Herr DiMassimo, Sie wollen, dass an Jom Kippur nicht nur fromme Juden Handy und Laptop ausschalten, sondern alle Menschen. Was haben Sie gegen Technik?
Nichts! Ich liebe Technik! Sie ist derart unwiderstehlich, dass ich mir ein Leben ohne sie schwer vorstellen kann. Deshalb helfen mir einige Rituale und Regeln, die Geräte hin und wieder auch mal auszuschalten. Denn alles hat seine Zeit: Online und erreichbar zu sein, hat seine Zeit, offline zu sein, hat aber eben auch seine Zeit. Das ist jeder seiner Familie schuldig. Auch ich.
Was steckt hinter der »Offlining«-Kampagne, die Sie vor einigen Wochen gestartet haben?
Es geht darum, Jom Kippur für Menschen aller Glaubensrichtungen zu einem No-Device-Day, einem Tag ohne Internet und Handy, zu machen. Denn die Technik verändert unser Leben nicht nur zum Besseren. Darüber hinaus rufen wir zu zehn Abendessen mit der Familie auf, bei denen das Mobiltelefon ausgeschaltet wird. Die Idee stammt von Eric Yaverbaum, dem Chef eines New Yorker PR-Unternehmens, und mir. Gemeinsam mit meinen Mitarbeitern haben wir sie umgesetzt.
Was haben Sie getan, um für einen handyfreien Versöhnungstag zu werben?
In etlichen Städten sind Plakate aufgehängt worden. Außerdem betreiben wir die Website www.offlininginc.com, auf der man per E-Mail bestimmte Karten an andere verschicken kann. Und dort gibt es auch die Möglichkeit, über einen Button in sozialen Netzwerken auf unser Projekt aufmerksam zu machen.
Mit welchen Slogans rufen Sie zu Ihrer Aktion auf?
Der eine lautet: »Zeig der Welt dein wahres Gesicht!« Da geht es um die Smileysymbole, die viele Leute in Kurzmitteilungen und E-Mails benutzen. Das andere sind Fotos mit Prominenten wie der Schauspielerin Lindsay Lohan oder Tennisstar Tiger Woods, unter denen Sätze stehen wie »Man muss nicht jüdisch sein, um an Jom Kippur seine Twitter-Nachrichten zu bereuen«.
Wie reagiert die jüdische Gemeinschaft auf Ihre Kampagne?
Man nimmt uns wahr und unterstützt uns. Jüdische Medien berichten über das Projekt. Allerdings wollen wir mit der Aktion auch ein wenig provozieren, um eine kleine Kontroverse auszulösen, denn letztendlich führt nur so etwas zu Gesprächen. Aber von der jüdischen Gemeinde kommt kein Protest. Wer unsere Kampagne kritisiert, sind natürlich die Mitglieder der »verkabelten Gemeinde«. Die bloggen und posten, dass wir mit dem digitalen Fasten dem Zeitgeist hinterherrennen würden. Sie meinen, unser Projekt resultiere aus falschem Schuldbewusstsein.
Und, Hand aufs Herz: Wie viel verdienen Sie mit der Kampagne?
Keinen Cent. Wir verkaufen nichts und treiben auch keine Spenden ein. Es ist eine Art Kunstprojekt – der Versuch, eine neue Bewegung ins Leben zu rufen.
Mit dem Geschäftsführer der New Yorker Werbeagentur DIGO sprach Tobias Kühn.