am Montagmorgen. »Zusätzlich zu seiner Größe in der Tora war er ein spiritueller Führer, der bescheiden und demütig eine große und wichtige Gemeinde in Israel und der jüdischen Welt leitete. Wir haben uns viele Male getroffen, und es tut mir leid, dass ich ihn in diesem Jahr nicht mehr in seiner Laubhütte besuchen kann.« Im vergangenen Jahr war der Rabbiner immer wieder ins Krankenhaus eingeliefert worden. Zuletzt mit einer Beininfektion in der vergangenen Woche. Sein Zustand hatte sich zusehends verschlechtert.

ÄUSSERUNGEN Wegen seiner teils feindseligen Äußerungen gegenüber nichtorthodoxen Israelis war Cohen nicht unumstritten. Vor Jahren ließ er wissen, dass alle, die für die Partei von Naftali Bennett gestimmt hatten, zur Hölle fahren würden. Ein anderes Mal nannte er Menschen, die eine gehäkelte Kippa tragen und dem national-religiösen Lager zuzuordnen sind, »Teil des Stammes von Amalek«. In der Bibel steht geschrieben, dass dieser Stamm ausgelöscht werden soll.

Der Trauerzug führte von der Porat-Yosef-Jeschiwa, die Cohen geleitet hatte, zum Sanhedria-Friedhof. Hunderte Einsatzkräfte waren dabei, darunter von der Polizei und dem Rettungsdienst Magen David Adom, der Ersthelfer entlang der Prozessionsroute stationierte. Sie forderten die Trauergäste dazu auf, ausreichend Wasser mitzubringen und nicht auf Dächer oder Stangen zu klettern, um eine bessere Sicht zu erhalten.

Zahlreiche Hauptverkehrsadern wurden zeitweilig gesperrt, und Bürgermeister Mosche Lion ordnete an, dass die Arbeiten an einer neuen Stadtbahnlinie entlang der Bar-Ilan-Straße, einer Durchgangsstraße in der Nähe des Friedhofs, bis nach der Beerdigung eingestellt würden.
Auch Premierminister Yair Lapid drückte sein Beileid aus: »Im Namen der israelischen Regierung und des gesamten Volkes sende ich seiner Familie, seinen Schülern und allen, die sein Andenken bewahren, mein Beileid. Unsere Stärke liegt in der Einheit des Volkes Israel.«

Am Montag hatte der Vorsitzende der Schas-Partei, Aryeh Deri, in einer Erklärung den Tod Cohens bekannt gegeben und den Rabbiner als »unseren Vater, unseren Lehrer und unseren Führer« bezeichnet.
Deri verglich Cohens Ableben mit »einem Schiff, das seinen Kapitän verliert«. Ultraorthodoxe Parteien verfügen über sogenannte Rabbinerräte, die die großen politischen Entscheidungen der Fraktionen leiten.

BEERDIGUNG Rabbiner Mosche Tzadka, der zusammen mit Cohen die Porat Yosef Jeschiwa leitete, sagte bei der Beerdigung, dass bereits am Samstagabend viele Menschen zusammengekommen waren, um für die Genesung des Rabbiners zu beten, als die Nachricht von seinem schlechten Gesundheitszustand die Runde machte. »Er war eine Quelle des Lichts für andere«, betonte Tzadka.

Der Rabbiner wurde auf dem Friedhof neben seiner Frau und in der Nähe der Ruhestätte von Rabbi Ovadia Yosef, dem vorherigen geistigen Anführer der Schas-Partei, beigesetzt. Yosef war 2013 verstorben, worauf Cohen ihm als Vorsitzender der Tora-Weisen nachfolgte. »Er hat sich sein ganzes Leben lang um die Nation gekümmert. Wir haben ihn nie das Wort ›ich‹ sagen hören«, sagte sein Sohn Yaakov Cohen, ebenfalls Rabbiner, über seinen verstorbenen Vater. »Wir sind alle am Boden zerstört. Wer wird uns jetzt führen? Wer wird unsere Familie führen?«

Yaakov Cohen hatte alle Anhänger von Schas dazu aufgerufen, an der Beerdigung teilzunehmen, »denn für die Ehre der Tora ist es eine Pflicht.«

Wajischlach

Wahre Brüder, wahre Feinde?

Die Begegnung zwischen Jakow und Esaw war harmonisch und belastet zugleich

von Yonatan Amrani  13.12.2024

Talmudisches

Licht

Was unsere Weisen über Sonne, Mond und die Tora lehren

von Chajm Guski  13.12.2024

Hildesheimer Vortrag

Das Beste im Menschen sehen

Der Direktor der Yeshiva University, Rabbiner Ari Berman, zeigt einen Ausweg aus dem Frontendenken unserer Zeit

von Mascha Malburg  13.12.2024

Debatte

Rabbiner für Liberalisierung von Abtreibungsregelungen

Das liberale Judentum blickt anders auf das ungeborene Leben als etwa die katholische Kirche: Im jüdischen Religionsgesetz gelte der Fötus bis zur Geburt nicht als eigenständige Person, erklären liberale Rabbiner

von Leticia Witte  11.12.2024

Vatikan

Papst Franziskus betet an Krippe mit Palästinensertuch

Die Krippe wurde von der PLO organisiert

 09.12.2024

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Wajeze

»Hüte dich, darüber zu sprechen«

Die Tora lehrt, dass man ein Gericht anerkennen muss und nach dem Urteil nicht diskutieren sollte

von Chajm Guski  06.12.2024

Talmudisches

Die Tora als Elixier

Birgt die Tora Fallen, damit sich erweisen kann, wer zur wahren Interpretation würdig ist?

von Vyacheslav Dobrovych  06.12.2024

Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Der Präsident der Yeshiva University, Ari Berman, betonte die gemeinsamen Werte der jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaft

von Detlef David Kauschke  05.12.2024