Wajelech

Eine eigene Rolle

Lesen einer Torarolle während einer Barmizwa-Zeremonie mit einem traditionellen Jad, der auf den Text auf dem Pergament zeigt Foto: Getty Images/iStockphoto


Der Wochenabschnitt Wajelech wird dieses Jahr am Schabbat gelesen, der zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur liegt. Es gibt wirklich eine besondere Atmosphäre in dieser Zeit: Man hat die Klänge des Schofars vom Neujahrsfest noch in den Ohren und ist vor dem kommenden heiligen Tag Jom Kippur angespannt. Deshalb ist es ziemlich passend, dass in unserem Wochenabschnitt das letzte Gebot der Tora steht. Jetzt werden die Gebote ein wenig ernster genommen als zum Beispiel während des Sommerurlaubs.

Und was ist das letzte der 613 Gebote? »Schreibt euch diesen Gesang auf und lehre ihn die Kinder Israels, lege ihn ihnen in den Mund, auf dass Mir dieser Gesang zum Zeugen sei gegen die Kinder Israels« (31,19). Die mündliche Überlieferung lehrt, dass damit das Gebot, sich eine eigene Torarolle zu schreiben, gemeint ist.

Und tatsächlich schreibt der Rambam, Maimonides (1138–1204), in seinem Sefer Hamizwot: »Es gibt ein Gebot, dass jeder Mensch seine eigene Torarolle haben soll. Und vor allem ist es lobenswert, wenn er diese Schriftrolle per Hand schreibt, und dies ist vorzuziehen.«

SOFRIM Dieses Gebot ist ziemlich logisch: Um das Judentum richtig zu praktizieren, muss man genau wissen, was man machen soll und was man nicht darf. Deshalb braucht man die Torarollen, um daraus zu lernen.

Jedoch stellt sich die Frage, wie realistisch es ist, dieses Gebot zu erfüllen. Es ist bekannt, dass nur ausgebildete Schreiber, Sofrim, die Tora schreiben dürfen. Es gibt viele Einzelheiten, die dabei zu beachten sind, deshalb kann ein »einfacher Mensch« nicht mal eben eine kleine Mesusa für sich schreiben.

Doch wie schon den Wörtern des Rambam zu entnehmen ist, kann man einen ausgebildeten Sofer mit dem Schreiben der Tora für sich beauftragen (auch wenn es nicht so schön ist, wie wenn man es selbst gemacht hätte). Doch auch diese Option ist für die Mehrheit des jüdischen Volkes praktisch unmöglich: Heute kostet eine neue Sefer Tora 30.000 bis 35.000 Euro. Nicht einmal Gemeinden hierzulande können sich eine neue Torarolle ohne Sponsoren oder Spendenaktionen leisten.

Anderseits haben unsere Weisen stets betont, wie wichtig diese Mizwa ist. Denn wenn man etwas selbst mit eigenen Händen gemacht hat, wird man es viel mehr schätzen, als wenn man es gekauft hat.

Laut der Halacha ist man, auch wenn man eine Torarolle geerbt hat, dazu verpflichtet, eine eigene Torarolle zu schreiben. Trotzdem kennen wir alle viele sehr religiöse und orthodoxe Juden und sogar Rabbiner, die keine eigene Torarolle besitzen. Wie ist dies zu erklären?

TALMUD Der Rosch, Rabbi Ascher ben Echiel (1250–1327), er wurde im Rheinland geboren und starb in Toledo, eine große halachische Autorität des Mittelalters, schreibt: »Heutzutage schreibt man die Torarolle, legt sie in die Synagoge und liest sie in der Gemeinde. Daher ist das Gebot eines jeden Juden, der eine solche Gelegenheit hat, sich selbst einen Pentateuch oder Talmud zu schreiben (oder zu kaufen) und die Kommentare dazu, damit er aus ihnen lernen und die Gebote und Gesetze gut kennen kann, da diese zu den Büchern zählen, die man schreiben sollte.«

Statt sich eine ganze Tora zu schreiben, darf man religiöse jüdische Bücher also auch kaufen, um daraus zu lernen. Und das ist heute wirklich nicht schwer: Es gibt zahlreiche Bücher und Übersetzungen zu allen Bereichen des Judentums.

Man kann diese Mizwa sogar noch schöner machen. Jeder kann solche Bücher erwerben und der örtlichen Gemeinde spenden. Dazu kann man als Widmung im Buch schreiben, dass es zum Andenken an einen bestimmten Verwandten gespendet wurde. Dann hat man damit nicht nur eine wichtige Mizwa erfühlt und etwas Gutes für die Seele des Verstorbenen getan, sondern auch etwas Gutes für andere. Schöner kann man ein Gebot kaum erfüllen.

Der Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).

inhalt
Mosche erreicht sein 120. Lebensjahr und bereitet die Israeliten auf seinen baldigen Tod vor. Er verkündet, dass Jehoschua sein Nachfolger sein wird. Die Parascha erwähnt eine Mizwa: In jedem siebten Jahr sollen sich alle Männer, Frauen und Kinder im Tempel in Jerusalem versammeln, um aus dem Mund des Königs Passagen aus der Tora zu hören. Mosche unterrichtet die Ältesten und die Priester von der Wichtigkeit der Toralesung und warnt sie erneut vor Götzendienst.
5. Buch Mose 31, 1–30

Chabad

Gruppenfoto mit 6500 Rabbinern

Tausende Rabbiner haben sich in New York zu ihrer alljährlichen Konferenz getroffen. Einer von ihnen aber fehlte

 02.12.2024

Toldot

Jäger und Kämpfer

Warum Jizchak seinen Sohn Esaw und nicht dessen Bruder Jakow segnen wollte

von Rabbiner Bryan Weisz  29.11.2024

Talmudisches

Elf Richtlinien

Wie unsere Weisen Psalm 15 auslegten

von Yizhak Ahren  29.11.2024

Ethik

»Freue dich nicht, wenn dein Feind fällt«

Manche Israelis feiern auf den Straßen, wenn Terroristenführer getötet werden. Doch es gibt rabbinische Auslegungen, die jene Freude über den Tod von Feinden kritisch sehen

von Rabbiner Dovid Gernetz  29.11.2024

Potsdam

In der Tradition des liberalen deutschen Judentums

Die Nathan Peter Levinson Stiftung erinnerte an ihren Namensgeber

 28.11.2024

Kalender

Der unbekannte Feiertag

Oft heißt es, im Monat Cheschwan gebe es keine religiösen Feste – das gilt aber nicht für die äthiopischen Juden. Sie feiern Sigd

von Mascha Malburg  28.11.2024

Berlin

Spendenkampagne für House of One startet

Unter dem Dach des House of One sollen künftig eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee Platz finden

von Bettina Gabbe, Jens Büttner  25.11.2024

Chaje Sara

Handeln für Generationen

Was ein Grundstückskauf und eine Eheanbahnung mit der Bindung zum Heiligen Land zu tun haben

von Rabbiner Joel Berger  22.11.2024

Talmudisches

Elefant

Was unsere Weisen über die Dickhäuter lehrten

von Rabbiner Netanel Olhoeft  22.11.2024